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  • Lovis Kauertz

Intensivierung der Jagd auf Wildschweine ohne Nutzen gegen die Afrikanische Schweinepest

„Die bundesweite Aufhebung der Schonzeiten für Wildschweine und die weitere Intensivierung der Jagd auf die Schwarzkittel ist reiner Aktionismus.“ Das sagt Lovis Kauertz, Vorsitzender von Wildtierschutz Deutschland. „Wie aus einer kleinen Anfrage der Partei Die Linke ersichtlich, ist es der Bundesregierung bekannt, dass solche Maßnahmen im Hinblick auf die Senkung des Ausbreitungsrisikos der Afrikanischen Schweinepest (ASP) keine Aussicht auf Erfolg haben, man müsste den Wildschweinbestand in Deutschland auf 60.000 Tiere reduzieren … und das bei derzeit in der Spitze über 600.000 erschossenen Tieren pro Jahr.“

Kaum ein Experte zweifelt daran, dass die Afrikanische Schweinepest (ASP) durch menschliche Handlungen, sei es durch ein achtlos weggeworfenes Butterbrot, ein nicht ordnungsgemäß desinfiziertes (Tiertransport-) Fahrzeug oder einen Jagdreisenden, von Osteuropa nach Deutschland eingeschleppt wird.

Wildschwein am Wasser

Alles nur Aktionismus - eine erforderliche Reduzierung auf 0,2 Tiere pro qkm ist unrealistisch. Bild: Heiko Anders

Wildschweine werden aller Voraussicht nach bei der Einbringung der ASP keine Rolle spielen. Die Tiere sind standorttreu, ein infiziertes Wildschwein würde, vom Fieber entkräftet innerhalb von etwa zwei Tagen sterben. Eine Rolle könnten Wildschweine aber bei der Verbreitung der ASP innerhalb von Deutschland spielen. Aus diesem Grund werden die Schwarzkittel weitgehend ohne Tabus landauf, landab so massiv bejagt, wie kaum zuvor. Bund und Länder hoffen darauf, die Wildschweindichte bis zum Eintreffen der Tierkrankheit signifikant reduzieren zu können.

Hier aber fängt das Problem an. Niemand kann auch nur annähernd verlässliche Angaben zur Wildschweindichte in unterschiedlichen Regionen in Deutschland machen. Die Bundesregierung hat es wohl versäumt, einer Empfehlung der ESFA (European Safety Food Authority, Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde) aus 2014 zu folgen und zum jagdlichen Monitoring alternative Methoden der Bestandsermittlung zu entwickeln. Im Durchschnitt der letzten 10 Jahre wurden in Deutschland pro Jahr über eine halbe Million Wildschweine pro Jahr erschossen, in der Spitze weit über 600.000. Der Deutsche Jagdverband ist der Meinung, es gäbe etwa 300.000 Wildschweine (Quelle: „Angst vor der wilden Sau“, Die Zeit 18.02.2018), Wildtierschutz Deutschland geht von einem Durchschnittsbestand nach Reproduktion von ca. 1 bis 1,7 Million Tieren aus. Wie viele Tiere müssen getötet werden, um dann 60 oder gar 70 Prozent der Population zu reduzieren? Und wird das reichen, die Verbreitung der ASP einzudämmen?

Laut EFSA (2015) besteht die Chance die ASP bei einer Wildschweindichte von 0,1 bis 0,2 Tieren pro qkm zu stoppen. Bei einer Wildschweindichte von 1,5 Tieren pro qkm sei es aussichtslos, die Ausbreitung der Tierseuche zu verhindern (EFSA 2017). 0,2 Tiere pro qkm Wald- und Landwirtschaftsfläche würde einem Bestand von etwa 60.000 Schwarzkitteln in Deutschland entsprechen. Selbst bei der unrealistischen Bestandsschätzung des Deutschen Jagdverbandes würde dieses Ziel einer Reduzierung der Population um 80 % entsprechen. Die höchste jemals nachgewiesene Wildschweinreduktion in Europa betrug in einem eingezäunten spanischen Areal von 7,23 qkm 56,8 %.

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Aus einer Kleinen Anfrage der Partei Die Linke an die Bundesregierung, beantwortet am 23. Februar 2018:

Frage an die Bundesregierung: Welche neuen Kenntnisse hat die Bundesregierung bezüglich des Zusammenhangs zwischen der Größe des Schwarzwildbestandes bzw. der Schwarzwilddichte einerseits und der Einschleppungsgefahr sowie der Ausbreitungsdynamik der ASP andererseits?

Antwort: Nach Kenntnis der Bundesregierung ist das Einschleppungsrisiko von der Größe der Wildschweinpopulation und der Wildschweindichte unabhänging. Im Falle einer Einschleppung des Erregers steigt jedoch das Risiko einer Exposition von Wildschweinen mit der Wildschweindichte. Außerdem ist zu erwarten, dass sich die ASP in einer Wildschweinpopulation mit hoher Dichte stärker und schneller ausbreitet. In Estland wurde dieser Zusammenhang nachgewiesen.

Frage an die Bundesregierung: Welche internationalen Studien liegen zu dieser Frage vor?

Antwort: ... Laut der Europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) (2015) besteht die Chance, die Ausbreitung der ASP bei einer Reduzierung der Wildscheindichte auf 0,1 - 0,2 Wildschweine pro qkm zu stoppen. Diese Einschätzung beruhe auf Simulationsergebnissen. In einer weiteren "Scientific Opinion" der EFSA (2017) wird beschrieben, dass bei Wildschweindichten von über 1,5 Wildscheinen pro qkm die gewählten Maßnahmen im Simulationsmodell keine ausreichende Wirkung hatten.

Zur Information:

  • Der Deutsche Jagdverband (DJV) geht von einem Wildschweinbestand von 300.000 Tieren aus, Wildtierschutz Deutschland (WTD) von mindestens 1.000.0000.

  • 0,2 Wildschweine pro qkm bedeuten bei einer Wald- und Feldfläche von ca. 290.000 qkm 58.000 Wildschweine. Um erfolgreich gegen die Ausbreitung der ASP vorzugehen, müsste man bei den DJV-Zahlen über 80 % des Bestands töten, bei den WTD-Zahlen über 94 %. In beiden Bestandszenarien wäre eine derartige Reduzierung der Zahl der Wildschweine mit jagdlichen Mitteln vollkommen unrealistisch. Daraus resultiert, das sämtliche Bemühungen, die Zahl der Wildschweine zu reduzieren letztlich nicht zu einer Abschwächung des Risikos der Verbreitung der ASP führen.

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