Fuchsjagd ab April: Fuchswelpen in der Todeszone
- Dr. Martin Steverding
- vor 6 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
Es ist ein Vergnügen, Fuchswelpen bei ihrem Spiel und ihren Erkundungen rund um den Bau zuzusehen. Sie rennen, springen, toben, balgen und sie untersuchen und beschnuppern alles. Das intensive soziale Spiel und die kaum stillbare Neugier in ihrer Kindheit machen Füchse zu dem, was sie sind: Außergewöhnlich intelligente, anpassungsfähige, flexible und zugleich vorsichtige und feinfühlige Wesen.
Es ist unerträglich und kaum vorstellbar, dass Jäger junge Füchse am Bau in Welpenfallen fangen, erschießen oder erschlagen. „Mit dem Hellwerden sitzt der Jäger so lange am Bau an, bis der letzte bestätigte Jungfuchs erlegt ist. (…) Nur wenn die Fähe keinen Jungfuchs mehr zu versorgen hat, hört sie auf, Futter herbeizuschleppen und über ihren eigenen Bedarf hinaus zu rauben.“ So ist es in diesem Mai in einer Jagdzeitschrift zu lesen.
Welcher Mensch ist in der Lage, die ausgelassen und voller sichtbarer Lebensfreude spielenden Fuchswelpen zu töten? Wie kann ein Jägermagazin heutzutage noch zur gezielten und systematischen Tötung von Tierkindern aufrufen?
Gut versteckt in einem der vielen kleinen Kiefernwäldchen konnte ich einen Fuchsbau in den vergangenen Wochen mit der Wildkamera und zum Teil auch direkt mit dem Fernglas beobachten. Die Welpen spielten bereits Anfang April regelmäßig vor dem Bau, sie wurden demnach in der zweiten Februarhälfte geboren.
Die Fuchsjagd in dieser Niederwildregion ist extrem intensiv, und besonders Ende Februar wird massiv Fang- und Baujagd, Lock- und Reizjagd bzw. Jagd mit Luder und Mäuseburg betrieben. Die Devise heißt: Möglichst kurz vor der Schonzeit für Altfüchse , die am 1. März in NRW und und einigen weiteren Bundesländern beginnt, die Fähen töten, damit die Reviere zur laufenden Saison nicht mehr neu besetzt werden.
Nach Mitte April wurden die Welpen immer mehr tagaktiv und sie spielten und rauften ausgiebig vor der Kamera. Ich traute meinen Augen kaum: Es waren auf mehreren der vielen Hundert Videoaufnahmen zehn Welpen zugleich zu sehen! Die Fuchsmutter ließ sich nur ganz selten und immer nur kurz vor der Kamera blicken, der Vater gar nicht. Ich gehe aber davon aus, dass ein Rüde anwesend ist, ansonsten hätten so viele Welpen nicht überleben können. Auch zu zweit leisten die Fuchseltern schier Unglaubliches: Durch die jagdlich erzwungene Nachtaktivität bleiben ihnen nur acht bis neun dämmerige oder dunkle Stunden, um genügend Nahrung zu beschaffen. Zeit und Energie, mit den Welpen zu spielen gibt es nicht. Auf keiner einzigen Aufnahme sind Eltern und Jungtiere beim gemeinsamen Spiel zu beobachten.
Die riesige Welpenschar zeigt, wie die Füchse auf die unnatürlich hohe Sterblichkeit durch die extreme Bejagung reagieren: Mit maximaler Reproduktion. Sie ziehen 10 Welpen auf, damit vielleicht zwei davon die Chance haben, dem Kugelhagel zu entrinnen und das Erwachsenenalter zu erreichen.
Füchse können nach verschiedenen Studien einen jährlichen Verlust von zwei Dritteln bis vier Fünfteln ihres Bestandes durch erhöhte Reproduktion ausgleichen. Die Fuchseltern sind dabei gezwungen, auf volles Risiko zu gehen – sowohl was die eigene körperliche Leistungsfähigkeit als auch die Art und Weise des Beutefangs betrifft. Die Reste einer erwachsenen Graugans am Bau zeigten, was unsere Fuchseltern auf sich nahmen, denn sowohl der Fang als auch der Transport dieser Beute dürften ihre ganze Kraft erfordert haben.
Ohne Fuchsjagd hätte die Familie wahrscheinlich nur zwei bis fünf Welpen und eine oder mehrere Helferfähen aus dem Familienclan würden die Aufzucht unterstützen. Es wäre reichlich Zeit auch für die Eltern zum Spielen. Füchse sind ihr Leben lang verspielt – unsere Fuchseltern aber haben dazu weder Zeit noch Energie. Sie müssen die vielen hungrigen Mäuler allein stopfen, während der wenigen dunklen Tagesstunden, ohne einen Familienclan und 24/7 wachsam.
Wir kennen die Folgen der rigorosen Fuchsjagd für das Ökosystem nicht genau. Wir können aber sicher davon ausgehen, dass eine Fuchsfamilie mit zehn Welpen und unter (durch die Jagd) erzwungener Nachtaktivität völlig anders jagt als eine Familie mit fünf oder weniger Welpen, mit flexiblen Aktivitätszeiten und einer unterstützenden Familiengruppe. Prädatoren wie der Fuchs sind sehr wichtig für ein funktionierendes Ökosystem und sie müssen ein artgerechtes Leben führen können. Füchse, die permanent an der körperlichen Leistungsgrenze stehend riesige Würfe durchbringen müssen, die nur nachts das Umfeld des schützenden Baus verlassen und beim Beutefang stets auf volles Risiko gehen müssen, können ihrer Rolle im Ökosystem kaum gerecht werden.
Das Wohl des Individuums ist mit dem Wohl des Ökosystems eng verknüpft. Tierschutz, Arten- und Naturschutz müssen daher Hand in Hand gehen. Belastbare Belege dafür, dass die Fuchsjagd dem Artenschutz dient, bleiben Jägerschaft und Behörden schuldig.