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Wiesenvogelschutz braucht Lebensraum verbessernde Maßnahmen – keine Jagd

  • Karin Oswald
  • vor 22 Stunden
  • 3 Min. Lesezeit

Vorbemerkung: „Passives Prädatorenmanagement“ beinhaltet Methoden der Prädatorenabwehr, ohne den Prädatoren (z.B. Füchsen) nachzustellen. „Aktives Prädatorenmanagement“ bedeutet hingegen die gezielte Tötung von Beutegreifern (z.B. Füchsen) mit dem Ziel ihrer Bestandreduktion.


Im letzten Beitrag zum Wiesenvogelschutz konnten wir zeigen, dass eine echte und abgestimmte Zusammenarbeit zwischen Behörden und Jägerschaft in der Regel nicht stattfindet, dass viele Naturschutzbehörden aber trotz fehlender Datenlage einem aktiven Prädatorenmanagement erstaunlich unkritisch gegenüberstehen und die Jäger bei der Anschaffung von Fallen gerne finanziell unterstützen.


Doch wie sieht es nun mit der Zusammenarbeit zwischen Jägern und Artenschützern aus? Stimmt man hier die Maßnahmen miteinander ab? Welchen Anteil hat das Prädatorenmanagement durch die Jägerschaft nach Einschätzung der Fachleute vor Ort am Bruterfolg der Vögel?


Kleinere Wiesenbrüterschutzgebiete werden oft von einer Handvoll Ehrenamtlicher betreut, Berührungspunkte zur örtlichen Jägerschaft gibt es kaum, eine Abstimmung der Maßnahmen fand in keinem einzigen der von uns angefragten Gebiete statt. In der Regel sah man sich außerstande, eine Einschätzung zur Sinnhaftigkeit eines aktiven Prädatorenmanagements zu geben und verwies uns diesbezüglich an die zuständige Naturschutzbehörde oder die örtliche Jägervereinigung.


In größeren, von entsprechenden Fachleuten geführten Wiesenbrüterschutzgebieten wurde man deutlicher. Man setzt auf passives Prädationsmanagement und Lebensraumgestaltung, eine Zusammenarbeit mit den Jägern findet in aller Regel nicht statt:


Wiesenweihen-Schutzgebiet in Brandenburg: Fuchsjagd kontraproduktiv

Aus einem Wiesenweihen-Schutzgebiet in Brandenburg kam folgende Einschätzung: „Bitte unterscheiden zwischen Prädationsmanagement und Prädatorenmanagement. Prädatoren zu bekämpfen, bringt trotz hohem Aufwand meist nichts. Außer vielleicht bei Insellagen. Allgemeine Prädatorenjagd wie beim Fuchs erhöht die Reproduktion und ist kontraproduktiv…“


Wiesenpieper sind stark gefährdet. Die intensive Grünlandnutzung beraubt sie ihrer Brutplätze | Bild: Stephan Sprinz
Wiesenpieper sind stark gefährdet. Die intensive Grünlandnutzung beraubt sie ihrer Brutplätze | Bild: Stephan Sprinz

Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Bodensee: Elektrozaun schützt Wiesenbrüter

Die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Bodensee teilt uns zum Wiesenbrüterschutz im Kreis Konstanz folgendes mit: „Prädationsmanagement findet insofern statt, dass in zwei von vier Haupt-Brutgebieten im Landkreis ein Elektrozaun zum Schutz vor dem Fuchs um den Brutbereich angebracht wurde. Wir begleiten die Projekte mit einem Monitoring, so dass wir einschätzen können, wie der Schlupf- und der Bruterfolg ist.“  Zugleich bestätigt man uns, dass keine Zusammenarbeit mit den Jägern stattfindet, man keine Kenntnis darüber hat, wie viele Beutegreifer im betreuten Gebiet getötet werden und welchen Einfluss das möglicherweise auf den Bruterfolg hat.


Berlin-Brandenburgischer Ornithologen beim NABU: Absprache mit Landwirten 

Die Arbeitsgemeinschaft Berlin-Brandenburgischer Ornithologen beim NABU äußert sich so: „Es spielt dabei das Aufsuchen der Gelege und deren Markierung sowie nachfolgende Absprachen mit Landwirten eine zentrale Rolle. Daneben werden Flächen mit besonderen Brutkonzentrationen mit einem mobilen Prädatorenschutzzaun abgezäunt. Mit Solarpumpen werden Feuchtflächen vor Austrocknung bewahrt…. Eine spezifische Bejagung erfolgt hier nicht.“


Stiftung NordWest Natur: Lebensraumverbesserung statt Prädatorenmanagement

Auch die Stiftung NordWest Natur, welche unter anderem das Naturschutzgebiet Borgfelder Wümmewiesen (Bremen) betreut, setzt auf Lebensraumverbesserung durch ein gesteuertes Wassermanagement und steht einem aktiven Prädatorenmanagement kritisch gegenüber: „Ein auf die Belange des Vogelschutzes ausgelegtes Prädatorenmanagement gibt es nicht. Die Wiesenvogelbestände werden im Rahmen eines Monitorings genau erfasst. Über Zusammenhänge von Prädationsstrecken und Bruterfolgen kann in diesem Gebiet keine Aussage getroffen werden. Dafür müsste auch der Bestand an Prädatoren über ein Monitoring erhoben werden.“


BUND Sachsen-Anhalt: Nestschutz durch passive Maßnahmen

Eine Gebietsbetreuung des BUND in Sachsen-Anhalt teilt uns folgendes mit: „Wie sie richtig erkannt haben, wird das Nest durch passive Maßnahmen, durch Zäunung, vor Prädation geschützt.


Dies funktioniert sehr gut. Eine begleitende Bejagung findet nicht statt. Dies wäre auch schwierig umzusetzen, da die Brutvorkommen sich auf einen großen Raum verteilen und eine solche begleitende Jagd sehr aufwändig wäre.“


NABU Naturschutzzentrum Katinger Watt: Jägerin sieht Notwendigkeit der Prädatorenjagd

Im NABU Naturschutzzentrum Katinger Watt in Schleswig-Holstein schätzt man die Situation etwas anders ein. Dort heißt es: „Wir haben in den letzten Jahren schon die Erfahrung gemacht, dass diese gezielte Jagd zum Schlupf- und Bruterfolg beiträgt, auch wenn das oftmals nur schwer ganz exakt zu ermitteln ist, da die Flächen riesig sind und etliche weitere Faktoren in der Natur (Wetter, Mäusebestand, Prädation durch Vögel usw.) einen Einfluss haben. In den Schutzgebieten werden die Lebensräume vollständig für die Vögel entwickelt. Daher haben wir hier wesentlich höhere Dichten an Brütern als in der sogenannten „Normallandschaft“. Diese Bruten sind verstärkt durch Raubsäuger gefährdet, da in den Gebieten der Tisch für eben diese reich gedeckt ist. Die Prädation hat sich so in den letzten Jahren zum Hauptproblem beim Schutz von Wiesenbrütern entwickelt.“


Hier wird also die Notwendigkeit einer intensiven Prädatorenbejagung ausgerechnet mit dem Umstand begründet, dass durch lebensraumverbessernde Maßnahmen die Wiesenbrüterbestände gestiegen sind. Eine Auffassung, die sonst keine der angefragten Stellen vertreten hatte. Wir bohrten nach, doch es wurde sehr ausweichend geantwortet. Allerdings stellte sich im weiteren Verlauf heraus, dass unsere Ansprechpartnerin selbst Jägerin ist und einen Begehungsschein für eben dieses Wiesenbrüterschutzgebiet hat. Vor diesem Hintergrund überrascht die eigenwillige Einschätzung der Situation wenig.



Im nächsten Beitrag werden wir zeigen, wie die Umweltministerien der einzelnen Bundesländer als übergeordnete Behörden zum aktiven Prädatorenmanagement stehen.

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