Biber im Maisfeld – wie groß ist der Schaden wirklich?
- Dr. Martin Steverding
- vor 1 Tag
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Es ist laut an dem niederrheinischen Baggersee an diesem warmen Augustabend. Gruppen von Anglern sitzen am Ufer, reden und lachen. Wir warten zwischen See und Maisacker - nicht auf Fische, sondern auf Biber. Es ist schon dämmerig, als der erste auftaucht. Ganz unauffällig, nur der Kopf ist sichtbar, bewegt er sich parallel zum Ufer auf uns zu. Bald erscheinen weitere, verteilen sich entlang des Ufers, schwimmen auf und ab, prüfen die Situation. Familie Biber ist auf Patrouille, die Angler und wir sind unter ihrer Beobachtung.
Diese Biber sind an die Anwesenheit von Menschen gewöhnt, aber dennoch sind sie vorsichtig. Sie wissen, dass sie an Land schwerfällig und damit angreifbar und verletzlich sind. Vor dem Landgang wird die Situation deshalb aus dem sicheren Wasser eingehend geprüft. Nun ist es aber so weit: Einer nach dem anderen steigen sie aus dem See und watscheln zum Maisfeld, in typischem Bibertempo – langsam und gemächlich. Kurz sind kräftige Bisse zu hören, die Maispflanze fällt. Der Biber zieht sie aus dem Acker und legt sie ab, dreht sich um, geht wieder ins Feld und holt die zweite Pflanze. Er legt sie neben die erste, nimmt beide zugleich mit den Zähnen, zieht sie ins Wasser und lässt sich dort die Kolben schmecken.
Maisernte auf Biberart
Es herrscht nun reger Verkehr zwischen Wasser und Maisfeld, fünf Biber ernten, ziehen die Pflanzen zum See und knabbern. Das Geräusch der knuspernden Biber mischt sich mit dem leichten Plätschern der kleinen Wellen im abendlichen Wind. Mit der Wärmebildkamera lassen die Biber sich beim Festschmaus herrlich beobachten, zum Teil sind sie kaum 10 Meter von uns entfernt. Das Elternpaar und die drei Vorjährigen ernten, die beiden Kleinen von diesem Jahr warten im Wasser auf die Großen, um bei ihnen mitzufuttern. Auch ein oder zwei Nutrias fressen mit und werden von den Bibern in direkter Nähe geduldet.
Die zutrauliche Biberfamilie gewährt uns wunderbare Einblicke in ihr Familienleben. Das meiste spielt sich in Dämmerung und Dunkelheit ab, aber wir hatten einmal auch das Glück, die Bibermutter in gutem Tageslicht bei der Maisernte zu beobachten und zu filmen. Biber sind sehr soziale Familienwesen, die zumeist freundlich und oft verspielt miteinander interagieren. Sie dulden sogar die Nutrias zwischen sich und ihrem Nachwuchs.
Der landwirtschaftliche Schaden im Maisfeld ist gering
Wir haben uns das Maisfeld und das Seeufer bei Tageslicht angeschaut. Hunderte von Maispflanzen ohne Kolben treiben im ufernahen Wasser, Trampelpfade der Biber führen vom See ins Feld, die mit Teilen von Maispflanzen gesäumt sind. Wir sehen Kahlstellen im Maisfeld, der größte ist geschätzt 60 bis 80 Quadratmeter groß. Alle zusammen machen einige 100 Quadratmeter aus, eine genaue Schätzung ist aufgrund vieler sehr kleiner Kahlstellen schwierig. Die Biber entnehmen die Pflanzen komplett, sie beißen sie bodennah mit ihren messerscharfen Zähnen sauber ab und ziehen sie als Ganzes aus dem Feld. Sie fällen nur die Pflanzen, die sie auch verwerten: Kolben und zum Teil auch andere Pflanzenteile werden verspeist.
Eine sehr große Biberfamilie mit sieben Tieren und ein äußerst günstig gelegenes Maisfeld nah am Wasser in geringer Entfernung zum Bau – hier liegt der maximale durch Biberfraß denkbare Ernteschaden vor. Dennoch begrenzt sich dieser auf einen Verlust von wenigen 100 Quadratmetern. Die gesamte Parzelle ist rund 35.000 qm (3,5 ha) groß, so dass die Biber etwa ein bis maximal zwei Prozent des Feldes abernten. Der Fall zeigt, dass selbst die maximal denkbaren Fraßschäden durch Biber relativ gering ausfallen und dass die Schäden durch Biberfraß in der Landwirtschaft oftmals überschätzt werden.
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