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Schutzstatus Wolf: Klage vor dem Europäischen Gerichtshof

Lovis Kauertz

Hören | Das Rechtsverfahren zur Nichtigerklärung des EU-Ratsbeschlusses zur Herabsetzung des strengen Schutzes des Wolfes  (Canis lupus) wurde in dieser Woche vom Gericht der Europäischen Union angenommen. Eingereicht haben die Klage die Umweltorganisation Green Impact (Italien) und weitere Organisationen.


Bild: paukereks  / pixelio.de
Bild: paukereks  / pixelio.de

Die fehlende wissenschaftliche Unterstützung für die Herabstufung des Wolfes wurde in einer von der Europäischen Union finanzierten und 2023 veröffentlichten Studie über die Ökologie und Genetik von Großraubtieren hervorgehoben  [1]. Eine weitere aktuelle Studie belegt ebenfalls das Fehlen einer wissenschaftlichen Grundlage für die Entscheidung zur Herabstufung des Wolfes  [2]. Dieser Bericht wurde von der Europäischen Kommission im Jahr 2023 in Auftrag gegeben und vor wenigen Tagen veröffentlicht. In Bezug auf den Wolf zitiert die Studie die jüngste wissenschaftliche Literatur, in der die Notwendigkeit betont wird, neue Parameter in Bezug auf Ökologie und Genetik einzuführen, um die tatsächliche Größe der Wolfspopulationen in Europa und deren langfristige Erhaltung genau zu bewerten.

 

Die in der Klage angeführten Gründe sind in der im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Mitteilung zusammengefasst [3].

 

Hauptbegründungen:

  • Die Kläger berufen sich auf die Verletzung europäischer Verträge, insbesondere des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Art. 191 Abs. 3) und des Vertrags über die Europäische Union (Art. 6 Abs. 1) in Verbindung mit Art. 37 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

 

Insoweit habe der Rat in der Vorbereitungsphase des Beschlusses eine Reihe von wissenschaftlichen Berichten von internationaler Bedeutung ignoriert oder unterbewertet. Er stützte sich damit auf eine falsche Interpretation des Arterhaltungszustands und verkenne die wissenschaftlich belegten Gefahren für die Artenvielfalt und die Ökosysteme. Bei der Ausarbeitung und der Vorlage des Vorschlags seien die von der Rechtsordnung der Europäischen Union geforderten grundlegenden Prinzipien der Transparenz und der Objektivität nicht eingehalten worden, wie die Einleitung einer Untersuchung seitens der Europäischen Ombudsstelle (Fall 1758/2024/FA) zeige.


  • Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Vorsorge, Überschreitung der Befugnisse bzw. Ermessensmissbrauch, Fehler im Untersuchungsverfahren in Bezug auf die Nichteinhaltung des Grundsatzes der „best available science“ sowie Verletzung der vom Gerichtshof zum Ausdruck gebrachten Grundsätze zu den Ausnahmen von der Regelung zum Schutz des Wolfs.

 

Insoweit berufen sich die Kläger auf wegweisende Urteile des Gerichtshofs zur Ausnahmeregelung von der Habitatrichtlinie [4], um darzutun, dass es absolut erforderlich sei, einen „günstigen Erhaltungszustand der Population der betreffenden Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet“ sicherzustellen, und dass die Schutzmaßnahmen einem „präventiven Ansatz“ folgen müssten, „der darauf gerichtet sei, den wirksamen Schutz der Populationen der betreffenden Arten zu gewährleisten“.

 

Der angefochtene Beschluss stehe auch im Widerspruch zu den von der Empfehlung Nr. 56 (1997) des Ständigen Ausschusses des Übereinkommens von Bern festgelegten Leitlinien. Diese Empfehlung sieht vor, dass die Änderungen der Anhänge I und II des Übereinkommens in kohärenter Weise und gestützt auf die besten wissenschaftlichen Erkenntnisse vorzunehmen seien.

Seit seiner Vorlage habe der Ratsvorschlag auf einem politischen Kompromiss beruht, der den Schutz des Wolfs mit den Forderungen der ländlichen Gemeinden in Einklang bringen solle. Ein solcher Ansatz sei jedoch, obwohl er in größeren politischen Kontexten legitim sei, völlig unangemessen für einen Beschluss, der die Erhaltung der Artenvielfalt betreffe und zwangsläufig auf den besten wissenschaftlichen Erkenntnissen und auf dem Vorsorgeprinzip beruhen müsse.

 

Der Rat habe es versäumt, Alternativen für den wirksamen Schutz des Grauwolfs in Betracht zu ziehen, die weniger Auswirkungen hätten und wissenschaftlich fundiert seien.

 

Widerstand der wissenschaftlichen Gemeinschaft gegen die Herabstufung des Wolfes.

Informationen zu den Empfehlungen der europäischen wissenschaftlichen Gemeinschaft, die sich gegen die Herabstufung des Wolfes aussprechen - einschließlich Erklärungen der Large Carnivore Initiative for Europe (LCIE), der IUCN und einer von 700 Wissenschaftlern unterzeichneten Erklärung - finden Sie unter folgendem Link: https://www.greenimpact.it/science-policy-and-laws-to-prevent-the-killing-of-wolves-in-europe/


Die Erhaltung der genetischen Vielfalt ist auch Teil der Verpflichtungen, die die Europäische Union im Rahmen des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt (UN CBD) unterzeichnet und auf der COP 2022 in Montreal ratifiziert hat (Ziel A7, Target 4, Kunming-Montreal, CBD).

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[1] Savanta (2023): Understanding Rural Perspectives. A survey on attitudes towards large carnivores in rural communities. [Ländliche Sichtweisen verstehen. Eine Umfrage zur Einstellung gegenüber Großraubtieren in ländlichen Gemeinden.]

[4] Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl.1992, L 206, S. 7).

 

Weitere Informationen:

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