Glücksmomente am Biberfluss: Vier kleine Biber in der Lippe
- Dr. Martin Steverding
- 4. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Dieser Platz gehört zu den magischen Orten, zu denen es mich immer wieder hinzieht. Ein kleiner Pfad endet am unbefestigten natürlichen Flussufer. Große Bäume säumen den rund 30 Meter breiten Wasserlauf an beiden Seiten, viele ihrer Äste hängen weit über das Wasser. Meistens dauert es keine fünf Minuten, bis sich der erste Eisvogel blicken lässt. Kaum zu glauben, dieser Ort liegt am Rand des Ruhrgebiets, Industrie und überfüllte Straßen sind nur einen Katzensprung entfernt.
Nur wer ganz genau hinschaut, bemerkt die Anwesenheit der Biber. Ein paar Trampelpfade der großen Nager führen vom Wasser die Böschung hinauf zur artenreichen Ufervegetation – Familie Bibers Salatbuffet. Hier und da sieht man einen angenagten Baumstamm. Die Baue der Biber aber sind nicht zu sehen, sie liegen in der hohen und steilen Uferböschung, die Eingänge befinden sich unter Wasser.
Im Gegensatz zum Vorjahr sind die Bibereltern in diesem Jahr sehr scheu und schwer zu beobachten. Warum sie sich so deutlich anders verhalten, ist mir nicht bekannt. Vielleicht ist eines der beiden Tiere nicht dasselbe wie im Vorjahr. Biber individuell zu unterscheiden, ist sehr schwierig. Immerhin war es mir gelungen, mindestens ein diesjähriges Jungtier kurz zu beobachten und ein wackeliges Video zu machen.
Vor wenigen Tagen dann gab es die große Überraschung: Bei herrlichem Sommerwetter pirschte ich in Ultrazeitlupe zu meinen Abendansitz und positionierte mich gut versteckt. Ein kleines Stück flussaufwärts war ein sehr großer Ast einer Pappel frisch abgebrochen und in den Fluss gestürzt. Biberbuffet vom Feinsten, die abgeschälte Rinde fiel mir sofort ins Auge. Kaum saß ich, da sah ich Bewegungen zwischen dem im Wasser liegenden Geäst und innerhalb kurzer Zeit entstand ein einziges Gewusel. Vier junge Biber fraßen, spielten, schwammen und lieferten sich kleine Verfolgungsjagden durch das Wasser. Es war eine Freude, die vergnügt wirkende Bande in Licht der Abendsonne zu beobachten. Immer wieder tauchten sie unter, kamen mit grün belaubten Zweigen hoch und schleppten sie Richtung Ufer, wo sie dann wieder abtauchten und verschwunden waren.
Offensichtlich hatte Familie Biber hier einen weiteren Bau in der Uferböschung, den die Jungen als ruhigen und sicheren Fressplatz nutzten. Das lebhafte Treiben war noch in vollem Gang, als ich mich in der Dämmerung vorsichtig zurückzog. Besonders lustig waren einige Kletterversuche an den Pappelästen, um höher über dem Wasser an die Rinde zu gelangen. Sie endeten alle mit einem Plumps in den Fluss.
Vier Junge sind zwar noch kein außergewöhnlicher, aber schon ein ziemlich großer Wurf. Meistens werden ein bis vier, sehr selten bis sechs Junge geboren. Durchschnittlich gebären Europäische Biber 2,7 bis 2,9 Junge pro Wurf (Zahner et al. 2021). Die Lippe ist von Bibern inzwischen weitgehend besiedelt. Das Vorkommen ist mit den Beständen am Niederrhein verbunden, neben der Eifel einer der beiden Verbreitungsschwerpunkte in Nordrhein-Westfalen. Ob der Biber sich weiter in NRW ausbreiten kann, oder ob die vielerorts eingesetzten Totschlagfallen gegen Nutria und Bisam seine Ausbreitung bremsen oder gar lokal stoppen, kann derzeit nicht eingeschätzt werden. In den bereits von Bibern besiedelten Gewässern werden die sogenannten Leprich-Fallen nicht eingesetzt, aber außerhalb der aktuellen Bibervorkommen scheint der rechtlich fragwürdige Einsatz der offen und unverblendet im Wasser aufgestellten Totschlagfallen in NRW weit verbreitet zu sein.
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Quelle:
Zahner, V., M. Schmidbauer, G. Schwab & C. Angst (2021): Der Biber. Baumeister mit Biss.
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