Hören | „Willkommen im Spielzimmer der Füchse“, das große Banner mit niederländischer Aufschrift weckt unsere Vorfreude auf die vor uns liegenden Stunden im jagdfreien Naturschutzgebiet. Die Amsterdamse Waterleidingduinen beherbergen eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren. Die Sanddünen filtern Regenwasser und sind seit dem 19. Jahrhundert die Quelle für das Trinkwasser der Stadt Amsterdam. Etwa ebenso lang werden dort Füchse gesichtet. Sie sind an die Anwesenheit von Menschen gewöhnt und wurden bzw. werden dort nicht gejagt.
Keine Hochsitze, keine Fallen, keine Schüsse, kein Müll, kein Autolärm, stattdessen erwartet uns Vogelgezwitscher, Sanddünen, skurrile vom Wind geformte Bäume, Sonnenschein und frische salzige Meeresluft, Urlaubsflair und pure Erholung. Gemütlich schlendern wir ins weitläufige Gebiet und sind gespannt, ob wir heute einen Fuchs sehen werden. Der viele Regen zuvor hat das Gras wachsen lassen. Mitten im Grasdschungel zeichnet sich ein schmaler Trampelpfad ab, dem wir neugierig folgen. Wie eine Schlange windet er sich über eine Kuppe hinweg und führt uns hinab zu einer Wasserstelle. Aus einiger Entfernung erkennen wir zwei Frauen, die mit Fotoapparaten hantieren und unser Interesse wecken.
Sollte dort ein Fuchs sein? Mit größter Vorsicht pirschen wir uns näher und hören bald das Surren und Klicken der Kameras. Noch bleibt das Fotomotiv für uns verborgen. In den freudigen Gesichtern der Fotografinnen lesen wir, dass es etwas besonders Schönes sein muss, was sie dort im Visier haben.
Als wir nur noch wenige Meter von den Frauen entfernt stehen bleiben und endlich freie Sicht haben, können wir unser Glück nicht fassen. Wir sehen einen Rotfuchs vor einem umgestürzten Baumstamm in der Sonne liegen. Ein junger Fuchsrüde hatte offenbar die frühen Nachmittagsstunden für ein kleines Nickerchen nutzt. Jetzt schaut er verschlafen in unsere Richtung. Ups, er hat uns bemerkt und wir hoffen inständig, dass er nicht sofort die Flucht ergreift. Füchse haben ein ausgezeichnetes Gehör und eine feine Nase. Dass sie Menschen nicht riechen können, erfahren wir in unseren Wäldern nur allzu oft.
Dieser Fuchs ist anders, er liegt immer noch an Ort und Stelle und macht keine Anstalten zu flüchten. Auch das Blitzlichtgewitter scheint ihm nichts auszumachen. Wir sind verblüfft darüber, wie sich das Tier verhält und wollen diesen einzigartigen Moment vom Chilling Fox auch mit unseren Kameras festhalten. Hin und wieder blinzelt er, gähnt herzhaft und steht ganz gemächlich auf. Er schaut uns neugierig und ohne Scheu an. Großes Interesse zeigt er an unseren abgelegten Rucksäcken, an denen er zu schnuppern beginnt. Ob er die Brote und kleinen Leckereien riecht? Eine der beiden Niederländerinnen erzählt uns, dass sie fast täglich im Gebiet ist und die Füchse besucht. Als die Frau kurz verschwindet, um die Buschtoilette aufzusuchen, läuft ihr der Fuchs zu unserem Erstaunen hinterher. Kurze Zeit später verabschieden sich die Fotografinnen von uns, der Fuchs ist nicht mehr zu sehen.
Wir sind unendlich dankbar, dass wir Zeugen dieser Szenerie wurden und beschließen an diesem für uns magischen Ort eine Pause einzulegen und unsere mitgebrachten Brote sowie das Gemüse zu verzehren. Zu unserer Verblüffung taucht der schöne Fuchsrüde plötzlich wieder auf. Hatte ihn womöglich der Geruch unserer Leckereien zur Umkehr bewegt? Vorsichtig nähert er sich und schnüffelt an der Brotdose. Dabei hebt er immer wieder den Kopf, schaut uns an und verfolgt unsere Reaktion. Wir sind fasziniert diesem Wildtier einmal so nahe zu kommen. So verhält sich also der Schlauberger, wenn er die unnatürliche Scheu vorm Menschen nicht besitzt. Vorsichtig und respektvoll nähert er sich uns noch mehrmals, bevor er eine andere Richtung einschlägt und verschwindet.
Wir wünschen uns einen solchen Respekt dem Fuchs gegenüber. An diesem friedvollen Ort darf der Fuchs noch Fuchs sein: Mutig, neugierig, verspielt und nicht so scheu und ängstlich wie in unseren Wäldern, die leider immer noch Spielzimmer der Jäger sind.
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