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Eva Biré

Entwurf zu neuem Tierschutzgesetz: Vorrang gegenüber dem Jagdrecht

Im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen haben Christoph Maisack, Barbara Felde und Linda Gregori (Mitglieder des geschäftsführenden Vorstands der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht, DJGT) ein Gutachten zur Reform des Tierschutzrechts einschließlich eines Gesetzesentwurfs erstellt. Mit dem Gesetzesentwurf ist ein Normengefüge gelungen, das die dem Tierschutzrecht durch Art. 20 a GG verliehene Gewichtigkeit widerspiegelt, bisherige Gesetzeslücken schließt und dort Klarheit schafft, wo sie bisher vermisst wurde. Auch bezüglich des Jagdrechts enthält der Entwurf Neuerungen, die im Folgenden zusammengefasst werden sollen:


1. Klarstellung zum Verhältnis Tierschutzgesetz - Jagdrecht

Das Verhältnis des Tierschutzgesetzes zum Jagdrecht gehört bislang zu den ungelösten Fragen des Tierschutzrechts. Der neue Gesetzesentwurf soll diesem Streit ein Ende bereiten, indem dem Tierschutzrecht unter Berücksichtigung seiner im Grundgesetz hervorgehobenen Bedeutung der Vorrang eingeräumt wird. Der bisher teilweise vertretenen Annahme eines Vorrangs des vermeintlich spezielleren Jagdrechts wird damit endgültig eine Absage erteilt.

Rotfuchs mit Welpe
Noch immer werden Jagdhunde an lebenden Füchsen ausgebildet. Es wird Zeit, dass sich das ändert.Bild: Max Zerm

Die ausdrückliche Regelung eines Rangverhältnisses der Vorschriften lässt die aktuelle Gesetzeslage bisher vermissen, was zu uneinheitlichen Gerichtsentscheidungen und damit zu unerfreulichen Unsicherheiten führte. Zwar wurde mitunter schon früh anerkannt, dass auch im Rahmen der Jagd das Vorliegen eines vernünftigen Grundes im Sinne des § 1 S. 2 TierSchG zur Tötung eines Tieres erforderlich ist, um nicht den Straftatbestand des § 17 Nr. 1 TierSchG zu erfüllen. Insbesondere die Regelungen zur Jagdausübung wurden von vielen Seiten jedoch nach wie vor als dem Tierschutzrecht übergeordnet und damit als unantastbar beurteilt. An einer höchstrichterlichen Entscheidung zum Verhältnis Tierschutzrecht und Jagdrecht fehlt es bis heute.


Im neuen Entwurf wird dieses Rangverhältnis zwischen Jagd- und Tierschutzgesetz insbesondere durch Streichung der bisher im Tierschutzgesetz enthaltenen sog. Unberührtheitsklauseln hinsichtlich des Jagdrechts klargestellt. Hierzu heißt es in der Begründung zum Entwurf:


„Die bisher hier enthaltene Unberührtheitsklausel zugunsten des Jagd- und des Naturschutzrechts entfällt – wie auch an anderer Stelle. Sie steht, was das Jagdrecht angeht, in Widerspruch zu § 44a BJagdG, wo es heißt: „Vorschriften des Tierschutzrechts bleiben unberührt“. Wenn demnach das Tierschutzrecht im Zweifel Vorrang vor dem Jagdrecht hat, ist es nicht möglich, tierschutzrechtliche Vorschriften ausdrücklich unter einen Jagdrechtsvorbehalt zu stellen und sie damit entgegen § 44a BJagdG dem Jagdrecht nachzuordnen. […] Gesetze, die das Jagdwesen regeln, dürfen die Bestimmungen des Tierschutzrechts weder aufheben noch aushöhlen noch in ihrer Reichweite einschränken.“


Auswirkungen hat dies zum Beispiel auf die Aussetzung von aufgezogenen Wildtieren im Rahmen der Jagd. Zur Auffrischung der eigenen Jagdbestände wird hier nicht selten auf in Gehegen gezüchtetes Wild zurückgegriffen. Das bisherige Tierschutzgesetz sieht hier zwar ein Verbot zur Aussetzung vor, sofern das Tier nicht auf die zum Überleben in dem vorgesehenen Lebensraum erforderliche artgemäße Nahrungsaufnahme vorbereitet und an das Klima angepasst ist. Ausdrücklich unberührt bleiben hier aber Vorschriften des Jagdrechts (§ 3 Nr. 4 TierSchG). Dies hat zur Folge, dass es länderspezifisch eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Aussetzung von aufgezogenen Tieren zu Jagdzwecken gibt, ohne dass ein Verstoß gegen das tierschutzrechtliche Verbot auch nur erwägt wird. Beim neuen Gesetzesentwurf wurde deshalb bewusst auf die Unberührtheitsklausel verzichtet. Die im Rahmen der Jagd übliche Aussetzung von Wild wird sodann im Einzelfall auf ihre Vereinbarkeit mit dem Tierschutzgesetz zu überprüfen sein.


2. Verschärfung und Erweiterung des Abrichtungsverbots

Das bisherige Tierschutzgesetz verbietet es in § 3 Nr. 7 TierSchG ein Tier an einem anderen lebenden Tier auf Schärfe abzurichten oder zu prüfen. Der neue Gesetzesentwurf erweitert diese Vorschrift auf das Training eines Tieres am lebenden Tier und verzichtet auf die vorgesehene Zweckbestimmung „auf Schärfe“.


„Durch die Streichung des bisherigen Merkmals „auf Schärfe“ wird klargestellt, dass es genügt, wenn bei dem abzurichtenden bzw. zu prüfenden Tier die Bereitschaft hervorgerufen bzw. getestet werden soll, ein anderes Tier lebend zu ergreifen, zu fassen und ggf. zu apportieren. Damit fällt die Ausbildung von Jagdhunden an lebenden, vorher flugunfähig gemachten Enten unter das Verbot. Wegen der unterschiedlichen Praxis in den Ländern (in einigen wird das Verbot eingehalten, in anderen nicht) besteht hier Klarstellungsbedarf.“, heißt es im Gesetzesentwurf.


Ebenso erfasst wäre der Betrieb von Anlagen zur jagdlichen Ausbildung von Hunden für die Fuchsjagd – sogenannte Schliefenanlagen.


3. Verschärfung des Hetzverbots

Das aktuelle Tierschutzgesetz verbietet es, ein Tier auf ein anderes zu hetzen; regelt aber zugleich eine Ausnahme für den Fall, dass die Grundsätze deutscher Weidgerechtigkeit dies erfordern. Der neue Gesetzesentwurf lässt zwar weiterhin jagdspezifische Abweichungen vom Hetzverbot zu; verlangt hierfür aber eine ausdrückliche jagdrechtliche Regelung (die wiederum ihre Vereinbarkeit mit dem Tierschutzgesetz insgesamt voraussetzt). Dies ist auch deshalb zu begrüßen, da eine Abweichung vom Verbot nicht mehr allein von der Beurteilung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Weidgerechtigkeit abhängig gemacht wird.


4. Anzeigepflicht für getötete Heimtiere

Eine weitere Neuerung schafft der Gesetzesentwurf mit der Anzeigepflicht für getötete Hunde und Katzen. Da es unter dem Vorwand des Jagdschutzes immer wieder zu Tötungen von Hunden und Katzen durch Jäger*innen kommt, ist diese allgemein ausgestaltete Verpflichtung auch für das Jagdrecht interessant. Bisher sehen nur die wenigstens Landesjagdgesetze vor, dass über getötete Hunde und Katzen in Form einer Streckenliste Auskunft gegeben werden muss. Offizielle bundesweite Zahlen über getötete Hunde und Katzen durch Jäger*innen existieren daher nicht. Die neue Verpflichtung dürfte außerdem zu einer gesteigerten Zurückhaltung bei der Tötung von Heimtieren führen.

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