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Angriff auf Sechsjährigen in den Niederlanden: Wie gefährlich sind Wölfe?

  • Dr. Martin Steverding
  • 9. Aug.
  • 3 Min. Lesezeit

Neben der Weidetierproblematik ist die häufigste Frage im Zusammenhang mit Wölfen: Wie gefährlich sind sie für Menschen? Die nahezu einhellige Auffassung aus Forschung und Wissenschaft ist: Die Gefahr für Menschen durch Wölfe ist extrem gering, es gibt in Europa in jüngerer Zeit so gut wie keine Vorfälle. Nun aber ist in den Niederlanden offensichtlich ein sechsjähriger Junge von einem Wolf angegriffen worden. Muss die bisherige Einschätzung jetzt überdacht werden? Um dies zu beurteilen, ist es wichtig, den Fall und seine Vorgeschichte genauer anzuschauen:


Wolf
Werden Wölfe nicht von Menschen angefüttert, bleiben sie scheu. Bild: Michael Hamann

Chronik der Vorfälle mit dem Wolf Bram

Im Bereich des Utrechtse Heuvelrug (Utrechter Höhenrücken oder -hügelrücken) in den Niederlanden gab es eine Serie von Vorfällen mit dem Wolf GW3237, bekannt unter dem Namen „Bram“. Anfang 2024 zeigte dieser sich sehr an Hunden interessiert und nahm sogar direkten Kontakt mit ihnen auf. Anwesende Menschen ignorierte er und war ihnen gegenüber kaum scheu. Am 06.07.2024 ergriff und verschleppte ein Wolf, wahrscheinlich „Bram“, einen Hund direkt vor den Augen seines Besitzers. Der Hund wurde nicht mehr gefunden. Am 16.07.2024 gab es einen Vorfall mit einem fünfjährigen Mädchen. Es ist unklar, ob dieses vom Wolf „nur“ umgestoßen oder auch gebissen wurde. Sicher ist aber, dass der Wolf direkten Kontakt mit dem Kind hatte, denn es konnte Wolfs-DNA an der Kleidung nachgewiesen werden, die aber keine Individualisierung zuließ. Die Wahrscheinlichkeit, dass es „Bram“ war, ist auch hier sehr hoch. Beim nächsten Vorfall wurde „Bram“ anhand der DNA nachgewiesen: am 31.07.2024 wurde ein Kind von ihm umgeworfen, es blieb glücklicherweise unverletzt. Am 07.08.2024 gab es eine weitere Konfrontation dieses Wolfs mit einem Hund, der leicht verletzt wurde. Im selben Monat wurde eine Genehmigung zum Fang und zur Besenderung von „Bram“ erteilt, jedoch klagten „De Faunabescherming“ und andere Tierschutzorganisationen erfolgreich dagegen.


Es blieb einige Zeit ruhig, bis am 19.05.2025 eine Spaziergängerin in den Oberschenkel gebissen und verletzt wurde, der Wolf GW3237 („Bram“) konnte durch DNA nachgewiesen werden. Am 09.07.2025 wurde eine Abschussgenehmigung erteilt. „De Faunabescherming“ klagte, das Gericht lehnte im Eilverfahren den Antrag auf eine einstweilige aber Verfügung ab. Die Ausnahmegenehmigung zur Tötung des Wolfs ist somit rechtskräftig.


Am 30.07.2025 ereignete sich der gefährlichste Vorfall: Ein sechsjähriger Junge wurde an der Schulter gefasst und über eine Distanz von 20 bis 30 Metern geschleppt. Einer der anwesenden Erwachsenen vertrieb das Tier mit einem Stock. Der Junge wurde zwar nicht schwer, aber dennoch erheblich verletzt. Die Ergebnisse der Genanalyse liegen noch nicht vor, aber die Wahrscheinlichkeit, dass es sich auch bei diesem Vorfall um den Wolf „Bram“ handelte, ist sehr hoch.


Ursache des Verhaltens des Wolfes ist menschliches Versagen

Wäre es ein entschlossener, prädatorischer Angriff [= Fälle, in denen Wölfe Menschen angreifen, um sie zu fressen] gewesen, hätte der Junge diesen wahrscheinlich nicht überlebt. Der Wolf hätte ihn schnell getötet und vielleicht an seine Welpen verfüttert. Allerdings ist auch diese halbherzige Attacke schlimm genug und hätte niemals passieren dürfen. Der Wolf „Bram“ stammt aus dem Wald- und Heidegebiet Veluwe, wo es Hinweise gibt, dass Wölfe von Menschen aktiv gefüttert wurden. Somit ist es sehr wahrscheinlich, dass dieser Wolf früh durch Futter an Menschen gewöhnt wurde und deshalb kaum bis kein Ausweichverhalten entwickelt hatte.


Der hochgradig gefährliche Angriff auf den Sechsjährigen ist der Gipfel einer mehr als einjährigen Entwicklung, in der die Möglichkeit zu handeln nicht wahrgenommen wurde. Leider haben Tierschützer mit ihrer Klage gegen die Besenderung des Wolfs zur Überwachung seines Verhaltens ein effizientes Vorgehen verhindert. Vorausgesetzt, das Einfangen des Wolfs wäre gelungen, hätte er permanent überwacht und bei Aufenthalt in kritischen Bereichen gezielt vergrämt werden können. Durch unangenehme Erfahrungen hätte dieser Wolf mit hoher Wahrscheinlichkeit sein Verhalten gegenüber Menschen ändern und weiterleben können. Nun aber ist seine Tötung unausweichlich, denn dieser Wolf ist jetzt definitiv gefährlich.


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