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Lovis Kauertz

Jagd in Rheinland-Pfalz - "Argumente" des Jagdverbands

Hören - Der SWR hat in einem Artikel Jagd in RLP: Wie zeitgemäß ist das noch? sowohl die Argumente der Jagdkritiker als auch die des Landesjagdverbandes Rheinland-Pfalz aufgegriffen. Im Folgenden wollen wir uns kurz den pro-Jagd-Argumenten des Landesjagdverbands Rheinland-Pfalz widmen:


LJV: „Durch das Jagen als Ehrenamt [gemeint ist wohl die Hobbyjagd] könne nachhaltig Fleisch gewonnen werden.“

WTSD: Gegen Wildbret gibt es in der Gesellschaft nur wenige Vorbehalte, wenngleich aufgrund des Bleigehaltes zumindest für schwangere Frauen und Kleinkinder seitens des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR)[1] vom Genuss abgeraten wird. Das Argument der Nahrungsgewinnung wird immer wieder gerne von den Jagdverbänden genutzt, um von der Tötung von etwa 3 Millionen Tieren pro Jahr, die nach dem Schuss ohne Verwertung entsorgt werden, abzulenken[2]. Dieses Argument wird dann auch gerne von Frauen aufgegriffen, die sich für die Jagd entscheiden. Von den Füchsen, Dachsen, Schwänen, Waldschnepfen, die nach dem Tod in der Tonne landen und eben nicht verwertet werden, spricht dagegen beim LJV niemand.

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LJV: „Jäger legen Blühflächen für bedrohte Arten an.“

WTSD: Einige wenige Jäger legen meist mit Fördergeldern aus Landes- oder EU-Mitteln oft unzureichend große Blühflächen für gefährdete, aber nach wie vor bejagbare Arten wie das Rebhuhn an. In Rheinland-Pfalz dürfte der Anteil solcher Flächen gerade mal 0,001 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche ausmachen. Die „ehrenamtlichen“ Jäger würden das wohl kaum machen, wenn Ihnen nicht zugestanden würde, die Rote-Listen-Art auch bejagen zu dürfen. Die Fläche, die für das Aufstellen von Hochsitzen abgeholzt wird, ist übrigens um ein Vielfaches größer, als die der Blühflächen.

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LJV: „Jäger machen Projekte zur Naturbildung mit Kindern.“

WTSD: Jäger machen sich die Unbefangenheit von Kindern zunutze, um sie hinsichtlich ihrer Einstellung zu Tieren, ihrer Meinung und der Werthaltung zu manipulieren. Ziel ist es nicht, Kinder für die Natur und den Respekt vor allen Tieren zu gewinnen, sondern die moralische Diskriminierung von Lebewesen aufgrund ihrer Artzugehörigkeit zu lehren (sog. Speziesismus). Das nennt man nicht Naturbildung, sondern Indoktrination und sollte an Kindergärten und Schulen grundsätzlich untersagt sein.

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LJV: „Jäger halten Hochsitze instand."

WTSD: Hochsitze verschandeln die Landschaft, zumindest dort, wo sie gehäuft aufgestellt wurden. Für Hochsitze werden erhebliche Flächen abgeholzt, nicht genutzte Hochsitze werden fast nie beseitigt, sie verrotten und vermodern und herausstehende Nägel werden zur Gefahr für Wildtiere.

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LJV: „Den vielen ehrenamtlichen Jägern stünden nur etwa 1.000 Berufsjäger gegenüber. Diese wären nicht im Ansatz dazu fähig, das ehrenamtliche Engagement der JägerInnen in der Fläche zu realisieren".

WTSD: Ehrenamt definiert sich wie folgt: „Unter einer ehrenamtlichen Tätigkeit versteht man das Ausüben einer nicht bezahlten Aufgabe, die dem Gemeinwohl der Gesellschaft dient. … Damit rücken vor allem drei zentrale Begriffe in den Fokus, die mit einer ehrenamtlichen Tätigkeit verbunden werden: freiwillig, unentgeltlich und gemeinwohlorientiert.“

Unseres Erachtens ist die Jagd in weiten Teilen weder gemeinwohlorientiert, noch werden als „ehrenamtlich“ ausgeführte jagdliche Tätigkeiten unentgeltlich erbracht. Das „Entgelt“ besteht im Recht, Grund und Boden für die Jagdausübung nutzen zu dürfen. Ohne das Rebhuhn, den Fasan, den Feldhasen irgendwann erlegen zu dürfen, würden wohl die meisten Jäger für diese Tierarten nicht einen Finger krumm machen. Der Jagdausübungsberechtigte orientiert sich i.d.R. allein an seinen vergnügungsgeleiteten Jagdinteressen, nicht am Gemeinwohl. Das nennt man nicht "ehrenamtliches Engagement", sondern "Freizeitgestaltung".

Tier-, Natur- und Artenschutz sind heutzutage Interessen von überragender Bedeutung für die Allgemeinheit. Sie müssen im Zweifel Vorrang vor den persönlichen, freiheitlichen Nutzungsinteressen einzelner Jagdausübungsberechtigter haben.


Wir wollen im Übrigen nicht die Jagd abschaffen, sondern lediglich die freiheitliche, also willkürliche Jagdausübung. Diesem Ziel kommt man nahe, indem die Jagd auf wenige von einer breiten Gesellschaft akzeptierte Tierarten, die in der Regel als Nahrung verwertet werden und die nicht gefährdet sind, beschränkt. Dann gäbe es keine Vogeljagd mehr und keine Jagd auf Fuchs, Dachs und Co. Ehrenamtliche Hobbyjäger würde es dann tatsächlich geben. Die würden in Konfliktsituationen mit Wildtieren unter der Leitung des Naturschutzes eingesetzt, würden Nachsuchen nach Unfallopfern machen und dürften den Forst bei jagdlichen Maßnahmen unterstützen.

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LJV: Ohne Jagd würden Wildbestände laut Jagdverband überhandnehmen. „Die Folgen: Der unter Trockenstress stehende Wald könnte sich durch Verbiss- und Schälschäden nicht ausreichend verjüngen. Gleichzeitig würden Krankheiten und Tierseuchen zunehmen.“

WTSD: Bundesregierung und Landesregierungen sind da anderer Meinung: Gerade deshalb, weil Hobbyjäger in den letzten 70 Jahren eben nicht in der Lage waren, Wildbestände, insbesondere Rehe und Hirsche, zu reduzieren, haben sie Gesetze lanciert oder umgesetzt, die nun eine viel intensivere Jagd z.B. durch die Landesforsten ermöglicht.

Wie die Verbreitung der Afrikanischen Schweinepest zeigt, waren sämtliche vorbeugenden Maßnahmen zur Verhinderung dieser „Seuche“ nicht zielführend. Es gibt keine Belege für die Aussage, dass Krankheiten und Tierseuchen ohne Jagd zunehmen würden. In der Literatur gibt es sogar Studien [3,4], die zu dem Ergebnis kommen, dass gerade durch die Jagd Krankheiten oder Seuchen verbreitet werden.

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LJV: Eine Selbstregulierung der Natur, wie sie Tierschützer fordern, gebe es nur bedingt. Als Beispiel führt der LJV den Rotschenkel an, der zur Brut dringend Salzwiesen benötigt. "Sollten diese durch Landwirtschaft oder Beutegreifer wie Fuchs, Marder, Waschbär etc. bedroht sein, bleibt ein Bruterfolg gänzlich aus und die Art stirbt schlussendlich aus."

WTSD: Da fragt man sich doch zum einen, was der Rotschenkel mit dem Thema Selbstregulierung zu tun hat, und zum anderen, warum überhaupt der Rotschenkel vom LJV Rheinland-Pfalz angeführt wird. Der Rotschenkel brütet in Rheinland-Pfalz nicht, der ist hier allenfalls auf der Durchreise anzutreffen und von daher per se nicht durch irgendwelche Fressfeinde bedroht. Die Jagd ist darüber hinaus auch gar nicht in der Lage, Bestände von Füchsen, Waschbären oder Mardern in irgendeiner Form in der Breite zu regulieren. Das zeigen viele Studien zur Populationsdynamik dieser Tierarten auf, aber auch (weitgehend) jagdfreie Gebiete wie der Kanton Genf, Luxemburg (keine Fuchsjagd) oder Kernzonen von Nationalparks, in denen z.B. keine Füchse erlegt werden dürfen, und sich die Tiere dennoch nicht übermäßig verbreiten.

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[1] Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Forschungsprojekt „Lebensmittelsicherheit von jagdlich gewonnenem Wildbret“. 12.2014. (aufgerufen: 10.2022) [2] Wildtierschutz Deutschland. „Über die Hälfte der Jagdstrecke wird nicht verwertet“ https://www.wildtierschutz-deutschland.de/single-post/verwertung-wildtiere-jagd. 01.2021

[3] Debbie, J. (1991): Rabies control of terrestrial wildlife by population reduction. In: Baer, G.M.

(Ed.), The natural History of Rabies. CRC Press, Boca Raton.

[4] Kaphegyi, T.A. (2002): Untersuchungen zum Sozialverhalten des Rotfuchses (Vulpes vulpes L.).

Dissertation, Forstwissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Brsg, Freiburg

im Breisgau.


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