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Dr. Martin Steverding

Der Mittagsfuchs – Besuch in der Dünenlandschaft bei Amsterdam

Hören | Die Dünenlandschaft flimmert in der warmen Mittagssonne. Ein etwas zerzaust wirkender erwachsener Fuchsrüde trottet hechelnd über eine eingezäunte karge Wiese. Vor dem hohen Gitterzaun wartet eine ganze Meute von Naturfotografen, ein Teleobjektiv länger als das andere. Der Fuchs hält genau auf die Gruppe zu. Die Objektive drücken an das Gitter, die Kameras laufen heiß. Völlig ungeachtet der Personen steckt der Fuchs zuerst seinen Kopf durch den Zaun und zieht den restlichen Körper durch die enge Masche, um dann weiter mit sehr gemächlichem Tempo mitten durch die Fotografengruppe hindurchzugehen. Stoisch bummelt er weiter über die sandigen Wiesen, die ihm folgenden Naturpaparazzi scheinen ihn überhaupt nicht zu interessieren.



Was ist mit diesem Fuchs los? Tollwut? Räude? Staupe?... Mitnichten! Es ist ein gesunder Fuchs mit natürlichem Verhalten. Ein zerzaust wirkendes Fell ist um die Zeit des Haarwechsels Mitte Mai normal. Auch die Aktivität am Mittag ist nicht ungewöhnlich. Füchse lieben sonniges Wetter, solange es nicht allzu heiß ist. Sie aalen sich gern im Sonnenschein, schließen genießerisch ihre Augen und lassen ihr Fell wärmen.

Warum zeigt der Fuchs keine Spur von Angst vor Menschen? Warum macht er sich nicht einmal die Mühe, auch nur einen Meter auszuweichen oder einen kleinen Schritt schneller zu gehen? Er hat Menschen nie als Gefahr kennen gelernt. Wir befinden uns in den Amsterdamse Waterleidingduinen, einem wunderschönen Naturreservat vor den Toren der Großstädte Amsterdam und Haarlem. Hier gibt es keine Fuchsjagd. Die Füchse nehmen Menschen daher nicht als Gefahr wahr, im Gegenteil: Menschen werden entweder neugierig in Augenschein genommen, weil sie manchmal Fressbares fallen lassen, oder einfach ignoriert.


Einige Hundert Meter weiter kreuzt eine Fähe unseren Weg und es gelingen uns Portraitfotos von der grazilen Schönheit – sie bleibt uns in Erinnerung als die Füchsin mit dem lieben Blick. Die Welpen bekommen wir nicht zu sehen, da wohl an den Vortagen die Fotografen zu aufdringlich gewesen waren. Wir erfuhren, dass die Füchsin ihren Nachwuchs wohl an einen anderen Ort gebracht hatte. Auch diesen so zutraulichen Füchsen kann es zu viel werden.


Wir sind überwältigt, diesen wunderschönen Tieren so nahe zu kommen. Aus unserer Heimatregion im Münsterland in Nordrhein-Westfalen sind wir es gewohnt, Füchse wenn überhaupt, nur nachts mit der Wärmebildkamera oder auf unseren Wildkameras zu sehen. Die extreme Bejagung macht die Füchse scheu, sie verängstigt sie, sie lässt eine Landschaft der Angst entstehen. Nur im Schutz der Nacht trauen sich die Füchse aus ihren Tagesverstecken und vermeiden es sogar, im Mondschein offene Flächen zu überqueren. Es ist nur der enormen Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Intelligenz der Füchse zu verdanken, dass sie unter diesem Druck überhaupt überleben. Ein gutes Leben führen sie jedoch nicht.


Füchse sind mitnichten heimliche, scheue Nachtwesen, sondern sie können zu Nachttieren werden, wenn es für ihr Überleben sein muss, wenn die Jagd sie dazu zwingt. In den Amsterdamse Waterleidingduinen, wo die Füchse keine Jäger fürchten müssen, zeigen sie ihr natürliches Verhalten: Neugierige schlaue Wesen, die den Sonnenschein lieben, die den Tag genießen, die unbeschwert spielen und die durchaus Besucher austricksen können, um an ihre Käse- oder Wurstbrötchen zu gelangen – Füchse eben!


Die zauberhaften Begegnungen mit ihnen werden wir nie vergessen und wir kämpfen jetzt erst recht dafür, dass die Füchse auch bei uns Füchse sein dürfen.

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