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Wildtiere im Winter im eigenen Garten

  • Susanne Schüßler
  • vor 3 Stunden
  • 4 Min. Lesezeit

In vielen Gärten, die zunehmend als wichtige Lebensräume für zahlreiche Tierarten gelten, zeigt sich besonders im Winter, wie bedeutend naturnahe Strukturen für das ökologische Gleichgewicht sind. Wenn Begriffe wie Artenvielfalt, Lebensraumverlust, Winterruhe, Schutzräume und Biodiversität immer häufiger diskutiert werden, wird klar, dass selbst kleine Gärten entscheidende Rückzugsorte für Wildtiere darstellen, die auf natürliche Ressourcen angewiesen sind, die in unserer Kulturlandschaft immer seltener werden.


Nach dem Mauswiesel ist das Hermelin der zweitkleinste heimische Beutegreifer. Bild: Adobe Stock
Nach dem Mauswiesel ist das Hermelin der zweitkleinste heimische Beutegreifer. Bild: Adobe Stock

Warum unser Garten ein Zufluchtsort bleibt. Wenn die Tage kürzer werden und der Frost in den Boden kriecht, verändert sich unser Garten auf leise, aber bedeutsame Weise. Was für uns wie eine Zeit der Ruhe wirkt, ist für viele kleine Wildtiere eine Phase des Überlebens, die oft im Verborgenen stattfindet. Zwischen den Wurzeln alter Obstbäume, unter Hecken und in Laubhaufen leben unzählige Arten, die wir nur selten zu Gesicht bekommen, obwohl sie nur wenige Schritte von unserer Haustür entfernt ihren Alltag meistern.


Mäuse, Regenwürmer, Hummeln, Käfer, Salamander, Spinnen, Raupen, Igel, aber auch Eichhörnchen, Erdkröten, Blindschleichen, Tag- und Nachtfalter, Marienkäfer, Laufkäfer, Wildbienen, Amseln, Rotkehlchen, Zaunkönige, Gartenschläfer, Maulwürfe, Wiesel, Fledermäuse und zahlreiche andere kleine und größere Wildtiere, von denen manche sogar nachtaktiver sind als man denkt, nutzen unseren Garten als Rückzugsort, der ihnen Schutz bietet, wenn die Welt draußen kälter und unwirtlicher wird.


Obwohl Wildtiere seit Jahrtausenden hervorragend an die Winterzeit angepasst sind und natürliche Strategien besitzen, um mit Kälte und Nahrungsmangel umzugehen, geraten viele von ihnen zunehmend unter Druck, weil wir ihnen in unseren Siedlungen immer mehr Lebensräume nehmen. Gerade im Herbst und Winter wird sichtbar, wie sehr diese Tiere auf Strukturen angewiesen sind, die wir oft als „unordentlich“ empfinden und sogleich entfernen. Blätter, die sich am Boden sammeln, bilden eine isolierende Schicht, die Kälte abhält und gleichzeitig Nahrung und Versteck bietet. Abgestorbene Blüten und Pflanzen, deren Samen dienen immer noch als Futterquelle, doch wir schneiden sie im Herbst ab. Selbst der kleinste Haufen aus Moos oder Laub kann zum Zufluchtsort werden, der über Leben und Tod entscheidet. Nistkästen auch als Schutz im Winter, Igeltunnel, Fledermauskästen, Gartenschläfer-Häuschen oder Wieselkasten können die kalte Zeit im Winter unterstützen.


Unser Garten bleibt auch im Winter ein lebendiger Kreislauf, der sich selbst erhält, wenn wir ihm nur die Chance dazu geben. In Zeiten, in denen Lebensräume außerhalb unserer Siedlungen schwinden und Flächen versiegelt werden, tragen Gärten eine Bedeutung, die weit über ihre Grenzen hinausreicht. Die Tiere, die dort wohnen, stellen Fragen, die uns Menschen oft erst bewusstwerden, wenn wir genauer hinsehen und hinhören. Welche Rechte sprechen wir ihnen zu, und welche nehmen wir uns heraus? Haben wir das Recht, ihnen Regeln aufzuerlegen, ihre Lebensräume einzuschränken oder ihr Überleben bewusst oder unbewusst zu beeinflussen? Die oft wiederholte Aussage, Tiere hätten keine Stimme, stimmt nur auf den ersten Blick, denn die meisten von uns haben lediglich verlernt, ihre Sprache wahrzunehmen. Ein Rascheln im Laub, ein leises Piepen, ein kaum sichtbares Zittern in einem Schlafnest, all diese Zeichen sind Stimmen, die von Bedürfnissen erzählen, die ebenso echt sind wie unsere eigenen. 


Wenn wir Tieren im Winter helfen, indem wir Laub liegen lassen, oder sogar in unseren Garten holen, weil es an Ort und Stelle nicht genügend gibt, Futter und Wasser bereitstellen oder Unterschlupfmöglichkeiten schaffen, stehen wir unweigerlich vor einer moralischen Frage. Unterstützen wir die Natur oder greifen wir in sie ein? Nehmen wir der natürlichen Selektion ihren Lauf, oder geben wir jenen eine Chance, die ohne unseren Einfluss vielleicht nicht überleben würden? 


Manche argumentieren, dass nur gefährdete Arten gefördert werden sollten, während andere die Meinung vertreten, jede Art sei wertvoll, ganz unabhängig von ihrer Anzahl. Was würde wohl eine Blaumeise antworten, wenn man sie fragte, warum sie am Futterhaus sitzt, obwohl ihre Population stabil ist? Vielleicht würde sie sagen, dass jedes Leben zählt, nicht weil es selten ist, sondern weil es existiert. Vielleicht würde sie daran erinnern, dass auch häufige Arten nur so lange häufig bleiben, wie ihre Lebensräume intakt sind. 


In einer Welt voller Meinungen, Regeln und Paragrafen bleibt oft etwas auf der Strecke, dass wir eigentlich intuitiv in uns tragen müssten: die Bereitschaft, Mitgeschöpflichkeit zu spüren.

Es geht nicht darum, die Natur zu kontrollieren oder zu verzerren, sondern darum, ihr Raum zu geben, damit sie ihren eigenen Rhythmus bewahren kann.


Der Winter ist kein Feind der Wildtiere, sondern ein Teil ihres Jahreskreislaufs, und unser Garten ist ein Ort, der ihnen helfen kann, diese Zeit zu überstehen, wenn wir ihn nicht zu sehr zähmen. 


Am Ende ist es ein stiller Dialog zwischen uns und den Tieren, der in jedem Garten geführt wird. Ein Dialog, der ohne Worte auskommt und dessen Inhalt sich in kleinen Gesten zeigt. Ein Laubhaufen, der nicht beseitigt wird, weil jemand weiß, dass darunter ein Igel schläft. Eine Futterstelle, die nicht für große Dramen sorgt, aber vielen Vögeln durch die kälteste Zeit hilft. 


Ein Garten, der im Winter nicht tot, sondern voller Leben ist, das nur leiser geworden ist. Vielleicht ist es genau das, was uns der Winter lehren möchte, dass wir Verantwortung tragen, auch wenn sie unsichtbar ist, und dass jeder von uns ein Stück Wildnis bewahren kann, selbst wenn sie nur so groß ist wie ein Hinterhof.


 Und vielleicht merken wir dabei, dass wir nicht nur die Tiere schützen, sondern auch etwas in uns selbst, dass wir manchmal vergessen – die Fähigkeit zur Rücksicht, zur Achtsamkeit und zur Verbundenheit mit der Welt, die uns umgibt.

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