Hören - Der Regierungsentwurf zum Landesjagdgesetz wurde von Anbeginn sehr kontrovers diskutiert. Für die Jägerschaft gehört er "in die Tonne", denn sie sehen ihre Felle davonschwimmen. Der Entwurf setzt ansatzweise eine Forderung der Tierschutzseite um, nämlich die Jagd öffentlich‐rechtlich auszugestalten. Allerdings geschieht das weniger im Sinne gesellschaftlich übergeordneter Ziele des Tier- und Naturschutzrechts, als vielmehr im Hinblick auf Kosteneinsparungen im Bereich der Landesforsten und anderer Waldbesitzer. Der Tierschutz auf der anderen Seite - völlig unterrepräsentiert und politisch und öffentlich kaum gehört - fordert für die Jagd auf Tiere zumindest einen vernünftigen Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes.
Bei den Evaluierungsgesprächen, die der Erstellung des Entwurfs zur Gesetzesnovellierung vorangingen, waren neun Verbände der Jagd-, Forst- oder Landwirtschaftspartie vertreten, drei kommunale Interessen vertretende Verbände, gerade mal zwei Naturschutzverbände und nicht ein Tierschutzverband. Zur Anhörung wurden eingeladen: 16 Organisationen aus dem Umfeld von Jägern, Forst und Landwirtschaft, vier Naturschutzorganisationen, 4 weitere eher jagdaffine Organisationen und der Landesverband Rheinland-Pfalz des Deutschen Tierschutzbundes. Das nur, damit mal die Verhältnisse transparent sind.
Im Nachfolgenden unsere Stellungnahme vom 11. Oktober d.J. zur Novellierung des Landesjagdgesetzes Rheinland-Pfalz:
Sehr geehrte Frau Ministerin,
wir bedauern insbesondere, dass dieses vermeintlich „moderne“ Jagdgesetz in vielen Aspekten offensichtlich weder auf aktuellem und belastbarem Wissensstand beruht, noch dem Staatziel Tierschutz gerecht wird, sondern vielmehr von Partikularinteressen geleitet ist.
Zum vorliegenden Regierungsentwurf, Stand 23. Juni 2023, nehmen wir wie folgt Stellung:
Wir begrüßen, dass in der vorliegenden Novelle überhaupt Verbesserungen im Hinblick auf Wildtiere im Rahmen der Jagd vorgenommen wurden:
Totschlagfallen wurden bereits in mehreren Bundesländern verboten, zuletzt in Hessen. Es ist nie auszuschließen, dass Nicht-Zielarten in diesen Fallen getötet oder verletzt werden. Ebenfalls ist das Verbot von Wippbrettfallen aus der Sicht des Tierschutzes positiv zu bewerten.
Verbot der Baujagd am Naturbau, wenngleich aus Tierschutzsicht ein völliges Verbot dieser nicht tierschutzkonformen und quantitativ irrelevanten Jagd gefordert wird (vgl. https://www.wildtierschutz-deutschland.de/single-post/baujagd-kunstbau)
Vereinfachung der Nachsuche über Jagdbezirksgrenzen hinaus.
Verbot, Jagdhunde an lebenden, flugunfähig gemachten Enten auszubilden, gemäß bestehendem OVG Urteil.
Schießübungsnachweis bei Bewegungsjagden.
Aufhebung der Bewirtschaftungsbezirke für das Rotwild
Wir sind allerdings nicht der Meinung, dass dieser Entwurf den tatsächlichen Anforderungen an ein gesellschaftlich akzeptiertes, ethisch vertretbares, modernes und in die Zukunft gerichtetes Jagdrecht gerecht wird. Dazu sind unseres Erachtens die nachfolgenden Änderungen erforderlich:
- Ein Jagdrecht, welches dem „Zukunftsvertrag Rheinland-Pfalz 2021 – 2026“, in dem es heißt, dass der „Tierschutz in Rheinland-Pfalz eine herausragende Bedeutung hat und daher einen festen Platz in der rheinland-pfälzischen Landesverfassung“, sollte eine ausdrückliche Verankerung des vernünftigen Grunds i.S. des Tierschutzgesetzes für die Tötung eines Tieres als grundlegende Voraussetzung vorsehen. Ein vernünftiger Grund liegt vor, wenn er einsichtig und nachvollziehbar erscheint und im konkreten Fall schwerer wiegt als das Interesse des Tieres an seiner Unversehrtheit. Deshalb sollte die Tötung von Tieren im Rahmen des Jagdrechtes an konkrete Kriterien angeknüpft werden, wie dies aktuell in Baden‐Württemberg bereits der Fall ist.
- Kürzung der Liste der jagdbaren Arten nach klaren nachvollziehbaren wild‐ und waldökologischen Kriterien. Entlassung von Arten, die bereits ganzjährig geschont sind, deren Bestände rückläufig oder bereits bedroht sind, Vollschonung aller Tierarten, die i.d.R. nicht der Ernährung dienen oder die nur aus jagdlicher Leidenschaft geschossen werden, inklusive aller Beutegreiferarten und Vogelarten wie Tauben, Wildenten, Wildgänsen, Waldschnepfen und Rabenvögeln. Konkrete Mensch-Wildtierkonflikte könnten im Rahmen eines lokalen Wildtiermanagements gelöst werden, das unter der Aufsicht der obersten Naturschutzbehörde definiert und evaluiert wird. Die Jagd kann dazu eine von mehreren Maßnahmen zur Zielerreichung sein, vorausgesetzt mildere, non-letale Möglichkeiten wurden in Betracht gezogen.
- „Ökosystemfremde Arten“: Waschbären, Nutria oder Nilgans, Sikawild oder Mufflons sind keine ökosystemfremden Arten. Alle genannten Arten sind lange in Deutschland etabliert und galten bis vor wenigen Jahren gem. des Bundesnaturschutzgesetzes noch als heimisch. Wir sprechen uns dagegen aus, die als invasiv diskreditierten Arten in das Jagdrecht aufzunehmen und in der Breite willkürlich bejagen zu lassen. Die freiheitliche, vergnügungsorientiere Jagd ist – wie die Ergebnisse seit inzwischen Jahrzehnten deutlich zeigen – völlig ineffektiv: Der Bestandsentwicklung dieser Arten wird nicht einmal Einhalt geboten. Vielmehr sollten ausschließlich in konkreten Konfliktfällen Maßnahmen mit klaren Zielvorgaben definiert und evaluiert werden. Die Jagd kann dabei unterstützen – in vielen Fällen dürften auch non-letale Maßnahmen ausreichen.
- Angepasste Jagdmethoden. Die Jagdmethoden müssen effektiv und tierschutzkonform sein, d.h. sie müssen möglichst sofort und schmerzfrei töten. Deshalb fordern wir das Verbot …
o des Einsatzes von blanken Waffen zum „Abnicken“ von Wild,
o des Schrotschusses auf Vogelschwärme,
o des Einsatzes aller Fallenarten im Rahmen der Jagd,
o der Baujagd auch am Kunstbau,
o der Beizjagd,
o Wir fordern konkrete Vorgaben hinsichtlich des Einsatzes und der Ausbildung von Jagdhunden: z.B. kein Einsatz von hochläufigen Hunden im Rahmen von Drückjagden, Verbot von Hundemeuten, Verbot von lautlos jagenden Hunden.
o Drückjagden während der nahrungsarmen Zeit ab Mitte Dezember eines Jahres sollten aus Tierschutzgründen untersagt sein.
- Verkürzung der Jagdzeiten. Jagdzeiten müssen sich an den biologischen Ansprüchen der Tiere orientieren und sollten so kurz wie möglich sein, um Störungen zum Schutz auch nicht jagdbarer Wildtierarten so gering wie möglich zu halten. Ziel sollte unter anderem sein, eine mehrmonatige jagdfreie Zeit für alle Wildarten einzuführen. Die aktuellen – im europäischen Vergleich – extrem langen Jagdzeiten, insbesondere für das Schalenwild, machen das Wild scheu und für Bürger nicht erlebbar und forcieren den unerwünschten Verbiss, vor allen Dingen dann, wenn während der nahrungsarmen Monate gejagt wird.
- Generelles Verbot der Nachtjagd. Egal, welche Tierart während der Nacht bejagt wird, sie ist immer mit enormen Störungen für alle Tiere, auch die nicht bejagten oder gar streng geschützten Tiere, verbunden. Die Nacht könnte zeitlich betrachtet ein letzter Rückzugsort vor Störung und Nachstellung sein. Unabhängig davon gibt es keinerlei belastbare Belege dafür, dass die Jagd zur Nachtzeit tatsächlich effizient im Hinblick auf die Reduzierung von Mensch-Wildtier-Konflikten ist.
- Missachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zwischen den Staatszielen Eigentum, Umwelt und Tierschutz zulasten des letztgenannten. Der Regierungsentwurf offenbart, dass zu den unterschiedlichen Konfliktfeldern, sei es den Forst betreffend, den Einfluss von als invasiv bezeichneten Arten, der Seuchenprävention oder den Artenschutz, nicht in einem Fall mildere, non-letale Maßnahmen zu einer Zielerreichung ernsthaft auch nur in Erwägung gezogen wurden. Während es in der aktuellen Fassung des Gesetzes noch heißt: „Erhaltung eines gesunden Wildbestandes und seiner natürlichen Lebensgrundlagen“, „die wildlebenden Tierarten als wesentlichen Bestandteil der biologischen Vielfalt und des Naturhaushaltes in ihrer Vielfalt zu bewahren“ und „die Belange des Tierschutzes in allen Bereichen der Jagdausübung zu berücksichtigen“, fehlen diese Werte in der vorgelegten Entwurfsfassung. Stattdessen liegt der Fokus auf „im öffentlichen Interesse liegenden Zielsetzungen“.
- Professionalisierung in der jagdlichen Ausbildung. Bessere und längere Ausbildung inklusive obligatorischer „Praxissemester“ zur Erlangung des Jagdscheins mit dem Ziel, das notwendige wildökologische Wissen und einen verantwortungsvollen Umgang beim Ansprechen und Töten diverser Wildtierarten hinreichend zu vermitteln. Da sich die Erkenntnisse der Wildbiologie ständig erweitern, sollten zudem regelmäßige Weiterbildungen verpflichtend sein. Da gerade das rasche und tierschutzgerechte Töten von Wildtieren eine äußerst anspruchsvolle jagdliche Verpflichtung darstellt, die viel praktische Erfahrung erfordert, sollte jährlich eine ausreichende Schießleistung zur Verlängerung des Jagdscheines nachgewiesen werden. Es ist ein Unding, dass die Politik – auch in Rheinland-Pfalz – es zulässt, dass Jagdausübungsberechtigte, die keine ausreichende Schießleistung nachweisen können, auf Tiere schießen, die häufig dabei auch noch im Fluchtmodus sind.
- Befriedete Flächen. Schaffung einfacher und unbürokratischer Möglichkeiten für Grundstückseigentümer – Privatpersonen und juristische Personen – ihre Flächen jagdrechtlich zu befrieden.
Mit freundlichen Grüßen
Lovis Kauertz, Wildtierschutz Deutschland e.V.
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