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  • Lovis Kauertz

Treten Sie für eine Schonzeit für Waschbären ein. Anhörung bis 20.11.2017

Getrieben von den Jagdverbänden wurden seitens der EU u.a. Waschbären und Nutria zu sogenannten „invasiven Arten“ erklärt. Deren Weiterverbreitung soll verhindert und bestehende Bestände „beseitigt“ werden. Dazu ist für Deutschland bereits ein Gesetzentwurf zur Durchführungsverordnung vorgelegt worden. Das Bundesamt für Naturschutz hat des Weiteren ein Management- und Maßnahmenpapier entworfen. Jeder Bürger und auch Organisationen haben die Möglichkeit im Rahmen eines Anhörungsverfahrens bis zum 20. November 2017 dazu Stellung zu nehmen. Nachfolgend zunächst unsere Stellungnahme zum Managementplan gegen Waschbären.

Hier eine Zusammenfassung unserer Forderungen:

  • Grundsätzliche Duldung der Haltung von kastrierten Waschbären in Tierparks und (privaten) Auffangstationen.

  • Keine Auflösung von Haltungen auf den Nord- und Ostseeinseln, stattdessen Aufnahmestopp für neue Tiere und Kastration vorhandener Tiere.

  • Duldung der Entnahme von in Not befindlichen Tieren aus der Natur durch Privatpersonen bei gleichzeitiger Information einer Polizeidienststelle.

  • Einführung einer umfassenden den besonderen Elternschutz der Waschbären berücksichtigenden Schonzeit vom 1. März bis 31. August eines Jahres.

  • Forschungsprojekt zur Auswilderung von kastrierten Waschbären

Hier geht es zum

Junger Waschbär

Waschbären haben keine oder nur unzureichende Schonzeit. Elterntiere werde getötet, während die Welpen noch darauf angewiesen sind.

Stellungnahme Wildtierschutz Deutschland zu geplanten Managementmaßnahmen (im Folgenden mit „M“ bezeichnet) für den Waschbären:

  • M 1: Anbringen von Überkletterschutzvorrichungen an Horst- und Höhlenbäumen

  • Kein Einwand

  • M 2: Einzäunung (mit Überkletterschutz) von Vorkommensgebieten gefährdeter Arten (z. B. Bodenbrüter, Europäische Sumpfschildkröte)

  • Kein Einwand

  • M 3: Sicherung gefährdeter Fledermausquartiere in Stollen und Gebäuden gegen das Eindringen von Waschbären durch geeignete Maßnahmen

  • Kein Einwand

  • M 4: Eindämmung der Weiterverbreitung über geographische Grenzen, die die Art ohne Hilfe des Menschen nicht oder nur sehr schwer überwinden kann

Beschreibung: Neue Haltungen auf bisher von Waschbären nicht besiedelten Meeresinseln sind nicht zuzulassen, dort bereits bestehende Haltungen sollen aufgelöst werden. Sollte ein Neuauftreten von Waschbären auf bisher nicht von dieser Art besiedelten Meeresinseln bekannt werden, sind unverzüglich Maßnahmen zu deren Beseitigung zu veranlassen.

Wildtierschutz Deutschland hält eine Auflösung bestehender Haltungen nicht für angemessen, wenn sichergestellt ist, dass die Tiere kastriert bzw. sterilisiert sind und tierschutzgerecht gehalten werden.

Die Formulierung „Maßnahmen zu deren Beseitigung zu veranlassen“ halten wir für eine Aufforderung zur groben Missachtung des Tierschutzgesetzes. Bitte formulieren Sie konkrete Alternativen dafür, was mit Waschbären aus bestehenden Haltungen, die aufgelöst werden, passieren soll. Im Hinblick auf die Wahrung des Tierschutzgesetzes im Zusammenhang mit unseren heimischen Waschbären, die von Behördenvertretern ohne ausreichend belastbare wissenschaftliche Belege zu einer invasiven Art erklärt wurden, hält Wildtierschutz Deutschland es für opportun, dass Bund und Länder Möglichkeiten schaffen, in Not geratene Tiere tierschutzgerecht zu versorgen und ggf. nach Kastration/Sterilisation in Gehegen zu halten oder auszuwildern. Eine Haltung sollte auch im Privatbereich nach Prüfung der Veterinärämter zulässig sein.

  • M 5: Lokale Populationskontrolle in Bereichen, in denen der Waschbär eine erhebliche Gefährdung oder möglicherweise sogar das Aussterben heimischer Arten verursachen kann.

Beschreibung: Die Bekämpfung des Waschbären zum Schutz hochgradig gefährdeter Arten (z. B. Europäische Sumpfschildkröte; bestandsbedrohte, am Boden oder in Kolonien brütende Vögel) ist nur unter besonderen Rahmenbedingungen möglich und sinnvoll. Oft werden in solchen Fällen nicht nur der Waschbär, sondern auch andere Raubsäuger, insbesondere Rotfuchs, Mink und Marderhund, kontrolliert werden müssen. Sinnvoll ist die Kontrolle besonders bei naturgegebenen oder künstlichen Inselsituationen, bei denen eine Wiederzuwanderung des Waschbären und anderer Prädatoren erschwert ist. Auch in großen, regelmäßig überstauten und ansonsten durchgängig ebenen, nassen und gehölzarmen Grünlandniederungen können intensive Kontrollmaßnahmen des Waschbären lohnend sein. Solche Niederungen weisen aufgrund geringer Kleinsäugerdichten und wenig Möglichkeiten für die Anlage von Wurfbauen von vornherein ungünstige Bedingungen für die meisten Raubsäuger, auch für den Waschbären, auf. Eine Reduzierung der ohnehin relativ geringen Bestände erscheint daher als erfolgversprechend, ist jedoch eine Daueraufgabe. In Vorkommensgebieten der Europäischen Sumpfschildkröte sowie bei lokal bedrohten Populationen von Amphibienarten soll die intensive Verfolgung von Waschbären verhindern, dass sich einzelne Waschbären auf die Erbeutung dieser Tiere spezialisieren. Die Verfolgung im Rahmen der Jagdgesetzgebung (Abschuss, Fallenfang) ist möglich, soweit das über die Jagdgesetze der Länder zugelassen ist, erfordert aber grundsätzlich die Bereitschaft und freiwillige Mitwirkung der Jagdausübungsberechtigten. Mit jagdlichen Mitteln können ggf. auch lokal auftretende wirtschaftliche Probleme zumindest etwas entschärft werden.

Einwand Wildtierschutz Deutschland: Der nachfolgende Teil der Beschreibung ist missverständlich: „Die Verfolgung im Rahmen der Jagdgesetzgebung (Abschuss, Fallenfang) ist möglich, soweit das über die Jagdgesetze der Länder zugelassen ist, erfordert aber grundsätzlich die Bereitschaft und freiwillige Mitwirkung der Jagdausübungsberechtigten. Mit jagdlichen Mitteln können ggf. auch lokal auftretende wirtschaftliche Probleme zumindest etwas entschärft werden.“ Diese Formulierung ist zu allgemein gefasst und kann in der Interpretation von Jägern und Jagdverbänden missbräuchlich zur generellen Argumentation von jagdlichen Maßnahmen gegen den Waschbären verstanden werden, wo nicht eine explizite Inselsituation wie zum Beispiel bei der zitierten Kolonie von Sumpfschildkröten oder Graureihern gegeben ist. Die „Entschärfung lokal auftretender wirtschaftlicher Probleme“ ist ebenfalls nicht Gegenstand einer „Populationskontrolle in Bereichen, in denen der Waschbär eine erhebliche Gefährdung oder möglicherweise sogar das Aussterben heimischer Arten verursachen kann“.

Wir schlagen deshalb vor die Formulierung wie folgt zu ändern: „Die Verfolgung im Rahmen der Jagdgesetzgebung (Abschuss, Fallenfang) ist bei von den jeweiligen Obersten Naturschutzbehörden der Länder festgestellten besonderen Rahmenbedingungen (bei naturgegebenen oder künstlichen Inselsituationen, bei denen eine Wiederzuwanderung des Waschbären und anderer Prädatoren erschwert ist) möglich, soweit das über die Jagdgesetze der Länder zugelassen ist, erfordert aber grundsätzlich die Bereitschaft und freiwillige Mitwirkung der Jagdausübungsberechtigten.“ Der letzte Satz „Mit jagdlichen Mitteln können ggf. auch lokal auftretende wirtschaftliche Probleme zumindest etwas entschärft werden“ sollte gestrichen werden.

  • M 6: Regulierung des Umgangs mit in menschlicher Obhut befindlichen Waschbären

Aus Sicht von Wildtierschutz Deutschland ist es dringend ratsam, an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinzuweisen, auch eine z.B. durch ein Veterinäramt genehmigte Haltung in Privathand zuzulassen.

  • M 7: Öffentlichkeitsarbeit zur Verminderung der direkten und indirekten anthropogenen Förderung der Art

Beschreibung: Durch geeignete Maßnahmen ist die Bevölkerung darüber aufzuklären, dass Waschbären als invasive Art nicht gefördert werden sollten. Insbesondere geht es dabei um die Vermeidung der gezielten oder unbeabsichtigten Fütterung der Tiere. Speisereste, Schlachtabfälle und Tierfutter, besonders solches für Hunde und Katzen, sind so zu verwahren, dass diese nicht für Waschbären oder andere Wildtiere zugänglich sind. Es ist darüber zu informieren, dass eine Entnahme von Waschbären aus der Natur (verletzte Tiere, verwaiste Jungtiere), soweit diese Art nach Landesrecht dem Jagdrecht unterliegt ausschließlich den Jagdausübungsberechtigten gestattet bzw. von deren ausdrücklicher Zustimmung abhängig ist und auch in aller Regel tierschutzrelevant ist, wenn die Tiere dauerhaft unter Verschluss gehalten werden müssen.

Einwand Wildtierschutz Deutschland: Die Entscheidung über die Entnahme eines sich in Not befindlichen Tieres darf ausschließlich nach den Kriterien des Tierschutzgesetzes und der Jagdgesetze erfolgen. Dabei ist zu gewährleisten, dass einem Tier ohne vernünftigen Grund keine Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Das kann bereits der Fall sein, wenn einem sich in Not befindlichen Tier nicht unverzüglich Hilfe geleistet wird.

Jäger sind keine Sachverständigen im Hinblick auf die Durchführung des Tierschutzgesetzes. Die „ausdrückliche Zustimmung“ eines Jagdausübungsberechtigten halten wir für vollkommen unangemessen. Es sollte, wie auch bei Wildunfällen, die Information des Revierpächters oder des beauftragten Jagdausübungsberechtigten durch die nächstgelegene Polizeidienststelle ausreichen. Wir schlagen vor, den Passus (letzter Satz) wie folgt zu formulieren: „Es ist darüber zu informieren, dass die Entnahme von Waschbären aus der Natur (verletzte Tiere, verwaiste Jungtiere), soweit diese Art dem jeweiligen Landesjagdrecht unterliegt, unverzüglich der nächstgelegenen Polizeidienststelle zu melden ist. Ferner sollte im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit darauf hingewiesen werden, dass die Haltung von Wildtieren in Gefangenschaft in aller Regel tierschutzrelevant ist.“

Waschbär in einer Baumhöhle

Baumhöhlen werden gerne als Schlafplatz genutzt. Bild: Heiko Anders

Wildtierschutz Deutschland fordert darüber hinaus folgende Maßnahmen mit aufzunehmen:

W1: In Notsituationen aufgefundene Waschbären dürfen grundsätzlich in anerkannten, auch privaten Auffangstationen, in Tierheimen und in Tierpark-Anlagen aufgenommen, versorgt und gehalten werden. Die Tiere sind zu kastrieren bzw. zu sterilisieren, um eine Fortpflanzung auszuschließen.

W2: Wie die Vergangenheit eindrucksvoll gezeigt hat und wie es diverse Forschungsprojekte belegen (Langgemach/Bellebaum: Prädation und der Schutz bodenbrütender Vogelarten in Deutschland, 2005), ist auch im Rahmen noch so intensiver jagdlicher Maßnahmen eine Reduzierung der Waschbärenpopulation, eine Ausweitung, nicht einmal eine Verlangsamung der Verbreitung, nicht zu erreichen. Wir halten die Jagd auf Waschbären im Hinblick auf eine Regulierung dieser Art für nicht zielführend. Seitens der Länder sollte deshalb in Erwägung gezogen werden, Kastrations-/ Sterilisierungsmaßnahmen wildlebender Waschbären im Rahmen von Forschungsprojekten zu prüfen und ggf. durchzuführen. Zeugungsunfähige Tiere müssen gekennzeichnet werden, die Jagd gekennzeichneter Tiere unterbunden werden. Dadurch könnten – im Gegensatz zum jagdlichen Ansatz, der ja nun erwiesenermaßen seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf eine Bestandsregulierung nicht funktioniert – eine dauerhafte und nachhaltige Lösung gefunden werden.

W3: Im Rahmen der Jagdgesetze haben Waschbären keine oder nur unzureichende Schonzeit (Hessen). Ein ausreichender Schutz von für die Aufzucht von Jungtieren notwendigen Elterntieren durch § 22.4 Bundesjagdgesetz ist nicht gegeben, zumal die Setz- und Brutzeit von vielen Ländern normativ durch Verordnungen auf die Zeit vom 1. März bis 15. Juni festgelegt sind. Wir fordern eine bundesweite Schonzeit für Waschbären vom 1. März bis zum 31. August eines Jahres.

Ergebnisse einer aktuellen wildbiologischen Forschungsstudie zur Populationsbiologie des Waschbären der TU Dresden, AG Wildtierforschung Tharandt und der HNE Eberswalde, FG Wildbiologie, Wildtiermanagement & Jagdbetriebskunde (siehe www.projekt-waschbaer.de, oder MUSCHIK, I.; KÖHNEMANN, B. & MICHLER, F.-U. (2011): Untersuchungen zur Entwicklung des Raum- und Sozialverhaltens von Waschbär-Mutterfamilien (Procyon lotor L.) und dessen jagdrechtliche Relevanz. - Beitr. Jagd- u. Wildforsch. 36: 573-585) haben nun gezeigt, dass Waschbär-Mutterfamilien ein hochkomplexes Sozialsystem besitzen und dass die Jungtiere im Vergleich zu anderen Raubsäugern sehr lange auf das Muttertier angewiesen sind (MUSCHIK et al. 2011). So fangen Waschbärenjunge erst mit Verlassen der Wurfplätze bzw. Folgekinderstuben in einem Alter von sieben bis elf Wochen damit an feste Nahrung zu sich zu nehmen und geeignete Nahrungshabitate sowie sichere Schlafplätze kennenzulernen. Zum normativ festgesetzten Ende des Elterntierschutzes (15. Juni) befindet sich das Gros der Jungtiere noch in den Wurfplätzen oder Folgekinderstuben und ist physisch von den Muttertieren abhängig – deutlich wird dies auch an der überdurchschnittlich langen Laktationsphase bis in den vierten Lebensmonat hinein.

Die lang anhaltenden, außergewöhnlich starken sozialen Bindungen innerhalb von Waschbär-Mutterfamilien reichen bis mindestens zur 18. Lebenswoche und sind die Grundlage für einen umfangreichen Lernprozess der Jungtiere. Diese Strategie unterscheidet sich grundsätzlich von anderen, mittelgroßen Raubsäugern (z.B. Fuchs & Marderhund), die ein deutlich höheres Reproduktionspotential besitzen und eine viel frühere Familienauflösung zeigen (r-Strategen). Waschbären hingegen gebären deutlich weniger Jungtiere (im Mittel 2-4), die aber aufgrund wesentlich längerer sozialer Bindungen höhere Überlebenschancen haben (K-Strategen).

Die aktuellen Erkenntnisse zur Sozioethologie der Waschbär-Mutterfamilien machen deutlich, dass die Muttertiere bis zur beginnenden Familienauflösung im Herbst des Geburtsjahres eine ausnehmend enge soziale Bindung zu ihren Jungtieren haben und der Nachwuchs ohne das Muttertier erst relativ spät in der Lage ist ohne erhebliche Beeinträchtigung der Gesundheit zu überleben. Bei den ermittelten Geburtsterminen in Mitteleuropa bedeutet dies ab ca. Ende August.

Die Bejagung auf geschlechtsreife Waschbären kann unter Beachtung des § 22 BJagdG also nicht vor Ende August beginnen und sollte Ende Februar vor dem Beginn der Reproduktionszeit enden.

Obwohl sich die männlichen Waschbären nicht an der Aufzucht beteiligen, sollte die Schonzeit für beide Geschlechter gelten, da es keine Merkmale gibt, mit denen Rüden und Fähen aus der Ferne unterschieden werden können. Bei einer Bejagung von Waschbären außerhalb dieser Zeit werden zwangsläufig auch die für die Aufzucht der Jungtiere notwendigen Muttertiere erlegt. Nach § 38 BJagdG wird dies als Straftat eingestuft und mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet. Über den Straftatbestand hinaus liegt des Weiteren ein Verstoß gegen die Grundsätze deutscher Weidgerechtigkeit vor, so dass eine Jagdscheinentziehung in Betracht kommt (§ 17 Abs. 2 Nr. 4 BJagdG).

Aufgrund der aktuellen Forschungsergebnisse wird empfohlen, für Waschbären eine einheitliche Schonzeit vom 1. März bis 31. August eines Jahres festzulegen.

Drei junge Waschbären in einer Baumhöhle

Wir fordern wenigstens eine Schonzeit vom 1. März bis zum 31. August.

Bild: Heiko Anders

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