top of page

Wiesenvögel, Teil 2: Prädationsmanagement mit der Waffe nicht zielführend

  • Dr. Martin Steverding
  • 26. März
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 18. Apr.

Hör mal rein |Ein großer Vogel mit einem enorm langen gebogenen Schnabel gleitet langsam auf die nasse Wiese hinab. Seine lauten Flötenrufe werden immer schneller und enden in einem klangvollen und sehr weit hörbaren Triller, bevor er landet und den Schwung mit schnellem Lauf seiner langen Beine abfängt. Der Gesang des Großen Brachvogels gehört zu den markantesten und schönsten heimischen Vogelstimmen. 

Großer Brachvogel, Wiesenbrüter. Bild: Dr. Martin Steverding
Großer Brachvogel, Bild: Dr. Martin Steverding

Er ist aber nur noch selten zu hören, denn unser größter Watvogel ist bundesweit vom Aussterben bedroht. Ähnlich ergeht es der Uferschnepfe, dem Rotschenkel, der Bekassine und auch dem ehemals allgegenwärtigen Kiebitz. Diese Vogelarten werden oft als „Wiesenvögel“ bezeichnet. Ihre Lebensräume, nasse Wiesen und offene Niedermoorlandschaften, sind rar geworden. Kiebitze brüten zwar auch auf Äckern, aber mit geringem Bruterfolg.


Die genannten Arten brüten alle am Boden und sind Nestflüchter, d. h. die Küken verlassen die Nestmulde wenige Stunden nach dem Schlüpfen und werden dann von ihren Eltern geführt, bewacht und verteidigt. Die Wiesenvögel haben unterschiedliche Strategien entwickelt Beutegreifern zu entgehen oder sie abzuwehren. Während Kiebitze weitgehend auf Verteidigung setzen, praktiziert die Bekassine die maximale Versteckstrategie. Ihre Brutplätze sind in der Vegetation verborgen und von Wasser umgeben, so dass sie für Säugetiere kaum auffindbar und erreichbar sind. Die anderen Wiesenbrüter praktizieren eine Mischstrategie aus Verstecken und Abwehren.


Im Wiesenvogelschutz in Deutschland zählt das „aktive Prädationsmanagement“ inzwischen zum Standardprogramm. Es bedeutet nichts anderes als die Eliminierung von Beutegreifern (= Prädatoren) am Boden, also in erster Linie Fuchs, Marder, Wiesel, Iltis und Waschbär. Dies geschieht mit allen verfügbaren jagdlichen Methoden einschließlich Fallenjagd, Baujagd und dem Töten von Fuchswelpen am und im Bau.


Bei den LIFE-Wiesenvogelprojekten in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen wurde dazu jeweils ein Berufsjäger angestellt und eine große Zahl von Betonrohrfallen angeschafft. Nach Auskunft des Berufsjägers im LIFE-Projekt NRW sind es allein dort deutlich über 100 Fallen zum Preis von jeweils etwa 1.000 €. Finanziert werden die Personalstellen der Jäger und die Fallen in den LIFE-Projekten überwiegend aus Mitteln der EU und damit aus unseren Steuergeldern. Diese sind zwar grundsätzlich im Artenschutz gut angelegt, aber im Fall des sogenannten „aktiven Prädationsmanagements“, also der gezielten Tötung von zahlreichen Tieren, ist die Verwendung mehr als fragwürdig.


Unvollständiges Gelege eines Brachvogels. Bild: Dr. Martin Steverding
Unvollständiges Gelege eines Brachvogels. Bild: Dr. Martin Steverding

Auf den Projekt-Websites lässt die Beschreibung des Themas hinsichtlich Verständlichkeit und Transparenz zu wünschen übrig. Für den Leser ohne Vorkenntnisse erschließt es sich kaum, was das Prädationsmanagement bedeutet. Auf Fachvorträgen wird dagegen gern von den positiven Effekten berichtet. Als „Belege“ werden die Bestandsentwicklungen der Wiesenvögel in einigen Schutzgebieten präsentiert. Verschwiegen wird dabei aber zumeist, dass nicht nur Prädationsmanagement durchgeführt wird, sondern parallel umfangreiche Maßnahmen zur Lebensraumverbesserung, insbesondere zur Wiedervernässung der Flächen. Der Erfolg kann sich etwa in der Dümmerniederung in Niedersachsen sehen lassen, die Bestände der oben genannten Wiesenvögel sind dort sämtlich stark angestiegen. Ob jedoch das sogenannte Prädationsmanagement einen Beitrag zur Bestandserhöhung geleistet hat oder ob allein die Lebensraumverbesserungen ausschlaggebend sind, bleibt unklar. Auf Nachfragen bei den Projektverantwortlichen, sowohl in der Dümmerniederung als auch im Bremer Blockland, gab es keine Antwort und damit keinen Beleg für einen Effekt des Prädationsmanagements auf die Wiesenvogelbestände.


Es ist zwar erwiesen, dass Säugetiere wie beispielsweise der Fuchs, für die meisten Gelegeverluste von Bodenbrütern verantwortlich sind. Dies bedeutet aber nicht notwendigerweise, dass die massenhafte Tötung von Füchsen und anderen Prädatoren dem Wiesenvogelschutz hilft. Zahlreiche weitere Einflussfaktoren werden häufig außer Acht gelassen.


Es werden also große Mengen an Tieren unter hohem Einsatz von Kosten und Personal getötet, ohne einen Beweis für einen positiven Effekt auf Wiesenvogelbestände liefern zu können. Übrigens ist das „aktive Prädationsmanagement“ ein weitgehend deutsches Phänomen. Im umfassenden niederländischen Werk „Predatieproblematiek bij weidevogels“ (Prädationsproblematik bei Wiesenvögeln) spielt es keine zentrale Rolle. Maja Roodbergen, eine der Autorinnen, betonte 2022 in einem Vortrag bei einem Workshop, dass das „aktive Prädationsmanagement“ bestenfalls zu einem leichten Rückgang der Prädationsrate führt, aber negative Langzeitfolgen für das Ökosystem hat. Als Folge können beispielsweise andere Prädatoren wie Wiesel nachrücken und den fehlenden Fuchs ersetzen. In der Dümmerniederung wurden nach Reduktion des Fuchsbestandes Hunderte von Wieselfallen aufgestellt (Barkow 2022). Weiterhin kann es durch das Fehlen der Prädatoren zu starken Vermehrungen von Ratten und Mäusen kommen, die wiederum Gelege von Bodenbrütern gefährden können.


Das Töten von Beutegreifern ist die schlechteste von vielen Möglichkeiten, das Risiko für die Bruten von Wiesenvögeln zu senken. Welche Faktoren die Prädation von Gelegen und Küken beeinflussen und welche Alternativen zur Senkung des Prädationsrisikos zur Verfügung stehen, erfahren Sie im dritten Teil.

+++


Wiesenbrüter, Teil 3: Vorrang für den Lebensraumschutz


Literaturquellen:

  • Roodbergen, M. (2022): Predation problems and protection: an international perspective. Vortrag beim Workshop „Prädation und Gelegeschutz“ am 15.11.2022 in Rees am Niederrhein.

  • Teunissen, W., C. Kampichler, F. Majoor, M. Roodbergen & E. Kleyhaag (2020): Predatieproblematiek bij weidevogels. Sovon-rapport 2020/41. Sovon Vogelonderzoek Nederland, Nijmegen.

  • Barkow, A. (2022) Prädationsmanagement in Niedersachsen. Vortrag beim Workshop „Prädation und Gelegeschutz“ am 15.11.2022 in Rees am Niederrhein.

 

 

bottom of page