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Der Igel im Herbst – zwischen Vorbereitung, Gefahren und Klimawandel

  • Susanne Schüßler, Netzwerk Igel e.V.
  • 21. Sept.
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 28. Okt.

Ein stacheliger Überlebenskünstler vor großen Herausforderungen

Hör doch mal rein | Der Herbst ist für den Igel die wichtigste Jahreszeit. In den Wochen, in denen die Tage kürzer werden und die Temperaturen sinken, muss er seine Fettreserven aufbauen, damit er den langen Winterschlaf übersteht. Nur wenn ein Jungigel bis Anfang November mindestens 500 Gramm erreicht, während ausgewachsene Tiere um die 1.000 Gramm wiegen sollten, hat er eine realistische Chance, die kalten Monate zu überstehen.


Doch immer mehr Igeln gelingt das nicht. Der Rückgang der Insektenvielfalt hat dafür gesorgt, dass das Nahrungsangebot für sie vielerorts stark eingeschränkt ist. Ursache sind nicht nur Landwirtschaft, Pestizide, Versiegelung und Klimawandel, sondern auch private Gärten, die nicht naturnah gestaltet werden und in denen geeignete Pflanzen, Unterschlupfmöglichkeiten oder Insekten kaum vorhanden sind.


Igel im Herbst
Igel im Herbst | Bild: AdobeStock_668141360 Susanne Schüßler

Klimawandel verändert den Jahresrhythmus der Igel

Hinzu kommen die milden Winter. Immer häufiger gehen Igel zu spät in den Winterschlaf oder sie wachen zwischendurch auf, weil die Temperaturen zu hoch sind. Jede Aktivität verbraucht Fettreserven, die im Winter nicht ersetzt werden können. Für Tiere, die ohnehin zu wenig Gewicht haben, bedeutet dies oft den Tod.


Die Situation ist so ernst, dass die Weltnaturschutzunion IUCN den West-Europäischen Braunbrustigel 2024 erstmals auf die Rote Liste gesetzt hat. Er gilt nun als „potenziell gefährdet“. Das ist ein deutliches Warnsignal, denn die Bestände sind in manchen Regionen Europas in den letzten zehn Jahren um bis zu fünfzig Prozent eingebrochen.


Unterschiedliche Meinungen rund um den Igel

Rund um die Frage, wie der Igel zu schützen ist, gibt es seit jeher unterschiedliche Meinungen, nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch unter Fachleuten und in Igelstationen. Soll man Wildtiere überhaupt zufüttern, soll man ihnen ganzjährig Futter zur Verfügung stellen? Ab wann ist es gerechtfertigt, einen Igel aus der Natur zu entnehmen, um ihn zu pflegen? Was ist mit Tieren, die eine Behinderung haben, können sie in der Natur überleben oder sollte man sie euthanasieren?


Selbst die Folgen des Insektensterbens werden nicht immer einheitlich betrachtet. Manche sehen das Problem isoliert bei den Insekten, andere betonen, dass auch Bodentiere betroffen sind und damit die Nahrungsgrundlage des Igels insgesamt schwindet. Ein weiteres Thema: Igel gelten als Tiere, die es sich leicht machen, wenn sie die Möglichkeit dazu haben. An einer Futterstelle bedienen sie sich oft lieber, als dass sie mühsam Insekten suchen. Folglich sammeln sich an solchen Stellen schnell viele Igel und dort kann es dann zu Stress oder zu Erkrankungen kommen.


Igel: Beobachten, verstehen, handeln

Die wichtigste Grundlage bleibt, dem Igel einen naturnahen Lebensraum zu schaffen. Futterpflanzen, die Insekten, Käfer und andere anziehen, und damit für ein natürlich gedecktes Buffet sorgen, sind überlebenswichtig für den Igel.


Das zweite Prinzip lautet: beobachten. Da Igel dämmerungs- und nachtaktiv sind, bekommt man sie selten direkt zu Gesicht. Hier helfen Wildtierkameras, die inzwischen für kleines Geld erhältlich sind. Sie zeigen, ob ein Tier regelmäßig erscheint, ob es gesund wirkt oder ob es zu leicht ist.


Entdeckt man im Spätherbst ein Jungtier, das noch nicht schwer genug scheint, kann eine Futterstelle eine sinnvolle Unterstützung sein. Zum Zufüttern eignet sich Katzenfutter (nass oder trocken, ohne Soße oder Gelee), ungewürztes Rührei oder gekochtes Ei. Trockenes Futter sollte man mit etwas Wasser anfeuchten, damit die Tiere es leichter aufnehmen können. Milch ist ungeeignet, da Igel sie nicht vertragen. Wichtig ist immer eine flache Schale mit frischem Wasser bereitzustellen, da Igel besonders im Herbst und bei Trockenheit viel Flüssigkeit brauchen.

 

Gartenarbeit im Herbst: Gefahren für den Igel und Tipps

Nicht nur Nahrungsknappheit, auch der Mensch selbst kann dem Igel gefährlich werden. Besonders riskant sind Mähroboter, Laubsauger, Laubbläser. aber auch Freischneider und Harken. Diese Geräte verursachen oft schwere Verletzungen. Hinzu kommt, dass viele Menschen im Herbst ihre Gärten gründlich „aufräumen“. Was für den Menschen ordentlich aussieht, bedeutet für den Igel und viele andere Wildtiere den Verlust von lebenswichtigen Verstecken. Laub- und Reisighaufen sind natürliche Winterquartiere, die dringend gebraucht werden. Wer sie entfernt, nimmt dem Igel die Chance, sicher in den Winterschlaf zu gehen.


Schnecken im Herbst – kein Fall für Gift

Gerade im Herbst sind viele Schnecken aktiv. Immer noch greifen viele Menschen zu Schneckenkorn, doch das ist fatal. Es ist nicht nur für den Igel gefährlich, sondern auch für viele andere Wildtiere und sogar für den Menschen selbst. Schnecken gehören in ein ökologisches Gleichgewicht und haben ebenfalls ihren Platz. Statt sie zu bekämpfen, sollten sie, wenn nötig, an Orte gebracht werden, wo sie sein dürfen. Viele Tiere, von Kröten bis Vögeln, fressen Schnecken. Der Igel greift nur im Notfall darauf zurück, wenn er nichts anderes findet, seine Leibspeise sind sie nicht.


Kleine Maßnahmen, große Wirkung

Zum Glück kann jeder helfen. Wer Laub und Reisig liegen lässt, auf Laubbläser verzichtet, offene Durchgänge zwischen Gärten schafft oder schützende Unterschlüpfe anbietet, leistet bereits viel. Es muss nicht unbedingt ein teuer gekauftes Igelhaus sein, es gibt sehr viele Möglichkeiten: alte Paletten, Ziegelsteine, Reisighaufen, Totholzecken, Tontöpfe, alles geschützt und wintertauglich anbieten. Und wer unsicher ist, ob ein Igel Hilfe braucht, sollte fachkundigen Rat bei einer Igelstation einholen.


Igel sind Botschafter für Artenvielfalt

Der Igel ist mehr als nur ein Sympathieträger. Er steht stellvertretend für den Rückgang von Lebensräumen und für die Folgen des Klimawandels. Sein Rückgang zeigt, wie wichtig es ist, dass Lebensräume für Wildtiere erhalten bleiben.

Jeder, der im Herbst Laubhaufen liegen lässt oder Kinder für die Natur begeistert, trägt dazu bei, dass der Igel eine Zukunft hat.

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Mehr Informationen über Igel finden Sie hier: Netzwerk Igel Wuppertal

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