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Was sind invasive Arten? Warum werden jedes Jahr über 200.000 Waschbären erschossen? 

Was sind invasive Arten?

Laut Biodiversitäts-Konvention von Rio 1992 ist eine Art dann invasiv, wenn sie eine ökonomische, gesundheitliche oder ökologische Gefahr in ihrem neuen Lebensraum darstellt. Die EU hat u.a. diese Tierarten als invasive gebietsfremde Arten von unionsweiter Bedeutung eingeordnet: Waschbär, Marderhund, Nutria, Nilgans. Von keiner dieser Tierarten gehen in Deutschland signifikante wirtschaftliche, gesundheitliche oder ökologische Gefahren aus. Zumindest Waschbär und Nutria sind seit Jahrzehnten bei uns etabliert. Die einzigen, die ein großes Interesse an der Verfolgung dieser Tierarten haben, ist die Jägerschaft.  Mit häufig unsachlichen und tendenziösen Argumenten verunglimpfen die Jagdverbände sämtliche Tierarten, die eventuelle Jagdkonkurrenten für ihr Niederwild sein könnten. Leider greift die Presse diese einseitige Darstellung zu gerne und auch reißerisch immer wieder auf.  

 

Was fordert die EU hinsichtlich „invasiver gebietsfremder Arten“?

Die EU fordert, dass im Hinblick auf Maßnahmenpläne zur Reduzierung von Schäden durch invasive Arten zunächst die Schäden der invasiven Arten und der Nutzen der Maßnahmen gegeneinander abgewogen werden müssen. Sie fordert, dass Maßnahmen "verhältnismäßig", das heißt angemessen sein müssen. Und letztlich fordert die Verordnung, dass die Wirksamkeit von Maßnahmen ganz konkret nachgewiesen werden muss. Das findet im Rahmen der bisher veranlassten Maßnahmen in Deutschland nicht oder kaum statt. Vielmehr scheint es im Sinne der Behörden, dass die Jägerschaft ihren Freifahrtschein hinsichtlich der willkürlichen und damit nicht tierschutzkonformen Jagd auf Waschbären, Nutrias u.a. einlöst.

Warum werden in Deutschland jedes Jahr über 200.000 Waschbären und über 100.000 Nutrias erschossen?

Die Jägerschaft, angestiftet durch den Deutschen Jagdverband, maßt sich an, durch die freiheitliche Jagd auf Waschbären, Nutrias und andere als invasiv stigmatisierte Arten einen Beitrag zur Reduzierung von Schäden oder gar zum Naturschutz zu leisten. Das ist definitiv nicht der Fall. Die Jägerschaft interpretiert den Auftrag der EU-Verordnung völlig falsch, wenn sie diese als Freibrief oder gar als rechtliche Verpflichtung zur unbeschränkten Jagd oder Tötung darstellen will. Für die weitgehend uneingeschränkte Jagd auf Waschbären oder Nutrias gibt es keinen vernünftigen Grund: Sie hat absolut keinen nachweislichen Effekt hinsichtlich einer Bestandsreduzierung, kann die weitere Verbreitung dieser Tierarten nicht verhindern und ist im Hinblick auf das Staatsziel Tierschutz nicht verhältnismäßig.

 

Weitere Informationen:

Jäger können Ausbreitung der Waschbären nicht verhindern

Verrohung im Umgang mit sog. invasiven Arten

Wie kamen Waschbären und Nutrias nach Deutschland?

Waschbären kommen ursprünglich aus Nordamerika. Alle in Europa vorkommenden Waschbären gehen auf Tiere zurück, die im 20. Jahrhundert aus Pelztierfarmen und Gehegen entkommen sind oder ausgesetzt wurden. Als das für die Verbreitung des Waschbären in Europa wichtigste Ereignis gilt das Aussetzen von vier Waschbären im April 1934 am hessischen Edersee zur „Bereicherung der heimischen Fauna“. Der Oberkasseler Zeitung (Düsseldorf) vom 1. September 1934 ist außerdem zu entnehmen, dass in der Eifel bereits in den Jahren 1929 und 1930 fünf Waschbären aus einer Pelztierzucht entlaufen waren, die sich bis dahin auf etwa 40 Tiere vermehrt hatten. Der Ausbruch von etwa zwei Dutzend Waschbären aus einer Pelzfarm in Brandenburg im Jahr 1945 führte zu einem weiteren Verbreitungsgebiet. Auch die Verbreitung der Nutrias geht auf Pelzfarmen zurück. Erste Nutrias wurden bereits zwischen 1880 und 1890, also vor über 140 Jahren, in Deutschland beobachtet (Kinzelbach 2002).

 

Wie hoch ist das Risiko durch Waschbären oder andere Wildtiere zu erkranken?

Alle Wildtiere, so auch Waschbären oder Marderhunde, sind von Parasiten befallen. Einige davon können dem Menschen unter bestimmten Umständen gefährlich werden, z.B. Spulwürmer oder Bandwürmer. Allerdings ist das Risiko, sich durch ein Wildtier eine Krankheit einzufangen, ausgesprochen gering. So ist die durch den sogenannten Fuchsbandwurm übertragene alveoläre Echinokokkose eine der seltensten durch Tiere auf den Menschen übertragenen Krankheiten. In Deutschland gibt es gem. Robert-Koch-Institut pro Jahr etwa 30 bis 40 Erkrankungen. In den USA, wo der Waschbär fast flächendeckend vorkommt, sind im Jahr 2018 gerade mal 23 Infektionen durch den Waschbären diagnostiziert worden. Vergleichen Sie dieses Risiko, mit der Wahrscheinlichkeit an der Grippe oder an Covid19 zu erkranken oder gar zu sterben!

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Weitere Informationen: Gesundheitsrisiken durch Wildtiere gering

Warum ist die Waschbärenjagd nicht zielführend?

Im Jagdjahr 2019/20 wurden erstmals über 200.000 Waschbären in Deutschland im Rahmen der Jagd getötet. Die Bestandsentwicklung wird dadurch allerdings nicht einmal aufgehalten, ein messbarer Beitrag zum Artenschutz ist ebenfalls nicht zu erkennen. Eine amerikanische Studie an Waschbären zeigte auf, dass die Bejagung zu keinerlei Bestandsreduktion führte, sondern lediglich zu einer Verschiebung im Altersklassenaufbau mit einem deutlich höheren Anteil an Jungtieren und trächtigen Fähen gegenüber unbejagten Populationen (ROBEL). Für Nutrias dürfte das ebenso gelten.

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Weitere Informationen und Literaturquellen

Ist es überhaupt wichtig, den Bestand der Nutrias zu reduzieren?

Die Nutria wird vor allen Dingen von der Jägerschaft gerne als Sündenbock genutzt.  Man schiebt der Tierart alle möglichen Schäden an Deichen in die Schuhe, Fraßschäden an Bäumen und Feldfrüchten, Uferschäden, selbst die, die durch Hochwasser entstehen. In der einseitigen Betrachtung durch die Jagdverbände unterstellt man ihnen sogar, die Biodiversität zu schädigen. Die Intention der Jagdlobbyisten ist offensichtlich:  Man schürt Angst vor dem Nager und verschleiert der Öffentlichkeit die wahren Gründe der oft tierquälerischen Jagd auf Nutrias und meint so, gute Argumente für die Jagd zu haben.

 

Es gibt unseres Wissens keine wissenschaftlich belastbaren Belege dafür, dass Nutria Uferpflanzen in dem Umfang schädigen, dass signifikante ökologische Schäden entstehen. Bekannt ist vielmehr, dass Nutrias die Uferbereiche von übermäßigem Bewuchs freihalten. Im Münsterland wurden sie dort deswegen speziell angesiedelt. Andernorts siedelten sich dadurch wieder seltene Vogelarten an, die nun optimale Brutbedingungen hatten.  Die Anwesenheit von Nutrias kann so zu mehr Artenvielfalt führen. Dort, wo tatsächlich erhebliche Konflikte mit Nutrias entstehen, könnte man wohl in den meisten Fällen auch mittels nicht tödlicher Maßnahmen gegensteuern.

 

Weitere Informationen zu Nutrias

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