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Rechtswidrige Biberabschüsse in europäischen Schutzgebieten an der Oder

Florinde Stürmer

Hören | In den brandenburgischen Landkreisen Märkisch-Oderland, Oder-Spree, Uckermark und im kreisfreien Frankfurt/Oder wurden während des diesjährigen Oder-Hochwassers im September / Oktober nach neuesten Meldungen in Naturschutzgebieten und in europäischen Schutzgebieten 137 Biber rechtswidrig getötet.


Der an der Oder vorkommende Elbebiber (Castor fiber albicus) ist nach Anhang IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU (FFH-Richtlinie) eine streng geschützte Art. Sie genießt damit den höchsten Schutzstatus. Dieser Schutzstatus soll sicherstellen, dass wildlebende Tier- und Pflanzenarten langfristig gesichert werden.

 

Eine Tötung darf nur in extremen Ausnahmefällen erfolgen. Ausnahmen dürfen die Behörden laut § 45 Abs. 7 Bundesnaturschutzgesetz nur erlassen, wenn Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses vorliegen, zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der lokalen Population nicht verschlechtert.

 

Die Population der Biber an der Oder wird auf ca. 1.000 Individuen geschätzt. Seitdem in den Medien über die Tötung von etwa zehn Prozent des lokalen Bestandes berichtet wurde, hat Wildtierschutz Deutschland den Fall gemeinsam mit dem BUND Brandenburg aufgearbeitet. Unsere in Auftrag gegebenen Gutachten kommen zu dem Ergebnis, dass die Biberabschüsse einerseits rechtswidrig, andererseits bestandsgefährdend waren und die lokale Population derart beeinträchtigt wurde, dass sich damit der Erhaltungszustand in den betroffenen Lebensräumen erheblich verschlechtert hat.

 

Mit den Biberabschüssen wurden durch die zuständigen Landkreise rechtswidrig vollendete Tatsachen geschaffen, obwohl keine substanziellen Beschädigungen an Hochwasserschutzanlagen vorzuliegen scheinen.

 

Wir fordern, dass die Sicherung der Deiche künftig präventiv durch nicht letale Maßnahmen, wie sie in anderen Vorkommensgebieten von Bibern längst Praxis sind, gewährleistet wird. Das können entsprechende bauliche Maßnahmen an den Deichen sein, wie Stahlnetze, die Grabetätigkeiten wühlender Tierarten, zu denen auch Nutria und Bisam gehören, unterbinden. Aber auch die Anlage künstlicher Rettungshügel auf den Flächen vor den Deichen ist wirkungsvoll.[1] Erfahrungswerte aus über 100 Jahren liegen aus Gebieten an der Elbe vor.[2] Auch ist kontinuierliches Biber-Monitoring zu gewährleisten. Solche Daten wurden uns aus keinem der o.g. Landkreise übermittelt. Aber nur so lässt sich überhaupt einschätzen, welche Auswirkungen ein Eingriff in die Population hat. Der Landkreis Uckermark räumt unumwunden ein, dass die Bestände dort nicht einmal erhoben werden.

 

Zur Einordnung der Auswirkungen von vor Hochwasser ausweichenden Bibern muss außerdem differenziert werden zwischen dem vergleichsweise harmlosen Anlegen einer flachen Mulde (Sasse), das lediglich die Grasnarbe öffnet, und tatsächlichen, die Deiche oder wasserbaulichen Anlagen verändernden Grabeaktivitäten der Tiere. Der Biber zieht es vor in einer Sasse zu warten, bis er seinen ursprünglichen Bau wieder beziehen kann. Nur in seltenen Fällen, wie etwa bei anhaltenden Minusgraden oder über sehr lange Zeiträume bei konstant hohen Wasserständen, tritt ein Verhalten auf, das die Hochwasserschutzanlagen, sofern sie nicht mechanisch geschützt sind, schädigen kann.[3]

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[1] Schumacher, A., P. Ibe & K.-H. Jährling (2012): Informationen zu Biber- und

Wildrettungshügeln in den rezenten Flussauen. Biosphärenreservatsverwaltung Mittelelbe,

Referenzstelle für Biberschutz Sachsen-Anhalt und Landesbetrieb für Hochwasserschutz und

Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt.

[2] Ebd., und Nitsche, K.-A. (2003): Biber (Castor fiber L.) und Hochwasser: Verhalten, Maßnahmen für den

Biberschutz und Hochwasserschutz.

[3] Biosphärenreservat Mittelelelbe: Biber und Deichschutz. Vgl Schuhmacher 2012, s. Anm.1.



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