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Deutschlandweit unkoordinierter Wiesenbrüterschutz

  • Karin Oswald
  • 4. Sept.
  • 4 Min. Lesezeit

Im Rahmen unserer Recherche wandten wir uns deutschlandweit stichprobenartig an Behörden und Gebietsbetreuer von Wiesenbrüterschutzgebieten und wollten wissen:

  • Wie haben sich die Bestände der Wiesenvögel in den vergangenen Jahren entwickelt?

  • Welche Maßnahmen zum Schutz der Wiesenbrüter wurden vor Ort umgesetzt?

  • Wie haben sich die Maßnahmen zum Wiesenvogelschutz auf den Bruterfolg ausgewirkt?

Unser Fokus lag dabei auf der Frage, ob ein aktives Prädatorenmanagement (= Töten von Füchsen, Marderartigen u.a.) stattfindet und wie sich die Zusammenarbeit mit den Jägern gestaltet.


Rotschenkel brüten vorwiegend in Küstenbereichen, aber auch in Sumpfgebieten oder auf Feuchtwiesen | Bild: Martin Steverding
Rotschenkel brüten vorwiegend in Küstenbereichen, aber auch in Sumpfgebieten oder auf Feuchtwiesen | Bild: Martin Steverding

Keine Koordination zwischen Naturschutz und Jägerschaft

Das Ergebnis war ernüchternd. Konkrete Zahlen zur Bestandsentwicklung konnte oder wollte man uns in der Regel nicht nennen. Vor Ort wurde meist eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen umgesetzt, es fehlte jedoch durchgehend eine Auswertung, welche Maßnahme welchen Anteil am Bruterfolg hat. Und die vielbeschworene „enge und vertrauensvolle“ Zusammenarbeit mit den örtlichen Jägern erwies sich bei genauerem Hinsehen durchweg als Luftnummer.


In Ingolstadt (Bayern) teilte uns die Untere Naturschutzbehörde mit, dass das einzige Wiesenbrüterschutzgebiet von einem ehrenamtlichen Naturschutzwächter betreut wird. Die letzte Zählung fand im Jahr 2019 statt, die Ergebnisse einer aktuell laufenden Zählung werden Mitte 2026 erwartet. Ob ein aktives Prädatorenmanagement stattfindet, wusste man bei der Naturschutzbehörde nicht, dies sollten wir entweder bei der Jägervereinigung oder der Unteren Jagdbehörde selbst erfragen.


Förderung von Betonrohrfallen ohne naturschutzfachliche Expertise

Auch im Naturschutzgebiet Leinepolder im Landkreis Northeim (Niedersachsen) fand bisher kein aussagekräftiges Monitoring statt. Zwar gehe der Trend beim Wachtelkönig derzeit nach oben, ob dies jedoch am Management vor Ort, dem Geschehen auf den Zugwegen oder den feuchteren Jahren liegt, sei reine Spekulation und auch vom zuständigen Gutachter nicht zu beantworten.


Auch wenn es keinen Hinweis darauf gibt, dass die Bejagung von Beutegreifern einen positiven Einfluss auf die Bestandsentwicklung hat, hat der Landkreis für die Jäger Röhrenfallen angeschafft. Doch obwohl die Fallen vom Kreis bezahlt wurden, liegen der unteren Naturschutzbehörde keine Streckenzahlen im Leinepolder vor, Vorgaben seitens des Naturschutzes gibt es für die Jäger nicht. Auch hier weiß also niemand, wie viele Füchse, Waschbären und andere Beutegreifer getötet werden, geschweige denn, welche Auswirkungen diese Maßnahme auf den Bruterfolg hat.


Den Behörden sind unsere Fragen unbequem

Im Landkreis Neuburg/Donau (Bayern) betreut der LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz, Bayerisches Pendant zum NABU) in enger Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörde ein Wiesenbrüterschutzgebiet. Konkrete Zahlen zur Bestandsentwicklung konnte oder wollte uns die Behörde nicht nennen, betonte aber mehrfach die enge Zusammenarbeit mit der Jägerschaft.


Ein aktives Prädatorenmanagement hält man für unerlässlich. Weitere Nachfragen ergaben dann, dass die Jäger auch in diesem Wiesenbrüterschutzgebiet ihrer Tätigkeit eigenverantwortlich nachgehen und die Naturschutzbehörde den Jägern gegenüber nicht weisungsbefugt ist. Trotz der angeblich so engen Abstimmung zwischen Naturschutz und Jägerschaft, lagen der Naturschutzbehörde keine Streckenzahlen über die getöteten Beutegreifer vor. Zusätzlich hatte man die Gebietsbetreuung des LBV vorgewarnt, dass hier jemand unbequeme Fragen stellt und die Antworten im Vorfeld abgesprochen.


Einfluss der Jagd auf den Bruterfolg der Vögel unbekannt

Auch der Landkreis Osterholz (Niedersachsen) unterstützt im Namen des Wiesenbrüterschutzes die Beschaffung von Lebendfallen und Meldesystemen zur Bejagung „invasiver Arten und Prädatoren“. Er muss aber gleichzeitig zugeben, dass aussagekräftige Streckenzahlen nicht vorliegen und somit nicht abgeleitet werden kann, welchen Einfluss die Prädatorenbejagung auf den Bruterfolg der Vögel hat. Also auch hier mehr Bauchgefühl als belastbare Daten.


Im Landkreis Pfaffenhofen/Ilm (Bayern) gibt es insgesamt 12 Schutzgebiete für Wiesenbrüter. Seit Anfang März versuchen wir gemeinsam mit der Tierschutzpartei Ingolstadt, Zahlen zur Bestandsentwicklung zu erhalten. Die Behörde gibt offen zu, dass man aufgrund von Personalmangel auf keine Datenlage zurückgreifen kann, die „den Anspruch der Vollständigkeit erfüllt“.


Auch den Einfluss der einzelnen Maßnahmen interpretiert man äußerst kreativ: in einem der Schutzgebiete ist es wohl in den vergangenen Jahren zu einer regelrechten Bestandsexplosion gekommen. Und zwar im Jahr 2022, als erste lebensraumverbessernde Maßnahmen umgesetzt wurden. Einen Zusammenhang zwischen Lebensraumverbesserung und Bruterfolg will man aber nicht sehen, den Erfolg führt man hauptsächlich auf ein in der Bevölkerung äußerst umstrittenes Betretungsverbot zurück.


Fragen nach weiteren durchgeführten Maßnahmen in diesem Gebiet, wie etwa Absprachen mit Landwirten bzgl. Mahdzeiten oder Düngemittel- und Pestizideinsatz schmettert man mit dem Hinweis ab, dass die Antworten auf diese Fragen „keinen erkennbaren Mehrwert“ bringen würden. Man weist uns noch darauf hin, dass bisher kein aktives Prädatorenmanagement in den betreuten Schutzgebieten stattfinden würde, dass man diesbezüglich aber gerade mit den Jägern in engem Austausch sei.


Man fragt sich, auf welcher Datengrundlage dieses Prädatorenmanagement aufgebaut werden soll, aber da uns die Behörde gebeten hat, von weiteren unbequemen Fragen Abstand zu nehmen und die Kommunikation offiziell für beendet erklärt hat, werden wir auf diese Frage wohl keine Antwort mehr bekommen.


Zusammenfassend kann man sagen, dass die angefragten Behörden trotz fehlender Datenlage einem aktiven Prädatorenmanagement sehr unkritisch gegenüberstehen. Im nächsten Beitrag werden wir zeigen, dass die Naturschützer vor Ort die Bejagung von Beutegreifern oft sehr viel kritischer sehen.

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