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  • Lovis Kauertz

Was versteht man eigentlich unter „Hobbyjagd“?

Hören - Für Wildtierschutz Deutschland ist die Hobbyjagd jede Jagd durch Freizeitjäger, die ohne naturschutzfachliche Zieldefinition, Bewertung und Aufsicht erfolgt oder ohne einen vernünftigen Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes.



Der Tod der Wildsau, die zwecks Verzehrs mit einem Schuss erlegt wird, wird durchaus dem aktuellen Tierschutzgesetz und einem Großteil unserer Gesellschaft gerecht. Der Tod des Fuchses, der dem Totschießer „ein kaum zu übertreffendes Gefühl der Freude“ (Zitat aus dem Forum der Jagdzeitschrift „Wild und Hund“) vermittelt, wohl eher nicht. Ebenso wenig zehntausende von Fuchsrüden, die während der Paarungszeit im Winter getötet werden und deren Welpen mit einem Elternteil sehr viel geringere Entwicklungs- und Überlebenschancen haben [1].


Die aktuellen Jagdgesetze ermöglichen eine „freiheitliche“, sprich willkürliche Jagd auf Füchse. Willkürlich deshalb, weil es ausschließlich der Entscheidung des Jagenden obliegt, ob er oder sie jeweils dieses eine Tier nun tötet oder nicht. Einen vernünftigen Grund dürfte es – spätestens seit der Verankerung des Tierschutzes als Staatzielbestimmung im Grundgesetz – im Rahmen der freiheitlichen Jagd auf Füchse nicht häufig geben. Allein im Jagdjahr 2020/21 sprechen die Jagdstatistiken deutschlandweit von 459.284 getöteten Rotpelzen.


Für den Verzehr darf Reineke nicht verwertet werden, der Winterpelz wird aktuell vielleicht noch in einem Prozent der getöteten Tiere verwertet. Das von der Jägerschaft mit hohen Steuergeldern subventionierte Projekt „Fellwechsel“ zur Verwertung des Fuchsbalgs ist – wie von uns vorhergesagt – krachend gescheitert [2]. Wer kauft auch noch Pelz?


Im Hinblick auf den Vorwand Artenschutz, der gerne von der Jägerschaft, aber auch den politischen Behörden vorgebracht wird, muss man konstatieren, dass sich diesbezüglich trotz intensiver Bejagung in den letzten beiden Jahrzehnten weder in Rheinland-Pfalz noch in Brandenburg irgendeine von der Jägerschaft zu schützen vorgegebene Tierart auch nur annähernd im Bestand stabilisiert hat. Auf den bundesweiten Roten Listen gilt der Feldhase als gefährdet, das Rebhuhn als stark gefährdet [3]. Beide Tierarten dürfen in den genannten Bundesländern aber nach wie vor bejagt werden. Artenschutz kann effektiv nur unter naturschutzfachlicher Aufsicht erfolgen. Ob dabei der jagdliche Eingriff erforderlich ist oder nicht, ist von Fall zu Fall zu eruieren.


Ein weiterer von Jagdverbänden immer wieder dramatisch dargestellter Vorwand zur Rechtfertigung der tierquälerischen Fuchsjagd ist die Eindämmung von Fuchskrankheiten, die eine Gefahr für die menschliche Gesundheit seien (sog. Zoonosen). Die Tollwut ist in Deutschland und in west- und mitteleuropäischen Ländern dank der Ausbringung von Impfködern seit langem ausgemerzt. Eine weitere Zoonose wird durch den kleinen Fuchsbandwurm übertragen: Die alveoläre Echinokokkose ist eine der seltensten vom Tier auf den Menschen übertragenen Krankheiten in Europa. In Deutschland erkranken daran durchschnittlich etwa 40 Personen pro Jahr [4]. Dagegen sind allein im Jahr 2021 über 70.000 Menschen in Deutschland an oder mit Covid 19 gestorben.[5]/[6]


Tatsächlich ist der Fuchsbandwurm zur Rechtfertigung der Fuchsjagd völlig ungeeignet, denn die Bejagung von Füchsen kann deren Befallsrate mit dem Fuchsbandwurm nicht senken, jedoch nachweislich erhöhen [7]. Andererseits kann die Befallsrate der Füchse mit Fuchsbandwurm durch den Einsatz von Entwurmungsködern drastisch reduziert werden. [8]


In gemeinsamen Stellungnahmen mit dem Deutschen Tierschutzbund, dem Bund gegen Missbrauch der Tiere (bmt) und der Deutschen Juristischen Vereinigung für Tierschutzrecht (Stellungnahme Brandenburg) fordern wir, das Jagdrecht in Rheinland-Pfalz und in Brandenburg stärker an den Allgemeininteressen zu orientieren und insbesondere der Verankerung des Tierschutzes als Staatzielbestimmung im Grundgesetz Rechnung zu tragen. [9]



[1] Zabel C.J. (1986): Reproductive Behavior of the Red Fox (Vulpes vulpes): A Longitudinal Study of an Island Population und Vergara V. (2001): Comparison of parental roles in male and female Red Foxes, Vulpes vulpes, in southern Ontario. Canadian Field Naturalist 115(1), 22-33 und Gloor S., Bontadina F., Hegglin D. (2006): Stadtfüchse. Ein Wildtier erobert den Siedlungsraum. Haupt-Verlag [2] Pelz aus Jägerhand: Warum das Projekt „Fellwechsel“ ein gewaltiger Flop ist (Aktionsbündnis Fuchs 2019) [3] Die Roten Listen [4] Statista: Anzahl der jährlich registrierten Fuchsbandwurm-Infektionen in Deutschland in den Jahren 2001 bis 2019 [5] RKI: Coronavirus - Todesfälle nach Sterbedatum (22.12.2022) [6] Gesundheitsrisiken durch Wildtiere gering [7] Deplazes P., Hegglin D., Gloor S., Romig T. (2004): Wilderness in the city: the urbanization of Echinococcus multilocularis. Trends in Parasitology 20, 2 und Comte et al. (2017): Echinococcus multilocularis management by fox culling: An inappropriate paradigm [8] König A., Romig T. (2007): Bericht an die Gemeinden des Landkreises Starnberg sowie die Gemeinden Neuried und Planegg über das Projekt Kleiner Fuchsbandwurm im Bereich der Gemeinden im Landkreis Starnberg sowie den Gemeinden Neuried und Planegg im Landkreis München [9] Stellungnahme zur Novellierung des Landesjagdgesetzes Rheinland-Pfalz / Brandenburg


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