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  • Dr. Martin Steverding

Jagd im Wiesenvogelschutz – ein Beispiel aus dem Kreis Borken (NRW)

Um die Bestände von Wiesenvögeln wie Kiebitz, Großer Brachvogel, Uferschnepfe und Rotschenkel steht es schlecht. Bereits vor Jahrzehnten wurden große Teile ihrer Lebensräume trockengelegt und in intensiv genutztes Ackerland umgewandelt. In den verbleibenden inselartigen Schutzgebieten konnten sich nur kleine Restbestände halten, heute stehen sie dort am Rand des Aussterbens oder sind vielerorts schon verschwunden. Nur der Kiebitz war längere Zeit noch recht weit verbreitet, aber auch er folgt längst diesem Schicksal.


Brachvogel in den Borkener Feuchtgebieten
Großer Brachvogel, Bild: Dr. Martin Steverding

Im Kreis Borken im Nordwesten von Nordrhein-Westfalen liegt das in Einzelteile zergliederte EU-Vogelschutzgebiet „Moore und Heiden des westlichen Münsterlandes“, das zu einem Großteil aus Feuchtwiesen besteht. Hier brüten noch Kiebitz und Großer Brachvogel, sowie in kleinen Restbeständen die Uferschnepfe. Der Gebietskomplex ist zusammen mit weiteren Schutzgebieten in den benachbarten Kreisen Bestandteil des von der EU geförderten Projektes „Life-Wiesenvögel“ in NRW.


Der Bruterfolg der Wiesenvögel ist schlecht und reicht für den Arterhalt nicht aus. Die Ursachen sind vielfältig: Zu kleine und zu trockene Flächen, zu wenig Insekten für die Küken, Einflüsse der intensiven Bewirtschaftung der Umgebung (z. B. Nährstoff- und Pestizideintrag) etc. All dies addiert sich mit den natürlichen Faktoren wie Prädation oder Wettereinfluss und bringt die Wiesenbrüter an den Rand des Aussterbens.


Welche Mittel sind legitim, um in dieser verzweifelten Lage einen Rettungsversuch in höchster Not zu starten? Auf den Internetseiten des Projektes kann man wenige knappe Informationen zum „Prädatorenmanagement“ – also z.B. zur Jagd auf Füchse – und zur Fallenjagd finden. Leser*innen ohne spezielles Hintergrundwissen dürften aber kaum verstehen, um was es geht: Das sogenannte „aktive Prädatorenmangement“ ist ein wesentlicher Bestandteil des Projektes – es bedeutet: Gezielte Tötung von Beutegreifern.


Ein eigens dafür angestellter Berufsjäger, der aus den öffentlichen Mitteln des Projektes bezahlt wird, hat gemeinsam mit lokalen Revierjägern mehrere Dutzend Betonrohrfallen für Füchse und andere Bodenprädatoren aufgestellt. Jede dieser Fallen, die ebenfalls aus den öffentlichen Mitteln des Projektes finanziert wurden, kostet etwa 1.000 Euro. Es handelt sich zwar um Lebendfallen, die gefangenen Füchse und Marder aber verlassen diese nicht lebend. Sie werden in einen Abfangkorb oder Abfangnetz getrieben und darin getötet.

Kiebitz in den Feuchtgebieten
Das Verschwinden der Kiebitz hat vielfältige Ursachen: Zu kleine und zu trockene Flächen, zu wenig Insekten für die Küken, Einflüsse der intensiven Bewirtschaftung der Umgebung (z. B. Nährstoff- und Pestizideintrag) etc. Bild: Dr. Martin Steverding

Die massenhafte Tötung von Füchsen, Mardern, Wieseln und Waschbären wird auch in anderen Feuchtgebieten im Namen des Wiesenvogelschutzes praktiziert. Trotz zahlreicher gegenteiliger Beteuerungen liegen keine belastbaren Belege für einen positiven Einfluss auf die Bestände der bedrohten Vogelarten vor. In den erfolgreichen – da großflächigen – Wiesenvogelprojekten wie etwa am Dümmer See in Niedersachsen oder im Bremer Blockland erfolgten großflächige Vernässungen und andere lebensraumverbessernde Maßnahmen. Die Bestände der Wiesenvögel sind dort angewachsen. Es ist jedoch nicht erkennbar, ob dies allein durch die Lebensraumverbesserung geschah oder ob die Eliminierung von Prädatoren einen Anteil daran hat. In einer Beurteilung durch das Aktionsbündnis Fuchs kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass z.B. im Bremer Blockland allein die Lebensraumgegebenheiten entscheidend für den Bruterfolg sind.


Ohne den Erfolg belegen zu können, ohne die ökologischen Folgen zu kennen und ohne ethische Fragen zu stellen, werden derzeit jährlich Tausende von Füchsen, Mardern, Wieseln und Waschbären im Namen des Wiesenvogelschutzes in Deutschland getötet. Allein am Dümmer liegt laut Berufsjäger Marcel Holy jährlich die „Fangstrecke deutlich im dreistelligen Bereich“ (Mross 2018).


Zurück zu den Feuchtwiesenresten im Kreis Borken: Vor wenigen Tagen war in der Borkener Zeitung zu lesen, dass zum Schutz der bedrohten Wiesenvögel nun auch Rabenkrähen geschossen werden sollen. Die Biologische Station Zwillbrock, Partner im Life-Projekt und Betreuer der „Moore und Heiden des westlichen Münsterlandes“, hatte dies beantragt, dem Antrag wurde zugestimmt. Die Folgen des Tötens der Prädatoren sind nicht bekannt:


Breiten sich durch das lokale Eliminieren der Füchse vermehrt Ratten in den Feuchtwiesen aus, die ebenfalls sehr gern Eier fressen? Werden die territorialen Krähenpaare geschossen oder durch die Jagd vertrieben und lassen so den Jungkrähentrupps freien Lauf, die für die Bruten wahrscheinlich viel gefährlicher sind als die Revierpaare? Ob der vielfache Tod von Füchsen und anderen Beutegreifern ethisch vertretbar ist und ob es dem Willen der Steuerzahler entspricht, die das Projekt finanzieren, wird ganz offensichtlich nicht hinterfragt.


Zum Abschluss muss die Frage gestellt werden: Was wird der nächste Schritt sein? Sind nach den Füchsen und Krähen die Mäusebussarde, Rohrweihen, Graureiher und Störche dran, die alle als Kükenprädatoren eine Rolle spielen?

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Quellen:

u.a. Mross, E. (2018): Die Wiese lebt! Niedersächsischer Jäger 9/2018: S. 14-18.

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