Hören - Im Artikel „Immer mehr Luchse in Hessen“ auf pirsch.de vom 16.09.2023 ist zu lesen, dass das Muffelwild durch den Luchs bedroht sei. Der Luchsbestand im Harz sei „außer Kontrolle geraten“, das Muffelwild sieht sich „der eigenen Ausrottung gegenüber“.
Mufflons können in den Wäldern Mitteleuropas durchaus von Luchsen ausgerottet werden. Man muss aber wissen: Mufflons sind hierzulande nicht heimisch, sondern sie wurden als Jagdwild hier ausgesetzt und leben hierzulande in völlig artfremden Lebensräumen. Mufflons sind Wildschafe, von denen unsere Hausschafe entweder direkt abstammen oder die den Ahnen der Hausschafe sehr nahestehen. Sie stammen aus felsigen Landschaften des Mittelmeerraumes. Dort ist es für sie ein Leichtes, Beutegreifer in den steilen und steinigen Hängen abzuschütteln.
Die Wälder Deutschlands, in denen Mufflons ausgesetzt wurden, haben mit ihren natürlichen Lebensräumen wenig gemeinsam. Sie sind Luchs und Wolf schutzlos ausgeliefert, weil es keine Steilhänge gibt, in denen die gut kletternden Wildschafe sich vor den Beutegreifern in Sicherheit bringen könnten. Sie sind in den hiesigen Wäldern nicht in der Lage, ein artgerechtes Leben zu führen. Sie haben nur deshalb einige Zeit überlebt, weil Luchs und Wolf als natürliche Bestandteile der heimischen Ökosysteme weiträumig ausgerottet waren. Jetzt kehren mit der Rückkehr der großen Beutegreifer allmählich wieder natürliche Verhältnisse ein und es werden die Folgen der gezielten Faunenverfälschung durch die Jäger sichtbar.
Es ist unverantwortlich, fremde Tierarten für das Jagdvergnügen einzuschleppen, insbesondere dann, wenn sie hierzulande nicht in der Lage sind, ein artgerechtes Leben zu führen. Noch unverantwortlicher ist es, deswegen gegen den Luchs zu wettern. Diese Stimmungsmache dürfte den Nährboden für eine weitere illegale Verfolgung des nach wie vor hochgradig bedrohten Beutegreifers bereiten. Sie ist Grund zu ernster Sorge, dass die positive Entwicklung des Luchsbestandes im Harz schnell wieder ins Gegenteil verkehrt wird. Die zahlreichen Abschüsse von Luchsen im Bayerischen Wald und in anderen Gebieten zeigen, wie stark die Bedrohung für die größte europäische Wildkatzenart nach wie vor ist.
Wahrscheinlich werden Luchs und Wolf das Muffelwild in den hiesigen Wäldern früher oder später ausrotten. Makaber ausgedrückt korrigieren sie damit nur die Faunenverfälschung und sorgen für die Wiederherstellung natürlicher Verhältnisse. In dieser Phase werden die Mufflons unter dem zahlreichen Verlust ihrer Sozialpartner, unter der Dezimierung ihrer Gruppen leiden und vielleicht sogar ihre Ausweglosigkeit realisieren. Für dieses Leid sind aber nicht die heimischen Beutegreifer verantwortlich, sondern diejenigen, die die Wildschafe als lebendige Zielscheiben für ihr tödliches Freizeitvergnügen in völlig artfremden Lebensräumen ausgesetzt haben. Die Jäger sollten jetzt lieber auf die Jagd auf Muffelwild verzichten, um ihnen noch mehr Leid zu ersparen.
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