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Jäger: „Wir tun etwas Gutes“ - Chronik der Hetzjagd auf einen Fuchs

Der Fall eines von einer Jagdhundemeute gehetzten Fuchses in Kerschlach, Oberbayern, dokumentiert für alle sichtbar, was bei Gesellschaftsjagden an der Tagesordnung ist. Wäre der Kerschlacher Fuchs im Wald gestellt und dort umgebracht worden, hätte niemand davon erfahren.

Schon seit August 2018 bekam Andreas Nemitz aus Kerschlach regelmäßigen Fuchsbesuch. Ein hübsches Tier, gesund und mit dichtem Fell, lässt sich immer mal wieder in seinem Garten blicken. Der Besucher ist unaufdringlich und scheu, und obwohl Nemitz Hühner hält, freut er sich jedes Mal, wenn es ihm gelingt, den Fuchs zu erspähen.

Irgendwann stellt sich eine gewisse Verbundenheit ein: Nemitz weiß, in welchem Fuchsbau im Kerschlacher Forst „sein“ Fuchs wohnt, und wenn dieser mal für einige Tage nicht bei ihm vorbeischaut, beginnt er, sich Sorgen zu machen. Trotzdem wahrt er Distanz; der Fuchs soll ein Wildtier bleiben und seine Menschenscheu nicht verlieren.

Als er seinen wilden Gast am Abend des 3. Januar über seinen Rasen huschen sieht, ahnt er noch nicht, dass der Fuchs schon am nächsten Tag grausam und unter dramatischen Umständen sterben wird.

Andreas Nemitz ist am Vormittag des 4. Januar gerade zum Füttern seiner Tiere im Garten, als er aggressives Hundegebell und spitze Schmerzenslaute vernimmt. Augenblicke später sieht er, wie Jagdhunde einen Fuchs entlang der Einfriedung um sein Grundstück hetzen. Das völlig verängstigte Tier versucht, einen Durchschlupf im Gartenzaun zu erreichen, doch die fünf mit Schutzwesten gegen Wildschweine ausgestatteten Jagdhunde attackieren den Fuchs wieder und wieder. Andreas Nemitz geht mutig und ohne zu zögern dazwischen, um „seinen“ völlig erschöpften und aus Lefze, Kopf und Unterbauch blutenden Fuchs zu schützen. Trotz vollem Einsatz gelingt es dem hundeerfahrenen Kerschlacher kaum, die aggressiven Terrier von ihrem Opfer abzubringen – immer wieder tauchen sie unter seinen ausgebreiteten Armen hindurch, um nach dem Fuchs zu schnappen.

verletzter Fuchs Kerschlach Oberbayern

Von der Flucht vor den Jagdhunden entkräftet und von ihren Beißattacken schwer verletzt liegt der kleine Fuchs völlig verängstigt und schockiert am Rande des Grundstücks von Herrn Nemitz

(Foto: Andreas Nemitz)

Als die Terrier schließlich doch von diesem ablassen, dringen sie zu allem Überfluss noch in einige offenstehende Pferdeboxen ein, in denen Nemitz‘ verängstigte Hühner Zuflucht gesucht haben. Nur durch rasches Handeln des Hühnerbesitzers gelingt es, diese zu schützen und Schlimmeres zu verhindern. Dennoch zeugen ausgerissene Schwanzdeckfedern junger Gockel von den Angriffen der völlig unkontrolliert agierenden Jagdhundemeute auf die seltenen Hühner einer Rote Liste Rasse.

Danach verlassen die Jagdhunde das Grundstück wieder. Für den armen Fuchs, dessen Schutz inzwischen Nemitz‘ achtzigjähriger Vater übernommen hat, kommt jedoch jede Hilfe zu spät. Völlig erschöpft und aus mehreren schweren Bisswunden blutend, wird er wenig später von dem ortsansässigen Revierpächter mit einem Kleinkalibergewehr erschossen und mitgenommen. Für Andreas Nemitz besteht aufgrund von Verhalten und Fellzeichnung des Tieres zu diesem Zeitpunkt kein Zweifel mehr, dass es sich dabei um „seinen“ Fuchs handelt.

Zahlreiche Indizien für verbotene Hetzjagd

Während des gesamten Vorfalls – und auch in den Wochen danach – meldet sich kein Verantwortlicher der Jägerschaft bei Nemitz. Wie sich später herausstellt, gehören die Jagdhunde zu einer Jagdgesellschaft, die in der Nähe eine Drückjagd veranstaltet hat. Zwar sind solche Jagden, bei denen Jagdhunde Wildtiere aus der Deckung vor die Gewehre wartender Jäger „drücken“ sollen, rechtlich zulässig; sowohl das Tierschutzgesetz als auch das Bundesjagdgesetz verbieten jedoch Hetzjagden, bei denen freilaufende Jagdhunde Wildtiere direkt attackieren.

Der Vorsitzende des Kreisjagdverbands Weilheim, Florian Pfütze, beruft sich im Nachhinein der örtlichen Tageszeitung gegenüber darauf, der Fuchs sei im Verlauf der Drückjagd angeschossen worden, und man habe ihn „nachsuchen“ müssen. Andreas Nemitz hatte bei dem Fuchs jedoch keine Schussverletzungen erkennen können. Pikant ist zudem, dass ein Jäger Nemitz im Vertrauen mitteilt, bei der Zuordnung des getöteten Fuchses zu den jeweiligen Schützen habe sich zunächst keiner der Beteiligten zu einem Schuss auf den Fuchs bekannt – erst später habe sich der Jagdleiter mit den Worten: „dann war es eben ich“ „geopfert“.

Jagdterrier auf einer Drückjagd

Hundemeute hetzt Fuchs

Die Aussage eines Feuerwehrmanns, der mit der Absicherung einer Zufahrtsstraße betraut ist, festigt die Annahme, dass es sich bei den Ereignissen in Kerschlach nicht um eine geordnete Nachsuche, sondern um eine verbotene Hetzjagd gehandelt hat: Er gibt an, zunächst zwei Jagdhunde dabei beobachtet zu haben, einen Fuchs aus dem Wald zu hetzen. Offensichtlich sind erst danach im Ort weitere Jagdhunde hinzugekommen und haben den Fuchs gemeinsam gehetzt und attackiert.

Jäger finden qualvollen Tod des Fuchses „in Ordnung“

Als die Presse über die Vorfälle berichtet, geht Jagdverbandsvorsitzender Pfütze in die Offensive: Er sagt, die Jäger täten mit der Fuchsjagd „etwas Gutes“ und ihr Handeln in Kerschlach sei „in Ordnung gewesen“. Er mutmaßt, der Fuchs habe möglicherweise eine Krankheit gehabt, ohne dafür auch nur den geringsten Anhaltspunkt zu haben, und suggeriert, Füchse würden Kinder beißen und mit Krankheiten anstecken. Er schürt damit gezielt Ängste, streut Nebelkerzen und versucht, mit halb- und unwahren Behauptungen von der Schuld der Jäger abzulenken und Füchse als Schädlinge zu diffamieren.

Der Gipfel der Unverschämtheit ist jedoch, dass Pfütze Andreas Nemitz unterstellt, mit seinem selbstlosen Einsatz das Leiden des Fuchses womöglich verlängert zu haben – obwohl ausschließlich Pfützes Jagdgenossen für die Qualen und den Tod des Fuchses verantwortlich sind. Schuldbewusstsein oder Mitleid mit dem armen Tier sind auf Seiten der Jäger nicht im Geringsten zu erkennen; Pfütze gibt der Presse gegenüber lediglich an, er bedauere, dass ein Anwohner diese Ereignisse habe mit ansehen müssen.

Anwohner: „Der Fuchs gehörte quasi zur Familie“

Nemitz machen diese unerträglichen Äußerungen des Jagdfunktionärs fassungslos. „Der Fuchs hat bei uns quasi zur Familie gehört“, betont er. „Sein Tod war ebenso sinnlos wie grausam; so etwas Schreckliches habe ich nie zuvor erlebt. Trotzdem geht es mir nicht darum, dass ich diese Ereignisse mit ansehen musste, sondern darum, dass sie überhaupt geschehen sind.“

Inzwischen wurden von verschiedenen Seiten Anzeigen wegen Verstoßes gegen mehrere Paragrafen des Tierschutzgesetzes, des Bundesjagdgesetzes und des Bayerischen Jagdgesetzes gegen die Veranstalter der Drückjagd in Kerschlach gestellt. Es bleibt zu hoffen, dass dieser schreckliche Fall, der ganz klar großes öffentliches Interesse auf sich gezogen hat, nun auch mit der gebotenen Sorgfalt untersucht und lückenlos aufgeklärt wird.

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