Der Westdeutsche Rundfunk hat am 4. Februar 2018 in der Sendung „Westpol“ der Diskussion über die Freigabe der Baujagd in NRW einen TV-Beitrag gewidmet. Bereits im Vorfeld wurde dieser auf der Website des WDR mit einem kurzen Artikel angekündigt. Leider enthalten Artikel und TV-Beitrag einige eklatante Fehler, von denen hier zumindest die gravierendsten aufgezeigt werden sollen.
Vom WDR mit Intention in ein schlechtes Bild gerückt? Bild: Berndt Fischer
Der politische Hintergrund
Einleitend wird in der Anmoderation des TV-Beitrags unter dem provokanten Titel „Fuchs oder Vogel?“ behauptet, die abgewählte rot-grüne nordrhein-westfälische Landesregierung hätte den Fuchs mit der Einführung des Ökologischen Jagdgesetzes 2015 „unter Schutz gestellt“. Das ist jedoch – leider! – nicht korrekt. Es wurde lediglich die Anwendung einiger besonders grausamer und vielfach als tierschutzwidrig beurteilter Jagdmethoden eingeschränkt (z. B. Haustierabschuss, Baujagd, der Einsatz von Totschlagfallen und die Jagdhundeausbildung an lebenden Füchsen). Das Landwirtschaftsministerium unter Führung der wegen Vorwürfen der Tierquälerei umstrittenen CDU-Politikerin Schulze-Föcking möchte den Einsatz dieser Jagdmethoden nun jedoch entgegen Tierschutz, Vernunft und Wissenschaft wieder freigeben und arbeitet bereits an einer erneuten Änderung des Landesjagdgesetzes.
Das Aktionsbündnis Fuchs, eine bundesweite Initiative von bereits mehr als 50 Organisationen aus dem Tier- und Naturschutz, hat zur Bejagung des Rotfuchses in Nordrhein-Westfalen einen offenen Brief veröffentlicht. Auf Basis wissenschaftlicher Studien und positiver Erkenntnisse aus fuchsjagdfreien Gebieten setzen wir uns für eine ganzjährige Schonung des Fuchses ein. Die Landesregierung in NRW fordern wir dazu auf, nicht dem Druck der Jägerlobby nachzugeben: Der bereits unzureichende Schutz des Fuchses darf keinesfalls weiter aufgeweicht werden. Um die Wiedereinführung der Bau- und Fallenjagd in NRW zu verhindern, haben wir u. A. eine Petition gestartet, in der wir ausführlicher über die Hintergründe informieren.
Dramatische Bilder oder Augenwischerei?
Der eigentliche TV-Beitrag beginnt mit einem Video eines Kiebitzes, der abwechselnd mit einem Rotfuchs gezeigt wird. Letzterer “erbeutet“ schließlich etwas, untermalt von spannender Musik und den eindringlichen Worten des Sprechers. So soll dem Zuschauer die angebliche Gefahr des Fuchses für Bodenbrüter veranschaulicht werden. Tatsächlich wurde für die scheinbar dramatische Szene offensichtlich ein Video einer Kiebitzkamera mit Aufnahmen eines in einem Gehege gehaltenen Rotfuchses bei der Fütterung mit Eintagsküken zusammengeschnitten. Eine derart suggestive Darstellung zulasten des Fuchses empfinden wir bereits als höchst unsachlich. Sie dient nicht einer neutralen Berichterstattung, sondern klar einer bewusst negativen Darstellung des Fuchses und verstärkt die negative Grundstimmung des Beitrags massiv.
Spaltung im Tierschutz: Schlecht recherchiert oder bewusst konstruiert?
Durch den gesamten TV-Beitrag zieht sich die Behauptung, es herrsche Uneinigkeit oder gar ein Streit zwischen Tierschützern, ob man Vögel oder Füchse schützen müsse. Diese Behauptung wird auf die Aussage eines vom WDR „Herr Zerrs“ genannten Vertreters der NABU-Naturschutzstation Niederrhein aufgebaut. Laut Aussage des Sprechers im TV-Beitrag fordert „Herr Zerrs“, großflächig mehr Füchse zu schießen und die im Beitrag ausgestrahlten Szenen seines Interviews scheinen diese Haltung zu bekräftigen. Der NABU-Bundesverband spricht sich jedoch in seinem Positionspapier zur Jagd keineswegs für eine Ausweitung der Fuchsjagd aus, sondern im Gegenteil für eine deutliche Ausdehnung der Schonzeiten sowie ein vollständiges Verbot der Fallen- und Baujagd.
Kunstbaue verkauft der WDR seinen Zuschauern als "Fuchswohnungen" - sie dienen allein dem bequemen, aber brutalen Abmurksen von ganzen Fuchsfamilien. Bild: Fabien Gagnon
Auch die NABU-Naturschutzstation Niederrhein schreibt auf ihrer Website, dass die Reduktion von Beutegreifern mit dem Ziel, bedrohte Arten zu schützen, „aus Tierschutzsicht fragwürdig und praktisch undurchführbar“ sei. Aufgrund dieser Diskrepanz zwischen der offiziellen Position des NABU und den Äußerungen im TV-Beitrag hat das Aktionsbündnis Fuchs den NABU in einem offenen Brief um eine Stellungnahme gebeten. Uns wurde mitgeteilt, dass der Herr, der für den TV-Beitrag interviewt wurde, tatsächlich Dietrich Cerff heißt und der Geschäftsführer der NABU-Naturschutzstation Niederrhein ist. Darüber hinaus erhebt Frau Waschau (Referentin für Öffentlichkeitsarbeit der NABU-Naturschutzstation Niederrhein) in Ihrer Antwort auf unseren offenen Brief schwere Vorwürfe gegen den WDR: „In der Tat bildet der Beitrag weder die Position des NABU und des NABU NRW noch der NABU-Naturschutzstation Niederrhein ab. Dietrich Cerff (…) wurde verkürzt und verfälschend wiedergegeben. Er wurde benutzt, um eine Spaltung in der Fuchsbejagung herbei zu fabulieren, die es so nicht gibt.“
Verharmlosung der Baujagd
Im Beitrag kommt anschließend ein Jäger zu Wort, der die Baujagd am Kunstbau völlig verharmlosend als „Sache von 2 Minuten“ darstellt. Der Grund, warum die Baujagd von Tierschützern kritisiert wird, ist nicht nur, dass Füchse dabei chancenlos sind, sondern dass die Baujagd zu den grausamsten Jagdmethoden überhaupt zählt: Nicht erwähnt werden im Beitrag beispielsweise die verbitterten Kämpfe und schweren Verletzungen bei Füchsen und Bauhunden, zu denen es dabei immer wieder kommt. Auch dass Bauhunde an lebenden Füchsen trainiert und abgerichtet werden, bleibt im Beitrag unerwähnt. Das Aktionsbündnis Fuchs hat zum Thema Baujagd kürzlich eine Pressemitteilung veröffentlicht und klärt darin über einige Aspekte dieser Jagdmethode und ihrer Folgen auf. Von Jägern errichtete Kunstbaue sind keine „Fuchswohnungen“, sondern Orte, die nur einem Zweck dienen: Dem Töten von Füchsen.
Erweiterte Jagdmöglichkeit auf den Fuchs: Kein Grund zur Freude!
Schließlich kommt im Beitrag auch noch Michael Petrak vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz zu Wort: Er behauptet, zwischen ausgestopften Tieren sitzend, es herrsche „fachlich-wissenschaftlich Konsens zwischen Wildbiologie, Jagdwissenschaft und Naturschutz“ und letztendendes seien „alle diejenigen, die sich um Arten der Agrarlandschaft kümmern froh, dass man auf den Fuchs wieder die erweiterte Jagdmöglichkeit hat“. (Anm. Red.: diese Behörde hat mit der lapidaren Begründung, der "Vogelschutz" fordere eine stärkere Bejagung des Fuchses, die Empfehlung für die Baujagd am Kunstbau in ganz NRW ausgesprochen).
Seine Einstellung zur Jagd verwundert nicht, schließlich ist er selbst Jäger. Doch auch ihm sollte nicht entgangen sein, dass die Kritik an der Fuchsjagd insbesondere auch aus Sicht der Wissenschaft seit Jahren stetig wächst. Wenn man von einem wissenschaftlichen Konsens sprechen kann, dann dahingehend, dass die Bejagung von Füchsen sinnlos oder sogar kontraproduktiv ist. Zahlreiche unabhängige wissenschaftliche Studien, die nicht eigennützig von selbsternannten Jagdwissenschaftlern verfasst wurden, sprechen gegen die Fuchsjagd. Das Aktionsbündnis Fuchs hat dazu ein Dokument mit „Erläuterungen und Quellenangaben“ veröffentlicht, das auch darauf eingeht, warum die Jagd bedrohte Arten nicht schützt, sondern oft sogar zu ihrer Gefährdung beiträgt. Überdies lehnt auch eine wachsende Zahl von Bürgern und Organisationen die Fuchsjagd als ethisch, moralisch, epidemiologisch und ökologisch sinnlos ab. Zu behaupten, die Menschen seien froh darüber, dass Füchse völlig grundlos wieder verstärkt bejagt und getötet werden dürfen, zeigt die einseitige Wahrnehmung oder bewusst tendenziöse Darstellung der Sachlage durch Herrn Petrak.
Zu Wort kommt beim WDR auch der Jagdwissenschaftler Dr. Michael Petrak, Vasall der mit Vorwürfen der Tierschutzquälerei konfrontierten Agarministerin Christina Schulze Föcking, und Leiter der Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung des Landes Nordrhein-Westfalen. Bild: Fabien Gagnon
Schaden durch jagdfreundliche Berichterstattung
Durch die Berichterstattung im WDR-Beitrag wurde nach unserer Einschätzung erheblicher Schaden angerichtet: Davon abgesehen, dass die darin verbreitete These, mit flächendeckender Fuchsjagd könne bedrohten Arten geholfen werden, auch inhaltlich längst widerlegter Unfug ist, schwächt der Beitrag die Position des Tierschutzes in der Jagdgesetzgebung – wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, zu dem von Jägerseite gezielt auf eine Rückabwicklung der vom Ökologischen Jagdgesetz eingeführten Verbesserungen hingearbeitet wird.
In diesem Zusammenhang ist es interessant zu wissen, dass seit Dezember 2016 der Landesjagdverband NRW mit einem Sitz im WDR-Rundfunkrat vertreten ist. Der WDR muss sich daher angesichts seiner jagdfreundlichen Berichterstattung die Frage gefallen lassen, ob er noch an einem ausgewogenen, unabhängigen und sachlichen Journalismus interessiert ist, oder ob er sich einseitig von Lobbygruppen manipulieren lässt.
Fuchs oder Vogel?
Die einzig vernünftige Antwort auf diese Frage – und da sollten sich alle Natur- und Tierschützer einig sein – muss lauten: Beide! Immerhin durften im TV-Beitrag abschließend Holger Sticht (BUND) und Norwich Rüße (B‘90/Grüne) zu Wort kommen, deren Aussagen man sich nur anschließen kann.
Unabhängig von Wahlversprechen oder Lobbyismus in der Politik muss dem Natur- und Tierschutz endlich ein gebührender Stellenwert eingeräumt werden. Dem Fuchs darf nicht der schwarze Peter zugeschoben werden, damit seitens der Landesregierung die wirklich notwendigen Maßnahmen nicht in Angriff genommen werden müssen. Denn so wird sich an den Problemen im Artenschutz nichts ändern. Wohin uns die Klüngelei zwischen Politik und Lobbyisten der Jagd- und Landwirtschaftsverbände geführt hat, zeigt sich beispielsweise im dramatischen Artensterben.
Die Frage „Fuchs oder Vogel?“ stellt sich im intakten Ökosystem gar nicht. Doch auch in der Kulturlandschaft ist es die falsche Frage, denn der Fuchs ist nicht verantwortlich für den Rückgang der Bodenbrüter, sondern der Mensch. Dass die Fuchsjagd auch in der heutigen Kulturlandschaft unnötig ist, beweist beispielsweise Luxemburg, wo die Fuchsjagd seit 2015 verboten ist. Wir müssen uns nicht zwischen Fuchs oder Vogel entscheiden, sondern insgesamt für mehr Natur und weniger menschliche Eingriffe.
Und so sollte es das Ziel von Natur- und Tierschutz sein, Lebensräume zu erhalten und wieder zu schaffen, in denen sich die Natur frei von destruktiven menschlichen Eingriffen und jagdlich einseitig motivierter Manipulationen zugunsten einzelner Arten entwickeln kann. In solchen Lebensräumen, die durchaus auch in unserer Kulturlandschaft Platz finden können, koexistieren alle Tiere.