„Stille ist nicht nur die Abwesenheit von Lärm, sondern ein Schweigen, das den Menschen Augen und Ohren öffnet für eine andere Welt.“ (Serge Poliakoff)
Hören - Der Herbst malt die Blätter bunt und sorgt für Farbtupfer, wenn die Kraft der Sonne nachlässt und die Tage kürzer werden. Mit dieser Jahreszeit zieht auch die Stille in den Wald ein. Im Trubel des Alltags tut es gut, wenn nicht nur die Ohren mal eine Pause haben. Schön ist es im Schermbecker Wald, als wir Ende Oktober die mittlerweile schon vertrauten Waldwege entlang spazieren. Normalerweise sind wir in der Dämmerung oder Dunkelheit unterwegs. Dann traut sich auch das Rotwild aus der Deckung. Im Schutz der Dunkelheit sind auch Dachse, Eulen, Marder, Wildschweine und Füchse aktiv, die wir mit unserer Wärmebildkamera gern beobachten.
Heute wollen wir mal den Herbstwald in seiner ganzen Pracht erleben und die letzten Sonnenstrahlen genießen. Seite an Seite und ohne viele Worte bewegen wir, Martin und ich, uns weiter in den Wald hinein. Mit achtsamem Blick entdecken wir die Spuren der Tiere, die sich nachts schon häufiger im Wärmebild gezeigt haben. Trittsiegel von Rotwild, Reh, Hunde- oder vielleicht auch Wolfsspuren, eine Fuchslosung und die Hinterlassenschaft eines Marders. Wir hören die Rufe der Eichelhäher, die andere Waldbewohner vor uns warnen. Wir erwarten nichts und bleiben immer wieder stehen um in die Stille des Waldes zu lauschen. Nur ab und zu hört man das zarte Klopfen eines Buntspechts und einmal das langgezogene „klüüüh“ eines Schwarzspechts. Wir riechen den feuchten Waldboden und atmen die würzige Waldluft tief in unsere Lungen ein. Die Magie des Waldes hat mal wieder die Reset-Taste gedrückt, der Alltagsstress ist wie weggeblasen, Entspannung pur. Auf einem umgestürzten Baumstamm machen wir eine Pause und futtern unsere mitgebrachten Brote, bevor wir unseren Spaziergang fortsetzen.
Nach ca. acht Kilometern sehen wir im hohen Gras einer Wiese eine Bewegung. Ich denke es ist eine Katze und Martin vermutet ein Reh, bis es sich am Rand der Wiese zeigt. Wir halten die Luft an und können es kaum glauben, es ist ein Fuchs! Das Tier, das wir in unserer Region so selten zu Gesicht bekommen. Beim Anblick der Füchsin machen unsere Herzen Freudensprünge. Wunderschön sieht sie aus mit ihrem feinen hellen Gesicht, dem buschigen Schwanz und ihren tiefschwarzen Beinen. Wir schauen ihr gebannt beim Mäuseln zu, dabei fasziniert uns ihr Ohrenspiel ganz besonders. Wie beweglich sie doch sind.
Daniel Peller schreibt in seinem Buch „Die Weisheit der Füchse“: „Der Fuchs wendet den Kopf mal ein wenig nach links mal nach rechts, wieder und wieder bewegen sich dabei die spitzen Ohren. Schließlich setzt er unendlich vorsichtig die Pfote ab und macht im Zeitlupentempo noch einen halben Schritt nach vorne. Dann, urplötzlich katapultiert er sich in einem eleganten Bogen in die Luft und stößt mit Vorderpfoten und Schnauze zu (…). Fuchsohren sind deutlich empfindlicher als die eines Menschen und nehmen hochfrequente Töne bis zu 65 Kilohertz wahr, während der menschliche Hörbereich schon etwa bei 20 Kilohertz endet. Zudem können Füchse ihre Ohren sehr exakt ausrichten. Dadurch sind sie in der Lage, die Geräusche einer Maus noch unter einer 30 cm dicken Schneedecke punktgenau zu orten.“
Gebannt beobachten wir, wie die Füchsin mehrmals kopfüber vor uns ins Gras springt. Die Konzentration, das Ohrenspiel und ihre Geduld faszinieren uns und wir stellen fest, dass selbst für sie das Mäusefangen nicht leicht ist. Etwas Glück gehört wohl auch dazu. Minutenlang zeigt die Füchsin sich beim Beutefang und während ich erstaunt durchs Fernglas starre, um keinen dieser wertvollen Augenblicke zu verpassen, hat Martin seine Kamera auf Video eingestellt. Eine solche Fuchsbegegnung hat uns gerade noch gefehlt. Was für ein krönender Abschluss eines ohnehin sehr schönen Nachmittages im Schermbecker Herbstwald.
+++