Interview mit den Vertretern der Fuchsauffangstation (s.u.) - Rund einhundert aktive Schliefanlagen werden in Deutschland vermutet. Schliefanlagen[1] sind meist von Teckel-Clubs betriebene Anlagen, in denen Jäger ihre Jagdhunde für eine besonders grausame Form der Jagd, die sogenannte Baujagd[1], an lebenden Füchsen trainieren. Rechtliche und Tierschutzgutachten[1] belegen, dass weder Schliefanlagen noch die Baujagd tierschutzkonform sind.
In oft wenig artgerechten Zwingern werden dazu dauerhaft Füchse gehalten, die den kurzbeinigen Baujagdhunden in künstlich anlegten Tunnelsystemen als Übungsobjekt dienen. Dazu wird jeweils ein Fuchs in diese Tunnelsysteme getrieben, wo der raubwildscharfe Jagdhund ihn aufspüren soll. Der direkte Kontakt zwischen Hund und Fuchs wird in der Regel durch entsprechende Absperrungen (Schieber) verhindert. Diese Praxis ist – wie die gesamte Baujagd – selbst in Jägerkreisen stark umstritten. Ermittlungen durch Veterinäramt, Polizei und Staatsanwaltschaft zeigen, dass diese Anlagen teilweise seit Jahrzehnten ohne Kenntnis von Behörden und damit ohne eine Möglichkeit der Kontrolle betrieben wurden und werden. Einer dieser Fälle ist die Schliefanlage Kasendorf in der Nähe von Kulmbach, Bayern. Seit 42 Jahren soll man dort Jagdhunde an lebenden Füchsen trainiert haben. Die Ermittlungen gegen den Betreiber, den Dachshund-Club Nordbayern e.V. - Sektion Coburg laufen noch. Wegen der tierschutzwidrigen Haltung der Füchse in der Anlage hatte das Veterinäramt Kulmbach dem Betreiber eine freiwillige Herausgabe der Füchse nahegelegt. Andernfalls drohte die Beschlagnahmung.
Drei Wochen nach Umzug des letzten Fuchses aus der Schliefanlage in eine von Wildtierschutz Deutschland e.V. unterstützte Wildtierauffangstation haben wir mit den Betreuern der Füchse ein Interview geführt:
Wie seid ihr auf den Fall aufmerksam geworden? Zum einen gab es eine Anfrage seitens des Veterinäramtes Kulmbach an Wildtierschutz Deutschland e.V. bezüglich der artgerechten Unterbringung von Füchsen aus der Schliefanlage. Parallel dazu hat sich eine engagierte Tierschützerin aus der Region bemüht, weil eine Beschlagnahmung wegen tierschutzwidriger Haltung und Unterbringung in Aussicht stand.
Wie lief die Übernahme des Fuchses aus der Schliefanlage ab?
Wir haben uns zum zuvor vereinbarten Termin mit dem Betreuer der Schliefanlage (auch Schliefenwart/Schliefenmeister genannt) vor dessen Wohnhaus getroffen und sind dann mit unserem Auto dem vorausfahrenden Schliefenwart bis zur Schliefanlage gefolgt. Das Veterinäramt hatte dem Dachshund-Club die freiwillige Herausgabe des Fuchses nahegelegt. Wie den diversen Presseberichten zu dem Fall zu entnehmen ist, war die Art der Unterbringung der Füchse vom Veterinäramt stark kritisiert worden. Presseberichten zufolge sei die Anlage Jahrzehnte ohne Kenntnis der Behörden und versteckt vor der Öffentlichkeit betrieben worden.
Das bedeutet, ihr konntet euch selbst ein Bild von der Unterbringung machen? Ja. Wir gingen mit dem Schliefenwart bis zum Zwinger, in dem der letzte noch verbliebene Fuchs untergebracht war.
Nach Angaben der Behörden soll es sich dabei um einen Zwinger mit rund 25 Quadratmeter Fläche handeln, Beton oder Gehwegplatten als Boden, keine Möglichkeit um zum Graben, keinerlei Abwechslung oder Struktur. Ja. Für uns hat sich das vor Ort auch genauso bestätigt.
Der Dachshund-Club Nordbayern e.V., verantwortlicher Betreiber dieser Schliefanlage, schreibt in einer Stellungnahme auf seiner Homepage, „die Füchse hätten zu ihrem Betreuer ein enges und vertrauensvolles Verhältnis“. Wie stellte sich das für euch dar? Der Fuchs suchte im Zwinger den größtmöglichen Abstand zwischen sich und dem Schliefenwart, verhielt sich scheu und ängstlich. Insofern also ein ganz und gar typisches Verhalten wie man es gemeinhin von Wildtieren gegenüber Menschen kennt. Was daran eng oder vertrauensvoll sein sollte, blieb uns verborgen.
Weiterhin schreibt der Dachshund-Club Nordbayern in seiner Stellungnahme: „Der fitte Rotrock wollte nicht gehen, nur in der ihm vertrauten Transportbox mit der er immer vom Zwinger zur Schliefanlage gebracht wurde ging er freiwillig.“ Diese Darstellung ist ein vom Dachshund-Club Nordbayern frei erfundenes Märchen. Tatsächlich brachten wir unsere eigene Transportbox mit, der Schliefenwart ging alleine mit unserer Box in den Zwinger und trieb bzw. scheuchte den Fuchs in unsere Transportbox. Das Ganze lief recht reibungslos ab und war in kurzer Zeit erledigt. Dabei entstandene Fotos belegen zweifelsfrei die Falschheit der Aussagen des Dachshund-Clubs beziehungsweise des Prof. Dr. Georg Härtel, der diese Stellungnahme unterzeichnet und mutmaßlich auch verfasst hat obwohl er beim Übergabetermin an der Schliefanlage gar nicht anwesend war.
Welche Informationen habt ihr noch zu dem Fuchs bekommen? Bei der Übergabe an der Schliefanlage wurde uns der Fuchs als seit neun Jahren in diesem Zwinger lebende Fuchsfähe vorgestellt, der man den Namen „Nadja“ gegeben hätte. Nadja sei in der Schliefanlage geboren worden. All diese Aussagen hat der Schliefenmeister am 23. Oktober 2022 vor drei Zeuginnen/ Zeugen getätigt. Interessant für uns war auch die Aussage des Schliefenmeisters, dass die Füchse in der Schliefanlage nur jeden zweiten Tag mit Futter versorgt wurden. Wer meint zu einem Fuchs ein „enges und vertrauensvolles Verhältnis“ aufbauen zu können, wenn man jeden zweiten Tag Futter in den Zwinger stellt, hat von Füchsen entweder keine Ahnung oder versucht andere für dumm zu verkaufen.
Wie ging es mit der Füchsin Nadja bei euch in der Fuchsstation weiter?
Wir haben dem Fuchs erst ein paar Tage zur Eingewöhnung gegeben, bevor er hier mit Artgenossen vergesellschaftet wurde. Bemerkenswert dabei war der gesunde Appetit auf alles, was wir an Futter angeboten haben. Statt Futter jeden zweiten Tag in der Schliefanlage hat dieser Fuchs in der ersten Woche bei uns täglich für zwei gefressen.
Besonders auffällig aber war die vollkommen fuchsuntypische Zurückhaltung beim Erkunden des Geheges. Normalerweise erkundet ein Fuchs in den Nachtstunden jeden Winkel der ihm zur Verfügung steht. Dieser Fuchs hatte beispielsweise tagelang Hemmungen über Holzbretter zu laufen. Durch manchen Durchschlupf hat er sich auch nach mehr als zwei Wochen noch nicht gewagt. Zwischenzeitlich aber ist er mutiger und blüht von Tag zu Tag mehr auf.
Seid ihr mit dem Fuchs bei einem Tierarzt gewesen?
Ja. Wir wollten uns ein Bild davon machen, inwieweit die angeblich neun Jahre alte Fähe gesundheitlich beeinträchtigt ist. Bei einem so alten Fuchs ist beispielsweise mit Arthrose zu rechnen, Zahndefekte können zu schwerwiegenden und schmerzhaften Entzündungen im Kieferbereich führen. Wildtiere und insbesondere Füchse sind Meister darin, sich solche Beeinträchtigungen nicht anmerken zu lassen und leiden still.
Welche Ergebnisse ergab die tierärztliche Untersuchung?
Dass Grimms Märchen mehr Wahrheitsgehalt haben als die Aussagen des Schliefenwarts uns gegenüber. Denn zum einen handelt es sich bei der angeblichen neun Jahre alten Fuchsfähe Nadja um einen Fuchsrüden, also ein männliches Tier. Die weiteren bei der Untersuchung ermittelten Merkmale lassen den Schluss zu, dass dieser Fuchs keinesfalls neun Jahre alt sein kann. Wir schätzen ihn gemeinsam mit der Tierärztin auf etwa zwei Jahre, gut möglich ist auch, dass er erst ein Jahr alt ist.
All diese Erkenntnisse und die bei der Untersuchung entstandenen Bilder und Röntgenaufnahmen haben wir an das zuständige Veterinäramt ebenso wie an das involvierte Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Sachgebiet Tierschutz, weitergeleitet.
Wo ist dann die neun Jahre alte Nadja abgeblieben und der zweite, angeblich noch ältere Rüde, die das Veterinäramt noch im Juli 2022 bei einer Kontrolle der Schliefanlage vorgefunden haben? Diese Frage müsste man dem Schliefenwart oder dem Dachshund-Club Nordbayern stellen, und diese Fragen werden jetzt von den zuständigen Behörden auch gestellt. Nach dem Sammelsurium an Märchen und Unwahrheiten, die man bislang dem Veterinäramt, der Presse und sogar den eigenen Mitgliedern gegenüber aufgetischt hat, sollte man dabei wohl aber auf keine ehrliche Antwort hoffen.
Es steht die Vermutung im Raum, dass man den ein oder anderen Fuchs hat verschwinden lassen, um ihn einer tierärztlichen Untersuchung zu entziehen, die womöglich unbequeme Ergebnisse hervorgebracht hätte. Dass man Füchse aus der Schliefanlage Kasendorf nach Beginn der Ermittlungen in eine andere Schliefanlage verbracht hat, kann ebenso nicht ausgeschlossen werden.
Und wie sieht die Zukunft des jungen Fuchsrüden aus, den ihr aus der Schliefanlage übernommen habt? Der wird über den Winter bei uns bleiben um in artgerechter Umgebung und mit Artgenossen alles nachzuholen was ihm bisher verwehrt geblieben ist. Wir gehen von einer positiven Entwicklung aus, in dem Fall wäre die dauerhafte Gefangenhaltung eines jungen, gesunden und in der Freiheit überlebensfähigen Wildtieres nicht zu rechtfertigen. Wir kooperieren mit Förstern und Jägern, die die Bejagung von Füchsen aus Überzeugung ablehnen und werden mit deren Unterstützung dem Fuchs im nächsten Jahr ein Leben in Freiheit ermöglichen. Der Dachshund-Club Nordbayern hat geäußert, dass man sich dazu entschlossen habe, die Schliefanlage Kasendorf zu schließen. Seit Beginn der Ermittlungen hat der Dachshund-Club Coburg vielerlei Behauptungen aufgestellt, die sich als unzutreffend erwiesen haben. Dennoch zeigt die offizielle Stellungnahme, dass man sich auch weiterhin nicht scheut frei erfundene Märchen zu erzählen, die nötigenfalls vor Gericht durch Zeugen und Bilddokumente zweifelsfrei widerlegt werden können.
Sowohl Tierschutzorganisationen als auch die zuständigen Behörden sollten in den nächsten Jahren ein waches Auge darauf haben, was auf dem Gelände der Schliefanlage Kasendorf vor sich geht. Zugleich darf man aber nicht aus den Augen verlieren, dass sich unterdessen diese Tortur für Füchse an vielen Schliefanlagen im Bundesgebiet weiter fortsetzt.
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[1] Alle Informationen rund um Schliefanlagen und rechtliche Stellungnahme über diesen Link
Hier weitere Stellungnahmen und Gutachten.
Lesen Sie auch: Artikel im "Fränkischer Tag" (Bayerische Rundschau)
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