Umgang mit dem Wolf: Demontage eines wirksamen Schutzsystems
- Dr. Martin Steverding / Lovis Kauertz
- vor 3 Stunden
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Die europäische Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) war, solange sie – wie international ratifiziert – berücksichtigt wurde, ein wirksames Schutzsystem für die Artenvielfalt in Europa. Der EU-Rat (Änderung Berner Konvention) und das Europäische Parlament (Änderung FFH-Richtlinie) sind im Rahmen der Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes in einem entscheidenden Punkt von der Richtlinie abgewichen: Wesentlich durch die Lobbyarbeit von Landwirtschafts- und Jagdverbänden beeinflusste politische Erwägungen wurden über entscheidungsrelevante wissenschaftliche, artenschutzfachliche Grundlagen gestellt. Stattdessen orientierte sich die EU-Kommission an den Ergebnissen eines von ihr in Auftrag gegebenen technischen Reports, der wissenschaftlich nicht überprüft wurde.

Der Verdacht liegt nahe, dass diese Entscheidung einen Präzedenzfall für die Regulierung anderer streng geschützter Arten wie Biber oder Fischotter schaffen könnte, sobald diese Tierarten als Beeinträchtigung wahrgenommen werden. Gegen die Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes wurde u.a. von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) unter dem Schirm der italienischen Umweltorganisation „Green Impact“ eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof eingereicht und angenommen.
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Meldung des Erhaltungszustands in Deutschland
Die EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, alle sechs Jahre den Erhaltungszustand geschützter Arten zu melden. Verschiedene Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Bedeutung des Erhaltungszustands, zuletzt in einer Spanien betreffenden Klage, bestätigen, dass bei der Bewertung des Schutzstatus der nationale Erhaltungszustand maßgeblich ist und nicht allein auf regionale oder biogeografische Populationen abgestellt werden kann. Die Bundesregierung hat entgegen dieser Rechtsprechung die Bewertung nicht für das gesamte Staatsgebiet, sondern differenziert nach biogeografischen Regionen vorgenommen, wie aus einer gemeinsamen Pressemitteilung des Umwelt- und Landwirtschaftsministeriums vom 31. Juli d.J. hervorgeht (s.u.):
Atlantische Region: Diese Region, die Teile von Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen umfasst, wurde mit einem günstigen Erhaltungszustand gemeldet, obwohl große Teile davon nach wie vor keine Wolfspopulation aufweisen.
Kontinentale Region: Für diese größte Region, die auch die Kerngebiete der Wolfsverbreitung im Osten Deutschlands einschließt, wurde vorläufig ein unbekannter Erhaltungszustand gemeldet. Diese Bewertung steht im Widerspruch zu der umfangreichen Datengrundlage, die durch die deutsche Wolfsforschung zur Verfügung steht.
Alpine Region: Für dieses Gebiet, das flächenmäßig den geringsten Anteil ausmacht, wurde auf eine Meldung verzichtet. In diesem Bereich bestehen Konflikte bezüglich des Wolfes und der Almwirtschaft, was sich auch in den Bestandsregulierungen in Nachbarländern wie der Schweiz widerspiegelt.
Die Bewertung des Erhaltungszustands des Wolfes und die dazugehörige Pressemitteilung trägt auffallend die Handschrift des Bundeslandwirtschaftsministers, weniger die eines gewissenhaften Umweltministers. Die angekündigte Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht öffnet das Tor zu einer Bestandsregulierung und verschließt möglicherweise den Rechtsweg über das Bundesnaturschutzgesetz. Der Umgang mit Konfliktsituationen ist bereits jetzt im Bundesnaturschutzgesetz geregelt und ermöglicht Abschüsse einzelner Wölfe.
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Abweichende Bewertung der Fachbehörde
Das Bundesamt für Naturschutz (BfN), die wissenschaftliche Fachbehörde für den Naturschutz in Deutschland, hat eine abweichende Einschätzung vorgenommen. Es bewertet den Erhaltungszustand des Wolfes für ganz Deutschland mit ungünstig bis schlecht. Die Begründung dafür basiert auf zwei Hauptfaktoren:
Die aktuelle Verbreitung des Wolfes liegt auf weniger als einem Drittel des Staatsgebiets.
Die Population ist von hohen Verlusten durch Straßenverkehr und illegale Tötung betroffen, die zum Verschwinden ganzer Rudel führen können.
Diese Expertise des BfN wurde bei der Erstellung der ministeriellen Meldung an die EU-Kommission nicht zugrunde gelegt.
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In einer hörenswerten Sonderausgabe des Wolfspodcasts wird dazu aufgerufen, Mails an das Umweltministerium zu schreiben, um gegen die wissenschaftlich unbegründete Meldung eines günstigen bzw. unbekannten Erhaltungszustands zu protestieren. Bitte senden Sie ihre Mail an: poststelle@bmukn.bund.de.
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