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  • Lovis Kauertz

Hessens CDU und Grüne reden dem Jagdverband das Wort

Der Koalitionsvertrag zwischen der CDU und den Grünen in Hessen ist – was das Thema Jagd anbelangt – kein Bekenntnis zum Tierschutz (1). Er zeugt vielmehr von der Ignoranz der Parteien gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen hinsichtlich der ökologischen Sinnlosigkeit jagdlicher Maßnahmen und redet überwiegend den Nutzungsinteressen der Jäger das Wort.

Wir begrüßen, dass gemäß Koalitionsvertrag die Jagd im Nationalpark Kellerwald-Edersee weiter eingeschränkt werden soll. Schon heute werden dort Füchse, Dachse und andere Beutegreifer nicht bejagt. Auch Rehe, Hirsche, Wildschweine u.a. sollten in einem Nationalpark vor jagdlicher Verfolgung geschützt sein.

Die Parteien haben auch die Absicht formuliert, endlich die in hohem Maße tierquälerische Jagd mit Totschlagfallen zu verbieten. Das sind zweifellos Maßnahmen, die den Tierschutz stärken.

Rehe im Schnee

Auf 75 % der Fläche des Nationalparks Kellerwald-Edersee sollen jagdfreie Zonen geschaffen werden. Bild: Heiko Anders

Das wars aber schon, was die positiven Absichten von Schwarz-Grün in Hessen anbelangt. Bei allen weiteren Aussagen und Absichtserklärungen sehen wir als Tierschutzorganisation große Fragezeichen:

So sind sich CDU und die Grünen einig, dass sich das Hessische Jagdgesetz „bewährt“ habe. Da sollte die Frage erlaubt sein, im Hinblick auf was sich das Gesetz bewährt habe. Wir vermuten im Hinblick auf die sich im Rahmen haltenden Klagen seitens der Jägerschaft, sicherlich aber nicht hinsichtlich des Tierschutzgedankens. Denn was hat es mit Tierschutz zu tun,

  • wenn im Rahmen von Gesellschaftsjagden ein hoher Prozentsatz der Rehe und Wildschweine mit Bauchverletzungen, zerschossenen Gliedern und gar mit weggeschossenem Unterkiefer im Unterholz verrecken?

  • wenn noch im Januar und Februar den künftigen Fuchswelpen die Väter, die eine wesentliche Versorgerrolle während der Aufzucht der Jungtiere spielen, massenweise abgeschossen werden?

  • wenn die unsägliche Tierquälerei an Füchsen und Jagdhunden im Rahmen der Baujagd (kurzbeinige Jagdhunde werden in den Fuchsbau geschickt, um die häufig schwangeren Füchsinnen vor die Flinten der Jäger zu treiben) zugelassen wird?

  • wenn schon im August die für die Aufzucht ihrer Jungen erforderlichen Waschbären-Mütter erschossen werden dürfen?

  • wenn Tierarten ganzjährig ohne Schonzeit bejagt werden dürfen?

  • wenn Schonzeiten für Jungtiere - hier Waschbären - wieder aufgehoben werden?

Auch im Hinblick auf den Erhalt der Vielfalt der Tierarten hat sich das Hessische Jagdgesetz – wie auch die Jagdgesetze anderer Bundesländer – noch nie nachweislich bewährt. Die Zahlen sämtlicher jagdbarer Arten, die es zu schützen gilt, insbesondere die der Feldhasen und Rebhühner, sind seit Jahren extrem rückläufig. Und das, obwohl Jäger vorgeben, diese Arten zu hegen, und obwohl Jäger für die Hege dieser Niederwildarten und diverser Bodenbrüter allein in Hessen jedes Jahr über 40.000 Füchse, Waschbären, Dachse u.a. töten.

Wildschwein auf beschneiter Lichtung

Die Jagd auf Wildschweine wird auch in Hessen gnadenlos fortgesetzt. Bild: Timo Litters

Damit der Hessische Jagdverband auch künftig einer weitgehend schlecht informierten Öffentlichkeit das tierquälerische Treiben seiner Hobbyjäger als Ehrenamt verkaufen kann, prüft die hessische Landesregierung gar die Einrichtung einer „Fachdienststelle für jagdkundliche und jagdbiologische Forschung“. Die dürfte dann wohl mehrheitlich oder gar ausschließlich durch jagdverbandsaffine Mitarbeiter besetzt sein. Dabei gibt es bereits heute zahlreiche Forschungsarbeiten von jagdunabhängigen Wissenschaftlern, die häufig genug zu Ergebnissen kommen, welche die Jagd in vielen Aspekten in Frage stellen. Davon wollen aber auch die Grünen nichts wissen – denn das hieße Konfrontation und Unruhe auf einem Nebenkriegsschauplatz, den der Tierschutz auch für diese Politiker allenfalls einnimmt.

Künftig wäre dann auch eine schwarz-grüne Landesregierung weniger angreifbar, wenn sie auf Basis der „Expertise“ ihrer Fachdienststelle für „Jagdbiologie“ Schonzeiten z.B. für Füchse und Waschbären per Sondergenehmigung wieder aufhebt. Genau so oder ähnlich funktioniert das in anderen Bundesländern.

Auch das sollten die Grünen eigentlich besser wissen: Wildbestände lassen sich entgegen der Behauptung im Koalitionsvertrag nicht oder kaum durch die Jagd regulieren. Beispiel Wildschweine: Trotz der erheblichen Intensivierung der Jagd und trotz der Aufhebung der Schonzeiten für diese Tiere kompensieren Schwarzkittel sämtliche Verluste durch die Jagd innerhalb kürzester Zeit: jegliche natürliche Geburtenkontrolle wird durch die Jagd ausgesetzt, einzelne Bachen bekommen einfach mehr Junge, und Tiere, die sich ansonsten nicht fortpflanzen würden, beteiligen sich an der Reproduktion. So geht das in Deutschland seit 40 Jahren. Heute werden fünf- bis sechsmal so viele Wildschweine erschossen, wie noch in den 1980er Jahren. Dass durch die Jagd der Wildschweinbestand einfach nicht reguliert werden kann, zeigt sämtliche verfügbare Literatur zu diesem Thema.

Nun ist ein Koalitionsvertrag immer erst einmal eine Willenserklärung. Was am Ende dabei herauskommt steht vielleicht auf einem anderen Blatt. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Grünen, die das zuständige Umweltministerium in den nächsten fünf Jahren führen, nicht ausschließlich den Lodenjacken nach dem Munde reden, sondern sich auch von jagdunabhängigen Beratern und von Tierschutzorganisationen beraten lassen. Bisher gab es immer noch den oder die eine(n) grüne(n) Abgeordnete(n), dem oder der der Tierschutz eine Herzensangelegenheit war.

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