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Der Steinkauz - koboldhafter Kulturfolger

Dr. Martin Steverding

Hören | Eine windstille und klare Abenddämmerung im März am Niederrhein: Verstreut liegen Höfe in der weiten offenen Feldflur, einige sind mit Gruppen alter Obstbäume umgeben, ansonsten prägt intensive Landwirtschaft das Bild. Plötzlich erklingen an einem der Höfe durchdringende und energische „kiu“ oder „kuiu“-Rufe und bald kommt die Antwort vom zweiten Hof. An dritten Hof ist zunächst ein langgezogenes und nicht ganz so lautes „guuuhk“ zu hören, das immer schneller wiederholt wird und sich schließlich den erregt-energischen Lauten der anderen Rufer angleicht. Die Kettenreaktion pflanzt sich fort und für einige Minuten bestimmt der Rufwettstreit der Steinkäuze die abendliche Geräuschkulisse.

Steinkauz im Dachgiebel

Steinkauz im Dachgiebel. Bild: Dr. Martin Steverding


Der Niederrhein ist zusammen mit den angrenzenden Gebieten der Niederlande und Teilen des Münsterlandes das wichtigste Verbreitungszentrum des Steinkauzes nördlich der Alpen. Der Bestand wird für Nordrhein-Westfalen für 2009/10 mit 5.200 bis 5.700 Paaren angegeben (Grüneberg & Sudmann et al. 2013), bundesweit sind es 8.000 bis 9.500 Paare. Ein zweites Verbreitungszentrum liegt in Hessen und Rheinland-Pfalz. Außerhalb dieser beiden Schwerpunkte ist der Steinkauz in Deutschland sehr selten bzw. fehlt in großen Landesteilen gänzlich (Gedeon et al. 2014).


Für das Steinkauz-Kernland NRW werden der Rückgang der Viehhaltung und der Beuteorganismen und der Verlust der Bruthabitate infolge Siedlungserweiterung und Straßenbau als Gefährdungsursachen angegeben (Sudmann et al. 2021). Hinzu kommt das weiter fortschreitende Verschwinden der Obstbäume, da kaum noch nachgepflanzt wird, der Abbruch von Scheunen und Schuppen und vieles mehr.


Adulter, erwachsener Steinkauz auf Steinsäule
Adulter Steinkauz, Bild: Harry Schulz

Der Steinkauz ist ein Kulturfolger, insbesondere ein Folger der Weidewirtschaft. Ursprünglich in Steppen, Halbwüsten und anderen Trockengebieten beheimatet, breitete er sich mit dem Entstehen offener Kulturlandschaften in Mitteleuropa aus. Wie fast allen anderen Arten der Agrarlandschaft wird ihm die Bewirtschaftung heute zum Verhängnis. Steinkäuze brauchen niedrigwüchsiges beweidetes Grünland in einer reich gegliederten Umgebung mit genügend Beutetieren wie Mäusen, großen Insekten, Regenwürmern und Kleinvögeln. Zudem benötigen sie in direkter Nähe eine passende Bruthöhle. Steinkäuze brüten sowohl in Baumhöhlen (z.B. in alten Obstbäumen oder Kopfbäumen), als auch in Nischen von Gebäuden.


Junger Steinkauz, Bild: Harry Schulz

junger Steinkauz

Dort, wo die Lebensraumstruktur noch geeignet ist, kann man Steinkäuze gut mit Nisthilfen unterstützen. Sie mögen längliche röhrenförmige Kästen, die waagerecht oder leicht nach hinten abfallend auf starken Ästen montiert werden. Ob im Querschnitt rund oder eckig, ist dem Steinkauz egal, eckige Kästen mit klappbarem Deckel lassen sich besser kontrollieren und reinigen. Als „Inneneinrichtung“ sind Holzhackschnitzel gut geeignet. Am liebsten sitzen Steinkäuze aber auf der arteigenen Gewölleschicht, die bestens Feuchtigkeit bindet und für ein relativ trockenes Milieu sorgt. Man sollte daher genutzte Steinkauzkästen nie vollständig reinigen, sondern immer eine Schicht der Gewölleauflage im Kasten lassen. Es ist aber wichtig, regelmäßig zu kontrollieren, um zu verhindern, dass die Kästen zu voll werden – eine Kauzfamilie mit vier oder fünf Jungen braucht Platz! Zudem sind Kästen häufig auch von anderen Bewohnern zugebaut, z. B. mit Hornissennestern, Starennestern oder stattlichen Vorratssammlungen von Waldmäusen. All das kann im Winter entfernt werden, ohne Bruten zu stören oder unangenehme Bekanntschaft mit Hornissen oder Wespen zu machen.


Der klassische „Nistkastennaturschutz“ funktioniert also beim Steinkauz tatsächlich – aber nur solange die Lebensräume insgesamt noch geeignet sind. In Rhede im Kreis Borken (NRW) hat sich der Steinkauzbestand durch die fortschreitende Lebensraumzerstörung trotz zahlreicher Kästen innerhalb der letzten 20 Jahre von über 40 auf nur noch rund 20 Paare verringert. Ohne Kästen wären es noch viel weniger.

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