Hören - Erinnern Sie sich? Seit Mitte 2021 umschließt ein für Wildtiere kaum überwindbarer Drahtgeflechtzaun die Überflutungspolder eines der bedeutendsten Auen-Nationalparks Europas. Etliche Tiere sind während des künstlich herbeigeführten Hochwassers 2021/22 im Nationalpark Unteres Odertal im Landkreis Uckermark (Brandenburg) ertrunken oder im Zaun verendet. Zeugen sagen aus, dass das auch aktuell noch der Fall ist. Bei Hochwasser haben Rehe, Hirsche, Feldhasen und viele streng geschützte Tiere kaum eine Möglichkeit zu entkommen - sie ertrinken oder sterben an Erschöpfung. Der Zaun verhindert auch den Wechsel zwischen den jahreszeitlich unterschiedlichen Lebensräumen.
Tiere im Nationalpark Unteres Odertal auf der Flucht vor dem Hochwasser. Video: Marko Bolz
Seit nunmehr zwei Jahren klagen wir mit Hilfe von Naturschutzorganisationen, die in Brandenburg nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannt sind, vor den Gerichten in Potsdam und Berlin-Brandenburg gegen den Landkreis Uckermark. Doch die Gerichte nehmen sich viel Zeit, um dann juristisch nicht nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen.
Hier eine kurze Chronologie:
Dezember 2021: Erste Tiere ertrinken im Nationalpark oder verletzen sich tödlich beim Versuch, Zäune zu überwinden. Eine Bürgerinitiative lanciert eine Petition und rüttelt in den folgenden Wochen die Öffentlichkeit auf.
Januar 2022 Beschwerde bei der EU-Kommission, Ergebnis: Wir mögen zunächst den Rechtsweg gehen.
Februar 2022 Einleitung eines behördlichen Verfahrens gegen den Landkreis Uckermark. Schnell zeigt sich, dass die zuständige Landrätin nicht willig ist, die Zäune wenigstens zu versetzen.
Es folgt der Antrag auf einstweilige Verfügung (Eilverfahren) beim Verwaltungsgericht Potsdam, den Zaun auf der Westseite des Nationalparks und Natura 2000-Gebiets abzubauen. Auf den öffentlichen Druck hin verkündet das brandenburgische Ministerium für Gesundheit und Verbraucherschutz am 17. Februar zumindest die Verlegung eines Teils des westlichen Zaunes zu planen.
Juni 2022 Schon mehr als drei Monate sitzt das Verwaltungsgericht eine Entscheidung im Eilverfahren gegen den Bau von Wildschweinzäunen im Natura 2000- und Vogelschutzgebiet Nationalpark Unteres Odertal aus. Deshalb wurde am 21. Juni 2022 durch die Berliner Rechtsanwältin Eva Biré Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht Potsdam eingereicht, damit die Einleitung eines Hauptsacheverfahrens.
Oktober 2022 Es folgt eine Verzögerungsrüge: Das Eilverfahren wurde nach über sechs Monaten ohne erkennbaren Grund nicht zum Abschluss gebracht.
November 2022 Beschluss im Eilverfahren: Dem Antrag auf einstweilige Verfügung wird vom Verwaltungsgericht Potsdam nicht stattgegeben.
Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Darin heißt es: „Der Beschluss des VG Potsdam ist fehlerhaft. Das Verwaltungsgericht unterlässt in mehrfacher Hinsicht eine tatsächliche Auseinandersetzung mit dem Einzelfall und den Einwänden der Naturschutzorganisationen. Der Beschluss enthält nicht nur überwiegend allgemein gehaltene und floskelhafte Erwägungen, sondern ist im Übrigen an entscheidenden Stellen lückenhaft.“
Dezember 2023 (!) Die Beschwerde wird abgewiesen, der Streitwert auf 45.000 Euro festgesetzt. Die Begründung des Oberverwaltungsgerichts bestätigt unseren Eindruck, dass hier bewusst Zeit geschunden wurde, um die Entscheidung im Eilrechtsschutz leichter zu haben. Nachdem jetzt aber das Eilverfahren abgeschlossen ist, kann mit einem Fortgang im Hauptsacheverfahren gerechnet werden. Hier wird das Gericht es weniger einfach mit der Entscheidung haben. Für den Eilrechtsschutz war es ausreichend, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Obsiegens in der Hauptsache zu verneinen. Im Hauptsacheverfahren muss sich das Gericht dagegen dezidiert mit unseren Einwendungen auseinandersetzen und darf entscheidungserhebliche Rechtsfragen nicht wie das Beschwerdegericht offenlassen.
Wildtierschutz Deutschland betreibt die Verfahren mithilfe der in Brandenburg klagebefugten Naturschutzorganisationen Freier Wald, Waldkleeblatt – Natürlich Zauche und BUND Brandenburg und wird dabei durch die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht (DJGT) unterstützt.
Bitte unterstützen Sie uns: Wildtieren helfen und Artenvielfalt im Nationalpark erhalten
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