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  • Dr. Antje Oldenburg

Fundstücke - Füchse in der Schotenheide

... über die Rolle des Fuchses im Ökosystem

Hören - |Nur wenige Gehminuten von unserem Haus entfernt beginnt die Schotenheide, ein weitläufiges, unzerschnittenes Waldgebiet, in dem das Naturschutzgebiet „Moor in der Schotenheide“ und das Naturdenkmal „Schwedenschanze“ als besonders schützenswerte Einsprengsel liegen.


Prägten früher ausgedehnte Heideflächen das Landschaftsbild, so wechseln sich heute kleine strukturreiche Mischwälder mit monotonen Kiefernforsten ab, hier und da öffnet sich der Blick auf Grünland und Äcker, auf denen vorwiegend Mais angebaut wird. Hier drehe ich in meiner Mittagspause häufig eine Waldrunde, um mir die Beine zu vertreten, frische Luft zu schnappen und den Kopf frei zu bekommen, bevor es wieder an den Schreibtisch geht. Zu dieser Tageszeit sind nur wenige Menschen unterwegs und an diesem trüben und stürmischen Februartag machen sich auch die Tiere rar. Ab und zu ist der Warnruf eines Buntspechtes zu hören, ein Baumläufer sucht am Stamm einer knarrenden Kiefer nach Nahrung und in den Erlenkronen am Graben zwischert und schwätzt ein Zeisigschwarm.

 

Plötzlich lenkt das tiefe „kroak“ der Kolkraben meine Aufmerksamkeit auf ein lichtes Waldstück, in dem ein monumentaler Hochsitz steht. Rund fünfzehn Ra­ben fliegen laut rufend zwischen den Kiefern umher – ein sicheres Zeichen für einen reich gedeckten Tisch. In der Vergangenheit habe ich dort wiederholt Knochen, Fellreste und Eingeweide von Rehen und Damwild gefunden, auch Fallwild wurde dort manchmal abgelegt. Doch dieses Mal trifft mich der An­blick, der mich nur wenige Meter vom Waldrand entfernt erwartet, unvorberei­tet. Vier Füchse liegen nebeneinander am Wegesrand auf dem Waldboden und zeugen von dem sonntäglichen Vergnügen des Jagdpächters, das offenbar darin besteht, mitten in der Paarungszeit Füchse zu töten.


Vom Hobbyjäger aus Vergnügen getötet und weggeschmissen: Rotfüchse während der Paarungszeit
Vom Hobbyjäger aus Vergnügen getötet und weggeschmissen: Rotfüchse während der Paarungszeit

Für mich ist dieses sinn­lose Ge­metzel ein Akt der Barbarei, dem im letzten Jagdjahr bundesweit mehr als 400.000 Füchse zum Opfer fie­len. Dabei ist längst er­wiesen, dass die Fuchsjagd ökolo­gisch sinnlos ist, weil Füchse als „Gesund­heitspolizei“ eine wichtige Rolle im Öko­system spielen. Sie erbeu­ten reaktionsschwache und kranke Kleintiere und sorgen so dafür, dass sich die Gene starker und reaktionsschneller Tiere ver­mehren und die Ausbreitung hochinfektiöser viraler und bakterieller Krank­heiten wie bei­spielsweise Myxomatose (Kanin­chen) und Tularämie (Hasen) eingedämmt wird. Als Aasfresser gehören Füchse zu den Schlüsselarten mit essenzieller Funktion im Nahrungs­netz und sind für die Gesundheit von Tie­ren und Men­schen unentbehr­lich. Sie vertil­gen jähr­lich zwischen drei- und viertausend Mäuse und verringern so in er­heb­lichem Maße Fraßschäden in land- und forstwirt­schaftlichen Kulturen, die paradoxerweise mit erhebli­chem finanzi­ellen Aufwand vor Rehen und Hirschen geschützt werden, wäh­rend man gleichzeitig massenweise den wichtigsten Gegenspieler von Mäu­sen tötet.

 

Doch sind Füchse als wichtiger Be­standteil des ökologischen Kreislaufes nicht nur für die Regenerie­rung und Stabilisierung der Öko­systeme unverzichtbar, sie haben ebenso wie ihre großen Verwandten, die Wölfe, die menschliche Fantasie und Kreativität seit jeher in den unterschiedlichsten Kulturkreisen in­spiriert. Als Charaktereigenschaften werden dem sozialen Vierbeiner in unzäh­ligen Mythen, Fabeln, Märchen, Erzählungen und Comics Fürsorglichkeit und Aufopferungsbereitschaft, vor allem aber List und Schläue zugeschrieben, die sich je nach Situation als Heimtücke und Verschlagenheit oder als Weitsicht und Klugheit manifestieren. Gerade diese Ambivalenz ist es, die den scheuen, verspielten und anpassungsfähigen Beutegreifer zu einem faszinierenden Sym­pathieträger gemacht hat, dem heute weite Teile der Bevölkerung – nicht zu­letzt aufgrund seiner Schönheit – positiv gegenüberstehen. Nur ein Großteil der Jägerschaft hält wider alle Vernunft und Moral an der überkommenen Fuchs­jagd fest und stellt Reineke mit Nachtsichtgeräten und Nachtzieltechnik sowie geradezu perfiden Methoden wie der Bau- und Fallenjagd nach, gegen die auch der schlauste Vertreter seiner Art keine Chance hat.

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