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Lovis Kauertz

Artenschutz und Jagdrecht müssen getrennt werden

Immer mehr Tierarten werden in das Jagdrecht übernommen. Inzwischen sind es über einhundert Spezies, die dem Jagdrecht unterliegen. Ob es um die Aufnahme des Wolfes oder des Goldschakals in das Jagdrecht geht oder um invasive Arten von unionsweiter Bedeutung – Artenschutz und Tierschutz werden dadurch in zum Teil erheblichem Umfang gezielt aufgeweicht.


Ein Nutzen zugunsten der dem Jagdrecht unterstehenden Tierarten darf in den meisten Fällen bezweifelt werden. Hegemaßnahmen betreffen in aller Regel nur ganz wenige jagdbare Arten wie das Reh- und Rotwild (Hirsche), Fasanen und Rebhühner. Wildtierschutz Deutschland, Bund gegen Missbrauch der Tiere (BMT), Deutscher Tierschutzbund und die DJGT, Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht fordern deshalb in einem offenen Brief die Bundesumweltministerin Svenja Schulze auf, sich dafür einzusetzen, Artenschutz und Jagdrecht klar zu trennen:

Sehr geehrte Frau Bundesministerin,


vor dem Hintergrund möglicher Wolfsrisse an Nutztieren wurde zur vermeintlichen Erhöhung der Rechtssicherheit für eine Entnahme von übergriffigen Wölfen und der Begrenzung von wirtschaftlichen Schäden das Bundesnaturschutzgesetz im März 2020 geändert. Die Tier- und Naturschutzverbände haben die konkrete Ausgestaltung der Novelle bereits damals als rechtlich kritisch angesehen, was sich nun mit dem laufenden EU-Pilotverfahren zu bestätigen scheint.


Grundsätzlich begrüßen wir jedoch die rechtliche und fachliche Klarstellung Ihres Hauses, dass eine Regulierung der Wolfsbestände vor dem Hintergrund des Schutzstatus des Wolfes und des nach wie vor bestehenden Gefährdungsstatus der deutschen Population weder möglich noch erforderlich ist.


Mit großer Sorge betrachten wir daher die aktuelle Initiative der Landesregierung Niedersachsen für den Wolf eine Schutzjagd nach französischem Modell einzuführen. Damit sollen die rechtlichen Möglichkeiten eröffnet werden, regelmäßig eine bestimmte Anzahl von Wölfen in Niedersachsen mit jagdlichen Mitteln zu töten.


Auch wenn in Deutschland die Bundesländer für das Wolfsmanagement zuständig sind, liegt die Gesetzgebungszuständigkeit für den Artenschutz nach dem Grundgesetz ausschließlich beim Bund.


Es ist daher höchste Zeit, den Initiativen einzelner Bundesländer hinsichtlich der gezielten Aufweichung des Artenschutzrechtes durch Änderungen des Jagdrechts auf Bundes- und Landesebene eine klare Absage zu erteilen. Diese orientieren sich zu häufig an den Partikularinteressen von Naturnutzern und gehen soweit, dass ein rechtlicher Vorrang der Regelungen des Bundesjagdgesetzes gegenüber denen des Bundesnaturschutzgesetzes konstruiert wird. Notwendig ist vielmehr eine konsequente Umsetzung der Ziele der FFH-Richtlinie und ein verlässlicher Schutz im Sinne des Tier- und des Artenschutzrechts.


Für den Wolf bedeutet das: Die Ergebnisse des Pilotverfahrens des EU-Umweltkommissars müssen unbedingt abgewartet werden. Artenschutz ist Bundeshoheit! Nutzen Sie die Zeit für die Umsetzung konsequenter Herdenschutzmaßnahmen und die Einführung eines bundesweiten, verlässlichen Monitorings.


Wir fordern eine klare Trennung zwischen Jagdrecht und Artenschutz. Denn das Jagdrecht ist eine sich aus dem Eigentumsrecht ableitende subjektive Nutzungsform, die weitgehend in der Freizeit der Jäger ausgeübt wird, und kein fachlich begründetes Naturschutzinstrument. Die Regelungen des Jagdrechts müssen daher zumindest auf solche Tierarten beschränkt werden, für deren Bejagung es auch tatsächlich einen vernünftigen Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes gibt. Allen anderen Wildtierarten muss unter dem Dach des Bundesnaturschutzgesetzes der ihnen zustehende Schutz gewährt werden.


Mit freundlichen Grüßen


gez. Karsten Plücker, Bundesvorsitzender, BMT - Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V.

gez. Thomas Schröder, Präsident, DTSchB - Deutscher Tierschutzbund e.V.

gez. Christina Patt, Mitglied des Vorstands, DJGT - Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e.V.

gez. Lovis Kauertz, Vorsitzender, WTSD - Wildtierschutz Deutschland e.V.

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