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Lovis Kauertz

Schuss und tot - ein Plädoyer für die Abschaffung der Hobbyjagd

Hören - Welche Vorstellungen haben Sie von der Jagd? Dass Jäger sich um kranke und verletzte Wildtiere kümmern? Dass die Jagd gesundes Wildbret hervorbringt? Dass der Jäger ja nicht nur tötet, sondern auch „Hege“ betreibt und dass er den Wildbestand reguliert?

Ich habe mich nun schon einige Jahre sehr intensiv mit dem Thema Jagd befasst und komme zu dem Schluss, dass die Jagd in ihrer heutigen Form auf den Freizeitfaktor reduziert werden kann. Es findet weder eine nachhaltige Reduzierung von Wildtierbeständen statt, noch trägt die Jagd - so wie es das Gesetz vorsieht - zu einem artenreichen Wildtierbestand bei. Das Thema Nahrungsbeschaffung - wie neuerdings als Argument für die Jagd immer wieder zu hören - ist ebenfalls nachrangig.

In Deutschland gibt es etwa 400.000 Jagdscheinbesitzer im Alter von 16 bis 98 Jahren. Sie töten Jahr für Jahr etwa sechs bis sieben Millionen Tiere. Darunter (legal) auch Tierarten, die nach den Roten Listen der Länder und/oder des Bundes im Bestand als gefährdet gelten (z.B. Rebhuhn, Waldschnepfe, Feldhase), Hunde und Katzen und Tierarten (illegal), die nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt sind (z.B. Dohle, Saatkrähe, Kolkrabe, zahlreiche Wasservogelarten, Greifvögel, in den letzten Jahren auch zunehmend Luchse und Wölfe).

Jungfüchse werden am Bau in der Falle gefangen

In der Falle - Bild: Jo Kurz

Jagd sorgt für hohe Wildbestände

Gemäß der von Jägern (!) gemachten Jagdgesetze soll die Jagd der Reduzierung von Wildtierbeständen dienen. Ist ja zunächst auch ganz einleuchtend: je mehr Tiere getötet werden, desto geringer sollten doch die Bestände werden. Ein Blick auf die Statistiken lehrt bei vielen Tierarten aber anderes: Anfang der 1980er Jahre wurden jedes Jahr etwa 150.000 Wildschweine und 850.000 Rehe durch Jäger erlegt, heute - 40 Jahre später - sind es in der Spitzen über 800.000 Wildschweine und bis zu 1,2 Millionen Rehe*)!


Die Zahl der Rehe und der Wildschweine sinkt nicht, sie steigt kontinuierlich. Das hat viele Gründe. Ein Grund ist die so genannte Hege. Darunter versteht man die Pflege des Wildbestandes und seines Lebensraumes. Sie kommt ausschließlich einigen wenigen jagdbaren Arten zugute und führte in den vergangenen Jahrzehnten insbesondere durch ganzjährige Fütterungen mit zu den heute relativ hohen Beständen von Rehen und Wildschweinen.

Ein weiterer Grund für den Anstieg der Wildtierbestände ist die Zerstörung von Sozialstrukturen durch die Jagd. Diese sehen zum Beispiel innerhalb der Wildschweinfamilien eine naturgegebene Geburtenkontrolle vor. Steht dieser Mechanismus nicht mehr zur Verfügung, weil zum Beispiel die regulierende Leitbache erschossen wird, so kommt es zu unkontrollierter Vermehrung.


Für diese Zusammenhänge gibt es zahlreiche Belege aus Wissenschaft und Forschung. Nur ein Beispiel aus dem jagdfreien Teil des Nationalparks Bayerischer Wald. Während hier bei Füchsen pro Wurf im Durchschnitt nur 1,7 Welpen zur Welt kommen, sind es in intensiv bejagten Revieren drei- bis viermal so viele. In Luxemburg gibt es seit 2015 sogar überhaupt keine Fuchsjagd mehr - ohne dass es zu einer wie auch immer gearteten Überpopulation kommt.

Bauchschuss statt Blattschuss - bei Drückjagden werden Wildschweine und Rehe häufig schwer verletzt

Die Schießfertigkeit von Jägern ist oft mangelhaft - bei untersuchten Drückjagden wiesen 60 % der Rehe nicht tödliche Bauchschüsse auf

Jagd und Nahrungsgewinnung Von den etwa sechs bis sieben Millionen Tieren, die Jahr für Jahr in Deutschland durch die Jagd umkommen – was denken Sie, wie viele davon im Kochtopf landen?

Die Katzen wohl kaum, auch die Schwäne nicht, nicht die Elstern, die Eichelhäher, die Rabenkrähen, selten mal eine Wildgans - das Fleisch alter Gänse ist viel zu zäh - kaum Wildenten oder Wildkaninchen, auch nicht die Füchse, Waschbären, Marder. Was bleibt sind hauptsächlich Wildschweine, Rehe, ein paar Hasen. Aber auch davon nur ein Teil. Wildschweine aus dem Südwesten sind meist radioaktiv verseucht – Tschernobyl lässt grüßen. Ein Großteil der Tiere hat aufgrund von Verletzungen und Flucht Stresshormone ausgeschüttet – ihr Fleisch ist bitter, ungenießbar. Andere Tiere bringen einfach nichts auf die Waage, weil sie noch jung waren oder abgemagert sind. Unter dem Strich können Sie davon ausgehen, dass etwa drei von sechs bis sieben Millionen Tieren nach dem Jagdtod verscharrt oder anderweitig entsorgt werden.

Apropos Nahrungsmittel. Etwa 60 % des deutschen Bedarfs an Wildbret wird importiert, meist aus Polen oder Neuseeland. Das Bundesamt für Risikoforschung warnt vor dem Genuss von Wildbret: Wildfleisch gehört zu den am höchsten mit Blei belasteten Lebensmitteln.


Schmerz und Leid – was Jagd für Wildtiere bedeutet Schuss … und tot! Das trifft in vielen Fällen nicht zu. Unter anderem haben Untersuchungen in Großbritannien dies gezeigt. Hier wurde die Treffsicherheit von unerfahrenen, angelernten und erfahrenen Jägern auf sich bewegende Papiersilhouetten eines Fuchses untersucht. Anhand der Lage der Einschusslöcher und der errechneten Eindringtiefe der Geschosse wurde abgeleitet, dass unter normalen Geländebedingungen jeder zweite Fuchs durch eine Schussverletzung lediglich verwundet worden wäre. Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) berichtet von Untersuchungen, wonach nach Treibjagden zwei Drittel der Wildschweine nicht sofort tödliche Schüsse aufweisen: im Rücken, im Bauch oder an den Beinen. Bei Rehen wiesen ca. 60 % der weiblichen Tiere Bauchschüsse auf.

Die meisten Füchse werden in den Wintermonaten gejagt. Der Schnee erleichtert die Jagd und die ansonsten aufmerksamen Tiere sind unvorsichtig, denn für Füchse ist jetzt die Paarungszeit. Für viele ab März das Licht der Welt erblickenden Fuchswelpen heißt das, dass sie ohne den Fuchsvater aufwachsen. Der hat aber durch die Nahrungsbeschaffung eine ganz wichtige Funktion bei ihrer Aufzucht. In der Konsequenz sind die jungen Füchse körperlich häufig geschwächt, ihre Überlebensfähigkeit ist wesentlich geringer als die von Fuchswelpen, die mit einem Versorger aufgewachsen sind.

Winterruhe ist für viele Wildtiere eine Überlebensstrategie in den nahrungsarmen Zeiten. Hirsche und Rehe reduzieren im Winter ihre Körpertemperatur, um Energie zu sparen. Werden die Tiere nun durch revierübergreifende Bewegungsjagden mit Jägern, Treibern und mit Hunden gestört und zur Flucht gezwungen, fährt der Körper den reduzierten Stoffwechsel hoch. Der Energieverlust kann wegen fehlender Nahrung nicht kompensiert werden, die Tiere hungern oder sie fressen notgedrungen Knospen und Baumrinde und richten Schäden im Wald an.

Schluss mit der Hobbyjagd Wenn die Jagd also gar nicht das ist, was sie vorgibt zu sein, wenn eine nachhaltige Reduzierung von Wildtierbeständen gar nicht gegeben ist, wenn Naturschutzverbände den Beitrag der Jagd zum Naturschutz in Frage stellen, wenn Tierärzte und Tierschutzverbände Tierquälerei im Rahmen der Jagd konstatieren und man der Öffentlichkeit erklären muss, warum jedes Jahr ein Großteil der Jagdopfer für die Tierkörperbeseitigung sterben – warum brauchen wir dann die Jagd in ihrer heutigen Form? Eine Antwort darauf geben Fachliteratur, Jagdzeitschriften und Jagdforen: dort wird die Jagd zum Abenteuer stilisiert, den Jägern bedeutet sie Lust und Leidenschaft.

Eine Lust, die Leiden schafft. Wir von Wildtierschutz Deutschland und viele gleichgesinnte Organisationen, Initiativen und Einzelkämpfer wollen diesem Treiben ein Ende setzen. Gerne halten wir Sie auf dem Laufenden.

*) darunter ca. 15 % Verkehrsopfer

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