Mufflons und Schlammlawinen – Spurensuche vor Ort in Meckenbach
- Dr. Martin Steverding
- vor 21 Stunden
- 3 Min. Lesezeit
Im Kreis Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz gilt seit Anfang März eine Allgemeinverfügung, die die Jagd auf Mufflons während der Schonzeit und der Brut- und Setzzeit selbst nachts erlaubt. Das Ziel der Oberen Jagdbehörde ist die Ausrottung der nicht heimischen Wildschafe im gesamten Kreisgebiet. Wir berichteten darüber.

Warum die Bejagung der Mufflons das Problem der Bodenerosion am Hang in Meckenbach eher verschärfen wird, erläutern wir in diesem Artikel.
Der offenbar ausschlaggebende Anlass für diese rigorose Entscheidung war die Situation im 350-Seelen-Dorf Meckenbach bei Kirn: Regelmäßig fließt bei kräftigem Regen vom steilen Südwesthang oberhalb der Häuser Schlamm und Wasser ins Dorf. Besonders häufig passiert dies unterhalb eines besonders steilen und kaum bewachsenen Hangabschnitts. Mitverantwortlich sollen dafür die zahlreichen Mufflons sein.
Was ist dran an der Geschichte und kann die schonungslose Bejagung das Problem lösen? Gemeinsam mit Frank Ahlbrand, Gründer der Initiative „Rettet die Mufflons im Hunsrück“ war ich vor Ort auf Spurensuche:
Beim Blick von der anderen Talseite fiel direkt ein großer kahler Bereich auf. Der übrige Hang wirkt auf den ersten Blick grün. Bei genauem Hinsehen sind aber weitere lichte Stellen zu sehen, an denen der felsige Boden zwischen Bäumen und Büschen durchschimmert.
Wir trafen den Bürgermeister, Herrn Schlarb, bei seinem Haus, das genau unterhalb des genannten kahlen Steilhangs steht und hatten mit ihm einen angenehmen und respektvollen Austausch unserer Standpunkte. Die neben seinem und den Nachbarhäusern deponierten Sandsäcke muteten an diesem staubtrockenen Maitag zunächst skurril an. Bei genauem Hinsehen wurde das Problem aber trotz der wochenlangen Dürre deutlich:
Der Waldweg, der neben dem Haus des Bürgermeisters auf die Hauptstraße mündet, zeigte tiefe Abflussrinnen. Zahlreiche kleine ausgetrocknete Furchen zogen sich durch den dichten Wald unterhalb des Steilhangs und mündeten auf dem Weg. Es war deutlich zu sehen: Schlamm und Wasser fließen hier regelmäßig in vielen Rinnsalen den Hang hinab, werden durch den Weg zusätzlich gebündelt und ergießen sich ins Dorf.
Wir machten uns auf den Weg zum Ursprung des Schlammflusses, fuhren ganz nach oben und gingen vom Hügelplateau den Hang abwärts Richtung Dorf. Es überwog Traubeneichenwald, der von größeren Lücken durchsetzt war, die zumeist von dichtem Strauchwuchs ausgefüllt wurden. Auffällig waren die vielen, aufgrund der Trockenperioden der letzten Jahre abgestorbenen Bäume. Der steile Hang war sehr unübersichtlich und recht unwegsam. Schließlich erreichten wir den besagten kahlen Bereich: Einzelne tote Eichengerippe und trockenresistente Sträucher, überwiegend Weichselkirschen (=Steinweichseln) wechselten mit großen, völlig kahlen Flächen. Der Boden bestand aus lockerem, feinkörnigem Sandsteinmaterial, das leicht durch Regen abgespült werden konnte.
Der Einfluss der Mufflons war tatsächlich kaum zu übersehen: Krautvegetation fehlte nahezu völlig und die Blätter und Zweige der Weichselkirschen und vereinzelten Hundsrosen waren bis in Fraßhöhe abgeweidet. An verschiedenen Stellen, sowohl in dem kahlen Hangabschnitt, als auch in den bewaldeten Bereichen fanden sich zahlreiche Liegestellen der Mufflons im lockeren trockenen Boden. An einer umgestürzten morschen Eiche haftete viel Haarfilz der Wildschafe – eine beliebte Scheuerstelle.
Es wurde also deutlich sichtbar: Das Dorf Meckenbach ist stark von herabfließendem Wasser und Schlamm betroffen. Eine Mitverantwortung der zahlreich dort lebenden Mufflons ist wahrscheinlich, denn ohne ihren Fraß wäre der zwar trockene, aber mit lockerem Boden bedeckte Hang mit großer Wahrscheinlichkeit stärker bewachsen und somit besser vor Erosion geschützt.
Aber ist das Problem durch die schonungslose Jagd lösbar oder wird es dadurch nur noch schlimmer? Fakt ist: Der Hang ist so steil und so unübersichtlich, dass eine Bejagung dort kaum oder nur stark eingeschränkt möglich ist. Die Mufflons werden also unweigerlich abseits des Steilhangs bejagt. Somit fungiert der Hang mit aller Wahrscheinlichkeit als relativ sicherer Rückzugsraum, in dem sich die Wildschafe nun erst recht bevorzugt aufhalten dürften, zumal der Steilhang dem natürlichen Lebensraum des Mufflons relativ nahekommt.
Wir gehen davon aus, dass die beabsichtigte Ausrottung kaum gelingen wird. Die Bejagung wird aber, wie im oben verlinkten Bericht beschrieben, zu erheblichen Kollateralschäden führen und sie wird das Erosionsproblem möglicherweise verschärfen, weil die Mufflons in die besonders sensiblen Hangabschnitte gedrängt werden. Statt auf die Jagd zu setzen, die sich nicht zur Problemlösung eignet, müssen andere Lösungen in Erwägung gezogen werden, wie beispielsweise mechanische Barrieren und eine bauliche Lenkung des Wasserabflusses. In den Alpen und anderen höheren Gebirgen bestehen diesbezüglich Erfahrungswerte.
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Weitere Informationen zum Thema:
Facebook-Gruppe Rettet die Mufflons im Hunsrück