Scheitern eines Großprojekts zum Wiesenbrüterschutz im Fränkischen Seenland
- Karin Oswald
- 18. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 28. Okt.
Hör doch mal rein | Am Beispiel des Landkreises Weißenburg-Gunzenhausen wird deutlich, wie Lobbyinteressen die Umsetzung selbst jahrelang geplanter Naturschutzprojekte im letzten Moment verhindern können und auf welcher dünnen Grundlage aktives Prädatorenmanagement durchgeführt wird.

Landrat bläst vier Millionen Euro für ein Wiesenbrüter-Großprojekt in den Wind
Ursprünglich war vorgesehen, dass der Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen an einem Natur-Großprojekt zum Schutz von Wiesenbrütern teilnimmt. Das Projekt war eigentlich in trockenen Tüchern, der Kreis hätte sich mit 45.000 Euro beteiligt und dafür eine Fördersumme in Höhe von vier Millionen Euro abrufen können. Doch plötzlich dämmerte es den betroffenen Landwirten und Jägern, dass es das Geld nicht umsonst geben würde. Der Landrat von Gunzenhausen, der selbst landwirtschaftliche Grundstücke im betreffenden Gebiet besitzt, fing an, massiv Stimmung gegen das Projekt zu machen, Landwirte und Jäger bliesen plötzlich in das gleiche Horn. Obwohl die Teilnahme am geplanten Projekt für die einzelnen Grundstückseigentümer und Jagdpächter freiwillig gewesen wäre, wuchs der Widerstand. Landrat Manuel Westphal äußerte sich kurz vor der Entscheidung gegen das Großprojekt dem BR gegenüber folgendermaßen: "Wie soll man so ein Großprojekt umsetzen, wenn direkt betroffene Landwirte, Fischer und Jäger Einwände haben?"
Letztlich stieg der Landkreis Gunzenhausen aus dem Projekt aus. Mit den frei gewordenen 45.000 Euro will man dennoch Maßnahmen zum Wiesenbrüterschutz vor Ort fördern.
Doch wer entscheidet nun, welche Maßnahmen zum Schutz der Wiesenbrüter umgesetzt werden sollen? Auf Anfrage teilt uns das Landratsamt Gunzenhausen mit, dass die Maßnahmen mit dem LBV (Landesbund für Vogelschutz Bayern), der Jägervereinigung Gunzenhausen, der Jägervereinigung Weißenburg, dem Bauernverband, dem Landschaftspflegeverband und den Kommunen abgesprochen werden. Wenn man sich diese illustre Runde anschaut, verwundert es nicht, dass die umgesetzten Maßnahmen nicht viel mehr sind als ein paar Schönheitskorrekturen hier und da: ein bisschen Wassermanagement, ein bisschen Lebensraumverbesserung, aber kein überzeugendes Gesamtkonzept.
Finanzierung von Fuchsfallen statt effektivem Wiesenvogelschutz
In einem Punkt aber sind sich alle einig: Zu retten sind die Wiesenbrüter nur durch eine intensive Bejagung von Fuchs und Co. Mit einem Teil der frei gewordenen 45.000 Euro finanziert der Landkreis Gunzenhausen den Jägern mehrere Betonrohrfallen – Jäger, Lokalpolitiker und Vertreter des LBV treten gemeinsam vor die Presse und loben das von den Jägern durchgeführte Prädatorenmanagement in den höchsten Tönen. Der Gebietsbetreuer des LBV äußert sich den Nürnberger Nachrichten gegenüber folgendermaßen: „So können wir mit der Jagd auf der einen Seite und den weiteren Schutzbemühungen seitens des LBV auf der anderen Seite gemeinsam an besseren Voraussetzungen für das Heranwachsen von Jungtieren in unserer Heimat arbeiten.“
Landesbund für Vogelschutz Bayern (LBV) versucht sich herauszureden
Bezugnehmend auf diese Äußerung wandten wir uns an den LBV und fragten nach, wie sich das Töten von Fuchs und Co. auf den Bruterfolg der Bodenbrüter vor Ort auswirkt. Das erste Antwortschreiben war noch sehr neutral, man versuchte, uns mit den üblichen Narrativen ruhigzustellen (1): „Die Entscheidung zur gezielten Bejagung bestimmter Prädatoren erfolgt nicht willkürlich, sondern auf Basis wissenschaftlicher Studien und Erfahrungen aus vergleichbaren Projekten.“
Wir ließen nicht locker, wollten wissen, welche lebensraumverbessernden Maßnahmen vor Ort umgesetzt werden, fragten nochmal nach der Zahl der getöteten Beutegreifer und wollten wissen, wie ausgewertet wird, welchen Einfluss diese Maßnahme auf den Bruterfolg der Vögel hat. Darauf reagierte man schon etwas verschnupft und antwortete (2): „Gleichzeitig ist es selbstverständlich legitim, wenn jemand andere Prioritäten setzt und Generalisten wie den Fuchs über seltene Arten stellt – Naturschutz ist immer auch eine Frage der Werte und gesellschaftlichen Abwägungen.“
Unsere eigentliche Frage wurde wieder nicht beantwortet und so baten wir ein drittes Mal darum, uns die Zahl der getöteten Füchse und die daraus resultierenden Auswirkungen auf den Bruterfolg der Wiesenbrüter zu nennen. Die Antwort hat uns dann doch ziemlich überrascht (3): „Leider liegen uns in der Gebietsbetreuung keine Informationen zu den Jagdstrecken der Reviere vor. Die Jagd ist auch nicht explizit Teil eines Projekts, da die Entscheidung, wer, wo und wie viel jagt, in der Verantwortung der Jäger selbst liegt. Allerdings wird die Jagd durch die Gelder des Landkreises, insbesondere für den Fallenkauf, unterstützt.“
Da bleibt am Ende nicht viel übrig vom „zielgerichteten, nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerichteten Prädatorenmanagement“. Von der Unteren Naturschutzbehörde Gunzenhausen, der wir die gleichen Fragen gestellt haben, haben wir bis heute keine Antwort erhalten.
Ist Gunzenhausen ein Einzelfall? Leider nicht, wie weitere Beispiele zeigen werden.
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