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Wespenbussard – heimlicher Weltenwanderer

  • Dr. Martin Steverding
  • vor 42 Minuten
  • 3 Min. Lesezeit

Ein großer Vogel gleitet lautlos zwischen den Bäumen hindurch zu seinem Nest, das im Geäst der hohen Kiefer nur zu erahnen ist. Flügel schlagen zwischen den Zweigen und es ertönt ein leises Piepsen. Ebenso schnell wie er gekommen ist, fliegt er wieder ab. Eine kurze Zwischenlandung in einem Nachbarbaum, es reicht für einen schnellen Blick durch das Fernglas: Ein stattlicher Greifvogel, groß wie ein Mäusebussard, mit wunderschön gezeichnetem Gefieder und einem merkwürdig kleinen blaugrauen Kopf mit leuchtend gelben Augen. Nach wenigen Sekunden ist er auf und davon.


Wespenbussard in einem Baum sitzend
Wespenbussard, Männchen | Bild: Dr. Martin Steverding

Auf dem Nest streiten sich zwei große Jungvögel mit schokoladenbraunem Gefieder und dunklen Augen um das Futter. Anfang August sitzen sie noch im Horst und etwa Ende August begeben sie sich schon auf die große Reise. Der Wespenbussard ist der leiseste und unauffälligste heimische Greif, ein außergewöhnlicher Vogel, ein Nahrungsspezialist und ein Weltenwanderer.


Seine Hauptnahrung sind Wespenlarven. Er gräbt die Wespennester mit seinen kräftigen Füßen aus, sein dichtes und ziemlich festes Gefieder ist sein Schutzanzug gegen die wehrhaften Insekten. Große Jungvögel bekommen die Waben ins Nest gebracht und müssen die Larven selbst herausarbeiten. Bei kleinen Jungen wird Larve für Larve von Schnabel zu Schnabel übergeben.


An sonnigen Säumen, Brachen, Heideflächen, mageren Wiesen und ähnlichem findet er die Nester von erdbewohnenden staatenbildenden Wespen. Der Wespenbussard benötigt deshalb eine nicht zu intensive und reich strukturierte Landschaft. Neben dem Strukturverlust durch die intensive Landnutzung gefährden Pestizide und die Überdüngung durch Stickstoffeinträge aus Landwirtschaft, Verkehr und Industrie die Nahrungsgrundlage des Wespenspezialisten.


Die Probleme beschränken sich aber bei weitem nicht nur auf seine hiesigen Brutlebensräume.  Wespenbussarde sind Fernzieher, die den Winter in Afrika verbringen. Als Segelflieger ziehen sie wegen der Thermik möglichst über Festland. Das Mittelmeer umfliegen sie im Osten über den Bosporus, im Westen über Gibraltar oder queren es über Italien, Sizilien und Malta. Insbesondere auf der östlichen Route geraten sie dabei massiv unter Beschuss, insbesondere im Libanon und auf Malta. Nicht selten sieht man Wespenbussarde hierzulande mit großen Lücken in den Schwung- oder Schwanzfedern, die zumeist durch Beschuss mit Schrot entstanden sind. Mauserlücken dagegen sind immer klein und symmetrisch, also an beiden Seiten gleichartig. Der Gefiederwechsel verläuft bei dem Vielflieger Wespenbussard so, dass seine Flugfähigkeit zu keinem Zeitpunkt eingeschränkt ist.


Der heimliche und leise Greifvogel hat bei uns nur dann eine Zukunft, wenn einerseits der Abschuss auf den Zugwegen beendet wird, strukturreiche und vielseitige Landschaften erhalten bleiben und der Einsatz von Pestiziden (u. a. Neonicotinoiden) und die massive Überdüngung reduziert werden. Zu wenig wissen wir über Aufenthaltsorte und Lebensräume auf den Zugwegen und in den afrikanischen Winterquartieren.  


Wespenbussarde sind in Deutschland ziemlich weit verbreitet, aber die Bestandsdichten sind niedrig. Für ganz Deutschland wird der Brutbestand für 2009 mit 4.300 bis 6.000 Paaren angegeben (Gedeon et al. 2014). Der aktuelle Bestandstrend ist aufgrund der heimlichen Lebensweise und der schweren Erfassbarkeit unklar.


Der Wespenbussard führt uns vor Augen, dass Natur- und Artenschutz global gedacht und umgesetzt werden muss und dass weltweit alles mit allem zusammenhängt. Nur wenn die Globalisierung auch beim Erhalt seiner und unserer Lebensgrundlagen gelingt, haben die Zugvögel und wir Menschen eine Zukunft.

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Quellen:

  • Gedeon, K., C. Grüneberg, A. Mitschke, C. Sudfeldt, W. Eikhorst, S. Fischer, M. Flade, S. Frick, I. Geiersberger, B. Koop, M. Kramer, T. Krüger, N. Roth, T. Ryslavy, S. Stübing, R. Sudmann, R. Steffens, F. Vökler & K. Witt (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten, Münster.

  • Komitee gegen den Vogelmord

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