Hören - „Die Einbürgerung des Waschbären ist erfolgreich verlaufen und nicht mehr rückgängig zu machen, wir sollten deshalb lernen, mit ihm leben zu müssen“ konstatierte bereits 1981 Dr. Walburga Lutz, eine Pionierin der deutschen Waschbärenforschung.
Die erste erfolgreiche und dokumentierte Aussetzung der possierlich anmutenden Kleinbären erfolgte mit Erlaubnis des Preußischen Landesjagdamtes 1934 in Nordhessen. Heute kommt der Waschbär in unterschiedlichen Bestandsdichten in ganz Deutschland vor. Vor einigen Jahren wurde der Bestand noch mit mindestens 500 Tausend beziffert, inzwischen dürften eine Million Waschbären des Nachts durch Wald und Flur ziehen.
Das Tierchen mit der Zorro-Maske ist ein Allesfresser, ein sogenannter Nahrungsopportunist: Was er leicht bekommen kann, holt er sich. Er ernährt sich liebend gerne von Obst – und frisst im Verbund auch schon einmal ganze Obstbäume leer – er verschmäht Insekten nicht, räumt aber auch mal Vogelgelege aus und verwertet menschliche Nahrungsabfälle.
Berichte über negative ökologische Auswirkungen von Waschbären liest man in den letzten Jahren immer wieder. Gleichwohl hat bis dato noch keine wissenschaftliche Untersuchung dieser nach dem Bundesnaturschutzgesetz heimischen Tierart den ernsthaften Druck auf andere Tierarten nachgewiesen.
Für den Deutschen Jagdverband ist das allerdings kein Grund, diese Tiere (wie auch Fuchs, Marderhund und andere) nicht zu verunglimpfen. Seit Jahren verbreitet die Jägerorganisation immer wieder die gleichen vagen Behauptungen. So sollen die überwiegend nachtaktiven Räuber auch für den Bestandsrückgang der europäischen Sumpfschildkröte verantwortlich sein (aktueller Bestand in Brandenburg etwa 70 bis 100 Stück) und auch Graureiherkolonien dezimiert haben. Wissenschaftler konnten sich vor Ort ein Bild machen und widersprechen diesen Darstellungen.
In der Folge des von den Jägern ausgehenden Waschbären-Mobbings liest man in Print- und in Onlinemedien Headlines wie „Der maskierte Jäger erobert das Land“, „Terror-Waschbär macht Regierungsviertel unsicher“, „Aggressive Waschbären killen Jagdhunde“ oder „Waschbären für Artensterben verantwortlich“. Die Intention dieses breitangelegten Mobbings wird meist mitgeliefert: „Wir brauchen weiterhin die Fallenjagd.“
Der Waschbärenforscher Frank Michler wirft dem Deutschen Jagdverband in diesem Zusammenhang eine tendenziöse Argumentation vor. Der Jagdverband verbreite ein undifferenziertes und vorgefertigtes Meinungsbild und Daten, die nicht der Faktenlage entsprechen. Man könnte meinen, hier handele es sich um einen vorsätzlichen Täuschungsversuch der Öffentlichkeit.
Im Jagdjahr 2019/20 wurden über 200.000 Waschbären in Deutschland im Rahmen der Jagd getötet. Die Bestandsentwicklung wird dadurch allerdings nicht einmal aufgehalten, ein messbarer Beitrag zum Artenschutz ist ebenfalls nicht zu erkennen. Eine amerikanische Studie an Waschbären zeigte auf, dass die Bejagung zu keinerlei Bestandsreduktion führte, sondern lediglich zu einer Verschiebung im Altersklassenaufbau mit einem deutlich höheren Anteil an Jungtieren und trächtigen Fähen gegenüber unbejagten Populationen (ROBEL).
Es ist längst an der Zeit, dass die zuständigen Politiker in Bund, Ländern und Kommunen aufwachen, und das Jägerlatein nicht ungeprüft zur Vorlage von Gesetzen und Verordnungen machen, die der Allgemeinheit nicht nutzen und den Tieren erhebliches Leid zufügen.
Quellen:
Frank Michler, TU Dresden: Schreiben an den Deutschen Jagdverband zu Pressemitteilung „Tierische Invasoren breiten sich aus“
Langgemach, T. & J. Bellebaum 2005: Prädation und Schutz bodenbrütender Arten in Deutschland, Vogelwelt 126: 259 – 298.
ROBEL, R.J. et al.: Racoon Populations: Does Human Disturbance Increase Mortality? In Transactions of the Kansas Academy of Science 93 (1-2), 1990, S. 22-27
Berit Annika Michler, TU Dresden: Koproskopische Untersuchungen zum Nahrungsspektrum des Waschbären Procyon lotor (Linné, 1758) im Müritz-Nationalpark (Mecklenburg-Vorpommern) unter spezieller Berücksichtigung des Artenschutzes und des Endoparasitenbefalls
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