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Wie viele Wildschweine gibt es? Kann die Jagd den Bestand reduzieren? Fragen und Antworten zu Wildtieren und zur Jagd

Wie viele Wildschweine gibt es in Deutschland?

Wie viele Wildschweine es in Deutschland gibt, kann niemand genau sagen. Man kann sich dieser Zahl aber rechnerisch nähern: Die höchste gemeldete Verringerung einer Wildschweinpopulation wurde aus einem eingezäunten spanischen Jagdgebiet von 723 ha gemeldet (Boadella et al., 2012). Trotz aller Ungewissheit hinsichtlich der Bestandsmessung ging man von einer Reduzierung um 56,8 % aus, eine Zahl, die allerdings einer wildbiologischen Auswertung nicht standhielt. Im französischen Wald von Châteauvillain-Arc-en-Barrois (11 000 ha) berichten Toigo et al., 2008 von einer jährlichen Reduktion von 40 % während der Jahre 1982-2004. Diese Größenordnung scheint für Mitteleuropa bei intensiver Jagd durchaus realistisch zu sein.  Das heißt, es gab während der vergangenen zehn Jagdjahre – gemessen an den Jagdstrecken – etwa 1,2 bis 2,2 Millionen Wildschweine in Deutschland. Im Mittel der letzten 10 Jahre wurden pro Jahr etwa 614.000 Schwarzkittel getötet, 882.231 im Jagdjahr 2019/20. Wir gehen davon aus, dass auch durch die Zerstörung der Sozialgefüge der Schwarzwildrotten durch die Jagd die Zahl der Wildschweine in den nächsten Jahren kontinuierlich steigen werden.

 

Mehr dazu in unserem Beitrag: Die weidgerechte Bejagung der Wildsau …

Jäger behaupten, Jagd reduziere den Bestand der Wildschweine

Fakt ist, dass sich Wildschweinbestände allein durch jagdliche Maßnahmen nicht reduzieren lassen. Das zeigt die Entwicklung der Zahl der erschossenen Wildschweine der letzten 40 Jahre und das belegt eine Studie der Europäischen Behörde für Nahrungsmittelsicherheit (EFSA) aus 2014. Für einen Rückgang des Schwarzwildbestandes, der mit einer Populationsdynamik von etwa 200 Prozent pro steigt, wäre eine jährliche Reduzierung der Anzahl der Wildschweine um mehr als 67 Prozent erforderlich (EFSA). Tatsächlich liegt die Abschussquote bei etwa 40 Prozent.

 

Das, was Landwirtschaftsminister landauf landab propagieren, nämlich eine noch intensivere und damit tierquälerische Wildschweinjagd als bisher schon, ist auch nach über 15 Jahren nicht zielführend. Die Reproduktion von Wildschweinen ist kompensatorisch. Das bedeutet, dass Verluste z.B. durch die Jagd durch mehr Nachwuchs kompensiert werden (einzelne Sauen bekommen mehr Jungtiere und diese beteiligen sich dann auch schon bald an der Vermehrung). Dass die Wildschweinejagd nicht funktioniert zeigen auch die Streckenzahlen: Im Jagdjahr 2016/17 zählte die Jagdstrecke über 589 Tausend Wildschweine, 2017/18 waren es über 836 Tausend, im Folgejahr fast 600 Tausend und in 2019/20 über 880 Tausend. Wir gehen davon aus, dass wir bei dieser unkoordinierten Art zu jagen schon bald Jahresstrecken von über einer Million Wildschweine haben. Unabhängig von der Wildschweindichte ist die Hauptursache der Verbreitung der Afrikanischen Schweinepest immer menschliches Handeln.

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Mehr dazu in unseren Artikeln über Wildschweine und über die Afrikanische Schweinepest

Jäger behaupten, durch die hohe Wildschweindichte steige das Risiko der Einschleppung der Afrikanischen Schweinepest (ASP)

Fakt ist, dass in Deutschland niemand verlässlich sagen kann, wie viele Wildschweine es hierzulande wo gibt.

Von einer hohen Wildschweindichte zu sprechen ist also rein subjektiv. Als riskante Einschleppungswege für die ASP sieht das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) vor allen Dingen die illegale Einfuhr von infizierten Schweinen und von tierischen Nebenprodukten aus Osteuropa.  Auch andere indirekte Übertragungswege (Fahrzeuge, kontaminierte Ausrüstungsgegenstände einschließlich Jagdausrüstung, landwirtschaftlich genutzte Geräte und Maschinen, Kleidung) sind ein Risiko. Die Wildschweindichte hat keine Auswirkung auf das Risiko der Einschleppung der ASP (EFSA Panel on Animal Health and Welfare, 2018). ASP kann sowohl in Gebieten mit hohem als auch mit sehr niedrigem Wildschweinaufkommen auftreten. Auch dort wo – wie seit 2020/21 in Brandenburg und Sachsen bereits Wildschweine mit der Afrikanischen Schweinepest infiziert sind, bestätigt das FLI, dass die intensive Jagd sogar zu einer weiteren Verbreitung des Virus beiträgt.

 

Um die Verbreitung der ASP in Deutschland wirksam zu reduzieren, ist es vielmehr erforderlich die Biosicherheit an Autobahnraststellen zu erhöhen und ein wirksames Totfundmonitoring auf Kreisebene zu etablieren (Hohmann, Schwarzwildtagung Aulendorf, 2018).

 

Mehr dazu in unseren Artikeln über die Afrikanische Schweinepest

Kann man den Bestand der Wildschweine um 70 Prozent reduzieren, wie der Bauernverband das einst forderte?

Fakt ist, dass der Bauernverband, der diese unsinnige Forderung gestellt hat, überhaupt keine Kenntnis des aktuellen Bestands von Wildschweinen in Deutschland hat. Das weiß allerdings auch sonst keine Behörde. Nicht einmal der Deutsche Jagdverband. In „Die Zeit“ vom 18.2.2018 macht der Lobbyverband sich mit seiner Schätzung von etwa 300.000 Wildschweinen in Deutschland lächerlich. Im gleichen Jagdjahr wurden letztlich über 836.000 Schwarzkittel getötet. In einem FAZ-Interview ist der ehemalige Präsident des Deutschen Jagdverbands, Hartwig Fischer, für 2017 noch von einem Bestand von 900.000 Tieren ausgegangen. Also nicht einmal Deutschlands größter Jagdverband weiß, wovon er da redet.

 

Man kann sich der Zahl der Wildschweine in Deutschland aber annähern. Die höchste bekannte Verringerung einer Wildschweinpopulation gelang in einem eingezäunten spanischen Jagdgebiet von 723 ha (Boadella et al., 2012). Trotz aller Ungewissheit hinsichtlich der Bestandsmessung ging man von einer Reduzierung um 56,8 % aus. Bezogen auf eine Fläche wie Deutschland, liegt die aktuelle Reduzierung der Zahl der Wildschweine bei vielleicht 40 Prozent des Bestandes pro Jahr. Das hieße, es gab während der vergangenen vier Jagdjahre etwa 1,4 bis 2,2 Millionen Wildschweine in Deutschland. In den kommenden drei Jahren müsste man also - um die 70 Prozent-Quote zu erfüllen – pro Jahr jeweils zwischen 1,1 und 1,6 Millionen dieser intelligenten Tiere abschießen – was illusorisch ist. Im Mittel der letzten 10 Jahre wurden pro Jahr etwa 614.000 Schwarzkittel getötet. Die Populationsdynamik des Schwarzwildes liegt übrigens bei etwa 200 Prozent (Hohmann).

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Mehr dazu in unseren Artikeln über die Afrikanische Schweinepest und zu Wildschweinen

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