Pünktlich vor Weihnachten ist es raus: Der neue Koalitionsvertrag in Hessen hat mit Tierschutz nicht mehr viel zu tun! Während die CDU noch nie einen Hehl aus ihrer Sympathie für die Interessen der Freizeitjäger machte, können die Wahlaussagen der Grünen jetzt nur noch als Täuschung bezeichnet werden – als Schlag ins Gesicht der Wähler, die den Aussagen zum Thema Tierschutz Glauben schenkten!
Dabei lesen sich die Absichtserklärungen zum Tierschutz im Koalitionsvertrag erst einmal ganz gut. Allerdings: Der Tierschutz wird auf Bundesebene entschieden und nicht in Hessen! Im Bundesrat hingegen wird sich Hessen der Stimme enthalten, wenn CDU und Grüne unterschiedlicher Meinung sind (wovon in Sachen Tierschutz auszugehen ist).
Es wird also wieder nichts passieren, wie die Zementierung der skandalösen Zustände in der Agrarindustrie wie beispielsweise Küken-Schreddern, betäubungslose Ferkelkastration, Kastenstände für Muttersauen usw. zeigen.
Der Herodes-Plan der Grünen: Killt die Waschbärbabies! Bild: Heiko Anders
Wild- und Haustiere vom Hessischen Jagdgesetz und der Hessischen Jagdverordnung betroffen Im Gegensatz zur Änderung im Tierschutzgesetz hat das Land Hessen allerdings alle Möglichkeiten bei der Ausgestaltung des Jagdrechts – und hier gibt es böse Überraschungen, die Wildtiere und Haustiere gleichermaßen betreffen! Obwohl die Grünen durch ihr gutes Wahlergebnis großen Einfluss auf die Gestaltungsmöglichkeiten in der neuen Landesregierung haben, scheint der Tierschutz nicht mehr unbedingt zu ihren politischen Themen zu gehören: Die schwarz-grüne Koalition hat nun geplant, die kleinen Verbesserungen für den Tierschutz, die die Hessische Jagdverordnung von Dezember 2015 gebracht hatte, wieder rückgängig zu machen. Dabei war es gerade der Verdienst der Grünen, dass erstmals in Hessen eine Schonzeit auch für Fuchs und Waschbär während der Aufzuchtzeit ihrer Jungtiere festgelegt und gegen den erbitterten Widerstand der Freizeitjäger verteidigt wurde – zumindest bis zur Landtagswahl im Oktober 2018!
Noch im Spätsommer 2018 positionierten sich die Grünen im „Tierschutzcheck“ für die Beibehaltung und Ausweitung der Schonzeitenregelung: „Die auf unsere Initiative hin per Hessischer Jagdverordnung bereits erreichten Verbesserungen bei den Jagd- und Schonzeiten im Hinblick auf den Arten- und Tierschutz dürfen in der kommenden Legislaturperiode nicht wieder zurückgenommen, sondern sollten mit Blick auf andere Tierarten weiter entwickelt werden. Dazu gehört für uns insbesondere auch die dauerhafte Festlegung ganzjähriger Schonzeiten für Rebhuhn, Blässhuhn, Türkentauben und Möwen.“
Stattdessen wird nun mit dem Herodes-Plan – der ausdrücklichen Erlaubnis zum Töten von Waschbärbabys – nicht nur das Staatsziel Tierschutz geopfert, sondern auch die politische Glaubwürdigkeit. Von der Abartigkeit solcher Pläne ganz zu schweigen.
Genauso ernüchternd ist die Ankündigung, das Hessische Jagdgesetz nicht verändern zu wollen, weil es sich bewährt hätte (fragt sich nur, für wen?). Das hatte die CDU bereits vor der Wahl der einflussreichen Jägerlobby versprochen „Dafür haben wir in der auslaufenden Legislatur gesorgt und dafür werden wir uns künftig einsetzen“ - und Wort gehalten, dank der Gleichgültigkeit des grünen Koalitionspartners. Das dieses „Weiter-So“ im Hessischen Jagdgesetz aber zu Lasten des Tierschutzes geht und verfassungswidrig ist, scheint den politisch Verantwortlichen ziemlich egal zu sein.
Die Tötungserlaubnis für Hunde und Katzen Wer jetzt als Hunde- oder Katzenbesitzer glauben mag, dass ihn das Alles nichts angeht, irrt sich aber gewaltig: Im Hessischen Jagdgesetz bleibt weiterhin das Töten von Hunden und Katzen erlaubt!
Jedes Jahr kommen allein in Hessen tausende von Katzen nicht mehr nach Hause. Bild: DH, Wildtierschutz Deutschland
Für den geplanten Haustierabschuss erhält der Jagdgast gar die schriftliche Erlaubnis des Jagdpächters, bevor er auf die Pirsch geht – Pech, wenn die Hauskatze gerade 300 Meter vom Haus entfernt vom Freizeitjäger „jagend angetroffen“ wird, weil sie gerade vor einem Mauseloch lauert … Aber selbst das Nachbargrundstück im Wohngebiet kann für Katze Minka und Kater Schnurri zur tödlichen Falle werden, denn nach dem Hessischen Jagdgesetz darf jeder Hausbesitzer, Mieter oder Gartenpächter mit ausreichend Killerinstinkt in seiner Eigenschaft als „Nutzungsberechtigter von befriedeten Grundstücken … Kaninchen und Beutegreifer fangen, töten und sich aneignen.“
Diese perverse und tierschutzwidrige Erlaubnis ist ebenfalls ein Grund dafür, dass jährlich Tausende von Hauskatzen von ihren Streifzügen in die Nachbarschaft nicht mehr nach Hause kommen. Alleine in Hessen werden laut TASSO jährlich ca. 4.000 kastrierte, gekennzeichnete und registrierte Hauskatzen als vermisst gemeldet, von denen 2.800 spurlos verschwunden bleiben.
Kater Schnurri ist weg? Fragen Sie in der Nachbarschaft und beim Jagdpächter nach und bedanken Sie sich bei Schwarz-Grün ….
Ausbildung von Jagdhunden an lebenden Tieren Nach dem Tierschutzgesetz ist es verboten „… ein Tier an einem anderen lebenden Tier auf Schärfe abzurichten und zu prüfen“ – in Hessen allerdings ist und bleibt diese tierschutzwidrige Praxis erlaubt: In Hessen dürfen Jagdhunde sowohl an gezüchteten lebenden Fasanen, Rebhühnern und Stockenten als auch an zahmen Füchsen ausgebildet und geprüft werden. Wer das nicht glauben mag, kann das ganze tierschutzwidrige Prozedere in der Brauchbarkeitsprüfungsordnung (BPO) für Jagdhunde des Landesjagdverbandes Hessen nachlesen, dem die Ausbildung und Prüfung von Jagdhunden 1997 übertragen wurde. Wenn man den Bock zum Gärtner macht …
Verbandsklagerecht ade …, Tierschutz ade … „Wo kein Kläger, da kein Richter“ – eine Binsenweisheit. Man muss sich daher nicht wundern, dass das Staatsziel Tierschutz ein zahnloser Papiertiger im Grundgesetz bleibt: Während die Tiernutzer gegen behördliche Auflagen ihrer Tierhaltung und -nutzung klagen dürfen, können die Tiere nicht klagen, die Tierschutzverbände dürfen nicht klagen und die Veterinärbehörden sind weisungsgebunden.
In Art. 20a GG ist der Tierschutz gleichberechtigt mit dem Umweltschutz als Staatsziel normiert: „Der Staat schützt … die Umwelt und die Tiere …“. Trotz Gleichstellung im Grundgesetz ist das Verbandsklagerecht für Umwelt- und Naturschutzorganisationen bereits 2002 auf Bundesebene etabliert worden, während das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzverbände Ländersache und damit abhängig von der jeweiligen Landesregierung ist.
Die Grünen hatten noch beim „Tierschutzcheck“ vollmundig geantwortet: „Wir Grüne fordern seit vielen Jahren das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen auf Landesebene und werden uns weiterhin dafür einsetzen.“ Im Koalitionsvertrag findet sich allerdings nichts dergleichen, was bestenfalls als grüne politische Amnesie bezeichnet werden kann. Oder einfach nur als Verrat.
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Quellen: Grundgesetz: Art. 20a Bundesjagdgesetz: §§ 6, 26 Hessisches Jagdgesetz: §§ 5, 23, 32 Hessische Jagdverordnung: § 2 Tierschutzgesetz: §§ 1, 3, 4, 17 BPO Hessen: Punkt 2.3, Punkt 5 Tierschutzcheck zur Landtagswahl 2018 in Hessen – Die Antworten der Parteien
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