Hessen: Schwarz-Rot auf Kuschelkurs mit der Jägerschaft / Aufhebung von Schonzeiten während der Aufzuchtzeit
- Pressemitteilung WTSD
- vor 11 Stunden
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Wiesbaden – In Hessen wird die eigentlich bis Ende 2028 gültige Jagdverordnung novelliert. Kritik kommt von der Tier- und Naturschutzorganisation Wildtierschutz Deutschland: „Sachlich erforderliche, insbesondere wissenschaftlich begründete Argumente wurden dabei für die erhebliche Ausweitung des Nutzungsrechts der Jägerschaft nicht geprüft und auch im Rahmen der Verbändeanhörung nicht angeführt.“

Die geplante Verlängerung von Jagdzeiten, Streichung von Schonzeiten während der Aufzuchtzeit der Wildtiere und die Aufnahme streng geschützter Tierarten in das Jagdrecht birgt erhebliche Konflikte mit dem Tier-, Natur- und Artenschutz, ohne jedoch Probleme zu lösen. Eine öffentliche Evaluierung der Maßnahmen hat nicht stattgefunden, im Rahmen einer Verbändeanhörung wurden überwiegend jagdaffine Organisationen und Einzelpersonen befragt. Die Wiederaufnahme und die signifikante Ausweitung von Jagdzeiten geschehen erkennbar willkürlich.
Geplante Änderungen in der Jagdverordnung, die durchweg ökologisch fragwürdige bis völlig unnötige und mit negativem Einfluss auf die Umwelt behaftete Erweiterungen des aktuellen Nutzungsrechts der Jägerschaft darstellen, passen in das Bild eines Ministeriums, das erst kürzlich eine Bundesratsinitiative zur Ausweitung der Nachtzieltechnik auf den Weg brachte und die offensive Missachtung des Muttertierschutzes im Rahmen einer präventiven ASP-Bekämpfung im Rheingau vorantreibt.
So kommt die Aufhebung der Schonzeit für adulte Füchse vom 1. März bis zum 15. August und damit die Rückführung der Verordnung auf ein Niveau von 1952 purem Zynismus gleich. Durch die Aufhebung der Schonzeiten während der Aufzuchtzeiten von Wildtieren wird es zwangsläufig zu strafbaren Handlungen im Rahmen des im Bundesjagdgesetz definierten Elterntierschutzes kommen. Denn Elterntiere (dazu gehören z.B. auch Fuchsrüden) können von nicht führenden adulten Tieren in der Regel nicht unterschieden werden.
Von Dachsen geht allenfalls ein unerhebliches Konfliktpotential für die Landwirtschaft aus. Dachsbaue liegen meistens im Wald abseits von Landwirtschaftsflächen, so dass einzelne Konfliktfälle auch ohne generelle Jagdzeit gelöst werden könnten. Die Verlängerung schon bestehender zu hinterfragender Jagdzeiten geschieht völlig willkürlich, weil sie auf dem Wunschzettel eines Nutzerverbandes der Jägerschaft steht und die schwarz-rote Hessenkoalition mit dem Landesjagdverband auf Kuschelkurs steht.
Wie völlig planlos die Rücknahme der in der vorletzten Legislaturperiode von Schwarz-Grün eingeführte ganzjährige Schonzeit für Baummarder, Iltis, Hermelin, Mauswiesel ist, verdeutlichen diese Zahlen: Zuletzt wurden im Jagdjahr 2015/2016 auf einer in Hessen bejagbaren Fläche von ca. 1,8 Millionen Hektar (1 ha = 10.000 m2) gerade mal 78 Baummarder, 101 Iltisse, 149 Hermeline und 119 Mauswiesel durch jagdliche Aktivitäten getötet.
Wildtieren keine Schonzeit, nicht einmal während der Setz- und der Aufzuchtzeit ihres Nachwuchses, einzuräumen, wenn nicht zwingende Gründe dazu bewegen, ist weder weidgerecht noch mit den gesellschaftlichen Werten des Tier- und des Naturschutzes vereinbar. Der Staat ist den Staatszielen Tierschutz und Naturschutz verpflichtet, nicht den Nutzerinteressen einer Klientel. Die Landesregierung hat die Grundlage für eine tierschutzfreundliche Gesetzgebung und Rechtsprechung zu schaffen. Das ist im Rahmen der anstehenden Änderung der Hessischen Jagdverordnung offensichtlich nicht gewollt.
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Unseren offenen Brief an die Abgeordneten des Hessischen Landtags vom 23. Juni lesen Sie hier.