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  • Dr. Martin Steverding

Smaragdeidechsen: Kleine grüne Drachen

Hören - Nach einem kräftigen Regenguss am Morgen reißt die Wolkendecke auf. Die Luft ist schon recht warm, dampfig und etwas schwül. Die Sonne trocknet und erwärmt den nassen Boden und lockt die leuchtend grünen Sonnenanbeter aus ihren Verstecken.

Westliche Smaragdeidechse Männchen
Das stattliche Männchen zeigt seine ganze Größe. Bild: Dr. Martin Steverding

Vier Jahre lang habe ich im Nahetal gewohnt und die einzigartige Vielfalt der dortigen Natur liebgewonnen. Am meisten zogen mich von Anfang an die heißen steilen Felshänge mit all ihren südlichen Bewohnern in ihren Bann, ganz besonders die Westliche Smaragdeidechse. Auch heute, zehn Jahre danach, lasse ich immer wieder gern die Agrarlandschaft meiner Heimat in NRW hinter mir, um in den Mikrokosmos der mediterranen Steilhänge einzutauchen.


An diesem Vormittag Ende Juli 2023 muss ich nicht lange suchen: Gleich zwei der wunderschönen Reptilien liegen vielleicht einen Meter voneinander entfernt neben dem Weg im Sonnenschein. Sie nutzen jeden Strahl, um sich von der Nässe des Sommerschauers aufzuwärmen.


Jetzt heißt es: Anpirschen mit der Kamera nach allen Regeln der Kunst. Eigentlich gibt es dabei nur eine Regel: Die Langsamkeit, die extreme Langsamkeit, Ultrazeitlupe. Smaragdeidechsen sind äußerst schnell und wachsam. Ihre aufmerksamen Augen nehmen mich direkt ins Visier. Es ist schwierig, mich langsam genug zu bewegen, so dass sie meine Bewegungen nicht wahrnehmen. Langsam genug heißt: Einen Meter in vielleicht drei oder gar fünf Minuten.


Ich bewundere ihr schönes Schuppenkleid mit zahllosen hellgrünen und schwarzen Pünktchen, die großen glatten Schuppen an ihren kleinen Drachenköpfen, die dünnen krallenbewehrten Zehen und den überaus langen Schwanz, der deutlich mehr als die Hälfte der gut 25 cm Gesamtlänge ausmacht. Ganz besonders mag ich ihre wachen Augen, die sehr denen eines Vogels ähneln. Plötzlich ist eine der beiden Echsen verschwunden. Ihre Flucht war derart schnell, dass ich sie mit meinem Blick kaum verfolgen konnte. Auch die zweite hebt ihren Kopf leicht an und bringt ihre eben noch entspannt seitwärts ausgestreckten Füße in Startposition. Zwei, drei Kameraklicks später schießt auch sie als grüner Pfeil ins Brombeergebüsch.


Smaragdeidechsen zu finden ist nicht ganz leicht. Es benötigt Gefühl für das richtige Wetter und die Erfahrung, wo man sie bei welchen Wetterbedingungen suchen muss. Ihr Lebensraum sind die wärmsten Abhänge im Nahetal, aber niemals der reine karge Fels, sondern immer Orte mit einiger Vegetation. Sie liegen nur ganz selten völlig frei, sondern nutzen die Deckung und halten sich dort auf, wo sie mit ihrer grünen Färbung gut getarnt sind.

Keine Smaragdeidechse gleicht der anderen. Die beiden ersten Sonnenanbeter an diesem Morgen waren recht zierliche Tiere. Bei der einen sah man noch Reste vom leuchtenden Blau, das die Kehle der Männchen im Frühling schmückt. Am selben und am nächsten Tag traf ich ganz unterschiedliche Exemplare. Besonders schön war ein sehr markant gezeichnetes vierfarbiges Weibchen. Es trug auf dunkelgrünem Grund vier weiße Linien und zahlreiche schwarze und einige rostbraune Flecken. Ebenso blieb ein prächtiges frisch gehäutetes Männchen von deutlich über 30 cm Gesamtlänge in Erinnerung, das ich mit eindrucksvoll geöffnetem Maul fotografieren konnte. Viele weitere einzigartige grüne, grünbraune, gestreifte, gefleckte und geperlte Schönheiten habe ich bei meinen Besuchen im Nahetal in den letzten Jahren beobachtet und fotografiert.


Das Habitat der Smaragdeidechsen im Nahetal gehört zu den wenigen weitgehend natürlichen Lebensräumen in Deutschland. Die steilen, heißen und trockenen Hänge mit sehr wenig Boden können nicht bewirtschaftet werden. Steilheit und Trockenheit verhindern, dass sie mit Gehölzen zuwachsen. So kann hier eine Fülle von Arten leben, die ansonsten im Mittelmeerraum oder in den östlichen Steppen vorkommen. Beispiele sind neben der Westlichen Smaragdeidechse die Zippammer, der Segelfalter, die Rotflügelige Ödlandschrecke oder die Italienische Schönschrecke, sowie zahlreiche Pflanzenarten wie das Federgras oder der Arznei-Haarstrang.

Das vierfarbige Weibchen der Westlichen Smaragdeidechse
Das vierfarbige Weibchen der Westlichen Smaragdeidechse. Bild: Dr. Martin Steverding

Diese speziellen Lebensräume sind klein, sie beschränken sich auf die steilsten Südhänge. Sie sind eingeengt zwischen Wegen, Straßen und Weinbauflächen. Ihre oft seltenen und hochgradig gefährdeten Bewohner sind vielerorts durch die Pestizide bedroht, die reichlich im Weinbau eingesetzt werden – in den Steillagen oft mit dem Hubschrauber versprüht und dabei vom Wind verweht.


Die Smaragdeidechsen unterliegen wie alle seltenen Reptilien zusätzlich einer ganz speziellen Bedrohung: Manch einer zahlt viel Geld für ein solches Tier und so manche seltene Eidechse oder Schlange landet illegal in einem privaten Terrarium. Die Smaragdeidechse gehört wie alle Wildtiere in ihren natürlichen Lebensraum und nicht in Gefangenschaft – auch für sie gilt der vielzitierte Spruch: Artgerecht ist nur die Freiheit.

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Dr. Martin Steverding ist stellv. Vorstand von Wildtierschutz Deutschland.

Diplom-Biologe, Dissertation über die Nahrungsökologie von Spechten im Bialowieza-Urwald, Polen. Langjährig aktiver Ornithologe, aber auch in der Säugetierkunde, Herpetologie und Entomologie tätig. Langjährig im Eulenschutz (schwerpunktmäßig Steinkauz) aktiv, weitere Schwerpunktthemen bzw. -arten sind u. a. Uhu, Fuchs, Dachs, Biber und Greifvögel.


Wohnort: Rhede (Westfalen)

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