Hubertusmesse: Mit Gottes Segen Wild erlegen?
- Dr. Antje Oldenburg
- vor 16 Minuten
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Südwestlich von Ahlden (im Heidekreis in Niedersachsen) erstreckt sich die Schotenheide, ein weitläufiges, unzerschnittenes Waldgebiet, in dem das Naturschutzgebiet „Moor in der Schotenheide“ und das Naturdenkmal „Schwedenschanze“ als besonders schützenswerte Einsprengsel liegen. Prägten früher ausgedehnte Heideflächen das Landschaftsbild, so wechseln sich heute kleine strukturreiche Mischwälder mit monotonen Kiefernforsten ab, an die im Osten die Grethemer und die Büchtener Heide und im Westen der Frankenfelder und der Bosser Bruch anschließen. Am Südrand dieses ausgedehnten Waldgebietes verläuft ein mit Gras bewachsener Waldweg, von dem man einen weiten Blick über die angrenzenden Felder hat.
Im Spätherbst zeichnen sich in der Ferne rötliche leuchtende Heidelbeerbüsche ab, die niedrig stehende Sonne taucht Ahornbäume und Lärchen in goldenes Licht und über meinem Lieblingsplatz, einem Borstgrasrasen, ziehen mehrere Bussarde und Rotmilane ihre Kreise. Am hinteren Ende des gesetzlich geschützten Biotopes hüpfen zwischen dem namensgebenden Borstgras und verschiedenen Seggen-, Binsen- und Simsenarten Kolkraben herum, streiten sich in der Nähe einer erhöhten Salzlecke mit tiefen „kroak“ und „korrp“-Rufen um ihre Beute.

Beim Näherkommen steigt uns Verwesungsgeruch in die Nase, die schwarzen Gesellen ziehen sich krächzend auf ein Stoppelfeld zurück und vor uns liegen die Zeugnisse waidmännischen Wochenendvergnügens: Die blutigen Schlachtabfälle eines jungen Damhirsches – abgetrennter Kopf, Fellstücke, Knochen, Pansen – und zwei Füchse, denen wohl der Mäusereichtum der extensiv bewirtschafteten Fläche zum Verhängnis wurde.
Ist zwischen den Spießen des Dambockes ein Kreuz erstrahlt, ist dem Jäger, als er den zum Mäusesprung ansetzenden Fuchs ins Visier seiner Präzisionswaffe nahm, die Frage „Hubertus, warum tötest Du mich?“ durch den Kopf gegangen? Hatte er am Sonnabend andächtig in der jagdlich geschmückten St.Johannis Der Täufer Kirche in Ahlden gesessen, den liturgischen Klängen der Parforcehornbläsern gelauscht und den Segen der Pfarrerin entgegen genommen, während vor dem Altarraum ausgestopfte Dachse, Marder, Füchse und Fasane – dekorativ auf Tannengrün und buntem Herbstlaub platziert – ins Leere starrten? Vielleicht hatte man aber auch gänzlich auf die Zurschaustellung von Tierpräparaten, Geweihen, Fellen und anderen Jagdtrophäen verzichtet, gilt es doch, das sorgsam gehegte und gepflegte Bild vom naturverbundenen Grünrock aufrechtzuerhalten, der sich mit Herz und Seele der Bewahrung der Schöpfung verschrieben hat.
Einschlägige Jagdforen und soziale Medien zeichnen indes ein völlig anderes Bild jagdlicher Realität: Da berichtet ein Jäger von der frühmorgendlichen Begegnung mit einem verträumten Dachs, den er in einer Entfernung von wenigen Metern mit einer Ladung Blei erschießt. Als Reaktion auf den – mit einem Foto der entstellten Dachsleiche garnierten – Post bekommt der wackere Waidmann prompt eine Fülle von Gratulationen aus dem Aus- und Inland, in denen er wie ein Held gefeiert wird.
Ein anderer Jäger prahlt mit dem gewaltsamen Tod einer Hauskatze und kommentiert das seinen Jagderfolg dokumentierende Foto mit dem Satz: „Ratzfatz, weg ist die Katz“. Eine Jägerin schildert auf ihrer Facebook-Seite stolz, wie sie zum ersten Mal ihre Tochter zur Ansichtsjagd mitnimmt und die Minderjährige über Leben und Tod eines auf der Lichtung mausenden Fuchses entscheiden lässt. Er starb einen ebenso willkürlichen und sinnlosen Tod wie seine beiden Artgenossen, die zu Ehren des Heiligen Hubertus achtlos auf dem Luderplatz entsorgt wurden.
Den wohl bislang unrühmlichsten Kulminationspunkt des Gemetzels in der vielbeschworenen Kinderstube des Wildes belegt ein Foto, das vor Jahren sowohl in Tierschutz- als auch in Jägerkreisen herumgereicht wurde. Es zeigt zwei weitentwickelte Rehföten, die neben dem abgeschnittenen Kopf und den Gedärmen ihrer Mutter in einer Blutlache liegen. Was solche Gräueltaten mit Ehrfurcht, Achtung und Wertschätzung zu tun haben, erschließt sich mir nicht.
Doch sind es längst nicht allein Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen, die die ethischen, moralischen und ökologischen Grundsätze der Jagd hinterfragen und die unheilige Allianz von Kirche und Jagd kritisieren. So hat sich die „Aktion Kirche und Tiere“, ein Netzwerk verschiedener kirchlicher und nicht-kirchlicher Initiativen, die an die geistig-religiösen Traditionen von Franziskus von Assisi und Albert Schweitzer anknüpfen, bereits 1996 eindeutig gegen das Abhalten von Hubertusmessen positioniert. Denn das Narrativ von der waid- und tierschutzgerechten Jagd geht an der eigentlichen Aussage der Hubertussage, nämlich der Abkehr des reumütigen Jägers von der Jagd, vorbei.
Gottesdienste, die wie die Hubertusmessen den Menschen als „Krone der Schöpfung“ und die Beherrschung der Tiere feiern, sind in einer Zeit der zunehmenden ökologischen Krise und des Abschieds vom Anthropozentrismus fehl am Platz. Sie sind ein peinliches Zeichen dafür, dass Kirchenleute taub sind für das „Seufzen der Kreatur“. Es ist an der Zeit, unseren Umgang mit Gottes Geschöpfen gründlich zu überdenken und sich auf die frühchristlichen Gemeinden zu besinnen, in denen die Jagd als unvereinbar mit dem Glauben galt.








