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Mauersegler – Artenschutz am Gebäude | Vorzeigeprojekt im Westmünsterland

  • Dr. Martin Steverding
  • 27. Aug.
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 28. Okt.

Hör doch mal rein | Mauersegler sind Meisterflieger: Ihr erster Flug endet erst nach zehn Monaten und legt rund 150.000 Kilometer zurück. Der Verlust von Brutplätzen drängt die Akrobaten der Luft nach und nach zurück. Ein Bauprojekt in Rhede in Nordrhein-Westfalen zeigt, dass Artenschutz, Abriss und Neubau Hand in Hand gehen können.


Der erste Flug eines Jungvogels ist zumeist unbeholfen und endet häufig nach wenigen Metern, mit einer Bruchlandung. Beim Mauersegler ist es ganz anders: Der erste Flug dauert etwa 10 Monate – meistens ohne Pause, ohne Landung.


Der junge Mauersegler lässt sich aus der Brutnische an einem hohen Stadtgebäude fallen, breitet seine Flügel aus und fliegt ab jetzt ununterbrochen, Tag und Nacht. Er ernährt sich sofort selbständig von fliegenden Insekten und er verbringt die Nächte im Flug in großer Höhe. Er zieht nach Afrika und zurück und besetzt im Mai zum ersten Mal eine mögliche Brutnische bzw. Bruthöhle – zumeist die erste Landung in seinem Leben. Die erste Brut erfolgt in der Regel ein Jahr später.


Mauersegler im Marathon Flug Bild Jochen Gerlach
Adulter Mauersegler: 150.000 Flugkilometer am Stück | Bild: Jochen Gerlachj

Mauersegler sind Hyper-Marathonsegler

Die Durchschnittsgeschwindigkeit eines fliegenden Mauerseglers ist nicht hinreichend bekannt. Relativ niedrig angesetzt kann von 500 Flugkilometern pro Tag ausgegangen werden, das würde knapp 21 km/h entsprechen. Bis zur ersten Landung in seinem Leben hätte der junge Mauersegler dann bereits rund 150.000 km bzw. fast vier Erdumrundungen hinter sich. Die Hochleistungsflieger können bis zu 20 Jahre alt werden, die zurückgelegten Kilometer gehen dann in die Millionen.


Vom Waldbewohner zum Stadtvogel

In Mitteleuropa brüten Mauersegler heute fast ausschließlich in Nischen und Spalten an Gebäuden. Ursprünglich waren sie aber überwiegend Baumbrüter, heute gibt es baumbrütende Mauersegler nur noch in wenigen sehr alten Waldbeständen. Die Flugakrobaten sind äußerst brutplatztreu. Im Wald benötigen ein konstant hohes Höhlenangebot in hohen alten Bäumen, das in wirtschaftlich genutzten Wäldern nicht gegeben ist. Sie sind daher auf langfristig verfügbare Brutplätze an Gebäuden angewiesen und sind in Mitteleuropa fast reine Stadtvögel. Durch Abbruch oder Sanierung von Altbauten verlieren sie jedoch immer mehr Brutmöglichkeiten. Noch sind sie zwar nicht akut in ihren Beständen gefährdet, aber der Brutplatzverlust schreitet schnell voran.


Erfolgreiches Artenschutzprojekt für Mauersegler in Rhede im Westmünsterland

Neubau und Sanierung müssen dem Schutz der Mauersegler aber nicht entgegenstehen, im Gegenteil können die Meisterflieger sogar am Ende profitieren: In Rhede im Kreis Borken stand in den Jahren 2021 und 2022 der Abbruch einer Häuserreihe aus den 1950er-Jahren mit der größten Mauerseglerkolonie der Stadt an. In den sechs Häuserblocks brüteten rund 50 Paare. Gemeinsam mit dem Eigentümer und Bauherrn, der Wohnungsbaugesellschaft Bocholter Heimbau e. G. wurde erfolgreich ein Konzept umgesetzt, das am Ende zu einer Vergrößerung der Brutkolonie führte:


Vor der Rückkehr der Mauersegler aus den Winterquartieren im Frühling 2021 wurden die beiden westlichen und die beiden östlichen Blocks abgebrochen, die beiden mittleren blieben stehen. Durch Einziehen von Brettern innen parallel zur Dachkante, konnte der dort vorhandene Brutraum erweitert werden. Rund 35 Paare brüteten 2021 in diesen beiden Häuserblocks.


Junge Mauersegler im Nistklinker
Zwei junge Mauersegler im Nistklinker in Rhede

Bis zur Rückkehr der Mauersegler im Frühling 2022 waren die Neubauten im Westen und im Osten fertig errichtet und mit Nistklinkern versehen, die von der Hagemeister GmbH & Co. KG in Nottuln im Kreis Coesfeld angefertigt worden waren. An jedem der beiden neu gebauten Blocks sind 20 Nistklinker verbaut, so dass den Mauerseglern in dem Jahr 80 Nistplätze zur Verfügung standen. Die Nistklinker bestehen aus einem Mauerseglerkasten üblicher Größe mit individuell der Fassade angepasster Vorderseite. Sie sind vor der Isolierung eingebaut und bieten daher keine thermischen Nachteile. Die mittleren Blocks waren inzwischen abgebrochen und der Neubau war bereits in Arbeit. Da im Vorjahr ausschließlich in den mittleren Blocks gebrütet werden konnte, konzentrierten sich die Mauersegler nach ihrer Rückkehr zunächst stark auf den dort stehenden eingerüsteten Neubau und flogen tagelang immer wieder die Baugerüste an. Schließlich aber bezogen sie die fertigen Nistplätze in den äußeren Blocks. Der Brutbestand lag 2022 bei etwa 30 Paaren und erreichte damit den Tiefpunkt.


Seit 2023 stehen den Mauerseglern jeweils 20 Nistklinker in allen sechs Neubauten, insgesamt also 120 Nistplätze zur Verfügung. Der Bestand wächst seitdem an und erreichte im Sommer 2025 die erfreuliche Größe von mindestens rund 70 Brutpaaren. 65 Bruten mit Jungen konnten durch den typischen Kot unter dem Kasten oder durch herausschauende Jungvögel nachgewiesen werden. Zahlreiche weitere Kästen wurden von Mauerseglern beflogen. Die Brutkolonie hat somit ihre ursprüngliche Größe deutlich überschritten und könnte sogar noch weiter anwachsen.


Neben der Schaffung des neuen Nistplatzangebots war es wichtig, dass den Mauerseglern in allen Jahren Nistplätze zur Verfügung standen – wenn auch im Jahr 2021 deutlich weniger als zuvor und danach. Schlüssel zum Erfolg war die Kooperationsbereitschaft des Bauherrn und die gute Zusammenarbeit aller Akteure einschließlich des Herstellers der Nistklinker, der Unteren Naturschutzbehörde und den Artenschutzgutachtern. Das Beispiel zeigt, dass der Schutz von Gebäudebrütern sich mit Neubau oder Sanierung vereinbaren lässt, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen.


Ein besonders positives Beispiel ist auch die Biologische Station in Hagen in NRW, die auf diese Weise sehr viel für den Schutz von Gebäudebrütern im Ruhrgebiet erreicht hat. Darüber berichten wir ein andermal.

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