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Helgoland, die Kinderstube für Kegelrobben im Winter

Gabi Joormann

Die Kegelrobbe, mit ihrem beeindruckenden Erscheinungsbild und ihrer massiven Körpergröße, ist Deutschlands größtes Raubtier und wird bis zu 350 kg schwer. Ihr Name leitet sich von der charakteristischen, kegelförmigen Kopfform und ihren Zähnen ab. Der wissenschaftliche Name lautet Halichoerus grypus, und sie gehört zur Unterordnung der Robben (Pinnipedia) sowie zur Überfamilie der Hundsrobben (Phocidae).


Robbenbaby auf Helgoland

Aussehen und Unterschiede zwischen den Geschlechtern

Männliche Kegelrobben sind dunkel gefärbt und haben helle Flecken. Sie wiegen rund 300 kg und erreichen eine Länge von etwa 230 cm. Weibchen hingegen sind heller und tragen dunklere Flecken. Sie sind mit ca. 150 kg und einer Länge von 190 cm deutlich kleiner. Jede Kegelrobbe besitzt ein einzigartiges Fleckenmuster, dass sie unverwechselbar macht.


Kegelrobbe am Strand von Helgoland in der Nordsee

Kommunikation und Gehör

Kegelrobben haben ein hervorragendes Hörvermögen und nutzen ein komplexes Repertoire an Lautäußerungen, die in unterschiedlichen Frequenzbereichen liegen. Sie gebrauchen sowohl Nase und Maul, erzeugen aber vor allem unter Wasser Vibrationen, die sich als Schallwellen fortpflanzen. Einige Laute dienen der innerartlichen Kommunikation, z.B. um Weibchen anzulocken oder vor Feinden zu warnen. Die Vielzahl der Lautäußerungen und ihr Zweck sind noch wenig erforscht. Sie empfangen hauptsächlich tiefe Frequenzen, damit reagieren sie besonders sensibel auf Schiffslärm.


Schnelle Schwimmer und ausdauernde Taucher

Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 35 km/h gehören Kegelrobben zu den schnellen Schwimmern. An Land können sie immerhin noch bis zu 20 km/h erreichen. Pro Tag können sie im Wasser erstaunliche 100 Kilometer zurücklegen. In extremen Fällen tauchen sie bis zu 400 Meter tief. Unter Wasser bleiben sie bis zu 30 Minuten. Ihre Lebensdauer liegt zwischen 20 und 40 Jahren, erst mit viereinhalb Jahren erreichen sie die Geschlechtsreife.


Fortpflanzung und Geburt 

Nach einer zweimonatigen Keimruhe entwickelt sich der Embryo im Mutterleib über 9 Monate. Während der Fortpflanzungszeit bilden Kegelrobben kleinere Kolonien, die von einem dominanten Männchen verteidigt werden. Zu einem Männchen gehören im Durchschnitt sechs Weibchen. Revierkämpfe an den Stränden sind dabei keine Seltenheit und blutige Bisswunden kommen vor. Die Geburt findet zwischen November und Januar statt, und die Robbenbabys werden mit der fettreichsten Muttermilch aller Säugetiere (53 Prozent Fettgehalt) etwa drei Wochen lang versorgt. Sie kommen mit einem Geburtsgewicht von 13 kg und einer Größe von etwa1m zur Welt. Nach gerade einmal 14 Tagen haben sie schon ein beachtliches Gewicht von bis zu 50 kg erreicht. Diese Wonneproppen tragen in den ersten fünf Wochen ein weiches, weißes Woll-/ Lanugofell, das sie warm hält, aber kein „Schwimmanzug“ ist. Diesen bekommen sie nach dem ersten Fellwechsel. Jetzt sind die Jungen bereit, selbstständig im Wasser zu jagen.


Herkunft und Verbreitung auf Helgoland

Kegelrobben sind – dank Jagdverboten und den Rückgang von Umweltgiften – an Helgolands Stränden seit den 1990er Jahren heimisch. Die erste Geburt einer Kegelrobbe auf der Insel wurde 1996 verzeichnet. Die Tiere sind nach dem Bundesnaturschutzgesetz und der FFH- Richtlinie eine streng geschützte Art. Auch nach der Helsinki- Konvention (HELCOM) unterliegen die Robben einem besonderen Schutz. Dies führt dazu, dass die Tiere sich seit einigen Jahren wieder erfolgreich vermehren. Besonders bemerkenswert ist, dass 2023 auf Helgoland ein Rekordjahr war, in dem knapp 800 Robben geboren wurden – ein echtes Erfolgserlebnis für den Schutz der Tiere.

Kegelrobben auf Helgoland

Lebensweise und Herausforderungen

Kegelrobben benötigen täglich etwa acht bis zehn Kilogramm Fisch, um ihren Energiebedarf zu decken. Ihre dicke Speckschicht hilft ihnen, die kalten Gewässer des Nordens zu überstehen. Doch die Tiere stehen auch vor Herausforderungen. Ihre natürlichen Feinde sind vor allem Orcas und Haie, doch die größten Bedrohungen gehen von den Umweltbedingungen und vom Menschen aus. Verschmutzung der Meere, Fischernetze und Überfischung setzen den Robben zu.


Im 20. Jahrhundert wurden Kegelrobben durch den Menschen als Nahrungskonkurrenten fast ausgerottet. Zudem führte die Belastung durch Schadstoffe wie PCB und DDT in den 1950er bis 1970er Jahren zu Fortpflanzungsstörungen. Erst Anfang der 1990er Jahre besserte sich die Reproduktionsfähigkeit der Weibchen, nachdem PCB und DDT verboten wurden.


Helgoland ist in der Tat ein eindrucksvolles Beispiel für gelungene Koexistenz zwischen Mensch und Tier. Die Rückkehr der Kegelroben zeigt, wie durch gezielte Maßnahmen und respektvolle Zusammenarbeit eine harmonische Balance geschaffen werden kann.  Gemeinsame Kommunikationsprozesse auf der Suche nach Lösungen und Bürgerbeteiligung sorgen für mehr Akzeptanz. So lassen sich Konflikte vorbeugen. Die Initiative, einen Metallzaun am Südstrand der vorgelagerten Düne zu errichten, sorgt nicht nur für den Schutz der Robben, sondern ermöglicht es den Menschen auch, einen uneingeschränkten Blick auf das faszinierende Naturschauspiel zu werfen. Der Panoramaweg am Nordstrand fördert ebenso das Verständnis und die Wertschätzung für das Leben der Kegelrobben und lädt zu einer respektvollen Beobachtung in Helgolands Kinderstube ein. Das Engagement der Ranger, die den Bestand überwachen und Aufklärungsarbeit leisten, spielt eine entscheidende Rolle bei der Sensibilisierung der Besucher. Helgoländer Kinder lernen bereits im Kindergarten, dass die niedlichen Kegelrobben mit ihren großen Kulleraugen sehr gefährlich werden können, wenn ein ausreichender Sicherheitsabstand (30m) nicht eingehalten wird.


Erst kürzlich habe ich die einzige Hochseeinsel besucht und durfte das Naturspektakel aus nächster Nähe betrachten. Für mich war es sehr berührend zu sehen, wie die Tiere miteinander kommunizieren, die Bullen um die wieder paarungsbereiten Weibchen werben, wie sie Streitigkeiten miteinander austragen, wie sie sich paaren und wie liebevoll die Mütter mit ihrem Nachwuchs umgehen. All das habe ich auf der Düne erleben können, dazu brauchte ich mich sich nicht einmal vom Fleck wegbewegen. Wieder einmal habe ich gespürt, welche Überraschungen die Natur für uns bereithält. Wieder einmal bin ich unendlich dankbar für all` das Schöne, was sie für uns bereithält. Wieder einmal habe ich das Bedürfnis, etwas von dem zurückzugeben, womit wir beschenkt werden. Für mich steht fest, diese erstaunliche Insel werde ich auch im kommenden Kegelrobbenwinter besuchen.

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Quellen: Der Helgoländer; Verein Jordsand e.V.


 

Nachtrag: Trotz Jagdverbot jedes Jahr hunderte getöteter Robben

Obwohl die Jagd auf Seehunde seit 1974 verboten ist, werden jedes Jahr hunderte von kranken, verletzten oder verlassenen Robben, die bei entsprechender Therapie hätten gerettet werden können, erschossen. Diese Praxis ist in Deutschland erlaubt und wird als Teil des „Robben-Managements“ angesehen, welches in fester Hand der Jägerschaft und deren Lobby ist. Kommen Veterinäre einem Meeressäuger zur Hilfe, wird dies von der Jägerschaft als Wilderei gewertet.


Hunderte verletzte, verlassene oder an Lungenwürmern erkrankte Tiere konnten schon vom Robbenzentrum Föhr erfolgreich gerettet und therapiert werden. Trotz der möglichen Rettung der Tiere pochen die Jägerschaft und die zuständigen Ministerien auf die Tötung. Retter und behandelnde Tierärzte werden immer wieder wegen „Wilderei“ angezeigt.

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Quelle: Robbenzentrum Föhr

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