top of page

Wiesenbrüterschutz mit Schrot und Kugel? Ministerien antworten unwissend bis ablehnend.

  • Karin Oswald
  • 16. Okt.
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 28. Okt.

Hör doch mal rein | Im Rahmen unserer Recherche zum Wiesenbrüterschutz baten wir auch die Umweltministerien der verschiedenen Bundesländer um eine Einschätzung, welche Rolle ein aktives Prädatorenmanagement (Töten von Füchsen, Mardern und anderen jagdbaren Beutegreifern) durch die Jäger für den Bruterfolg der Vögel spielt und auf welchen Daten diese Einschätzung beruht.


 Saarland: Prädatorenmanagement entstammt einem längst überholten statischen Ansatz, wonach nur wenige Arten im Vordergrund stehen und verschiedene Arten(gruppen) gegeneinander ausgespielt werden | Bekassine, Bild: beecook68, Pixabay
Saarland: Prädatorenmanagement entstammt einem längst überholten statischen Ansatz, wonach nur wenige Arten im Vordergrund stehen und verschiedene Arten(gruppen) gegeneinander ausgespielt werden | Bekassine, Bild: beecook68, Pixabay

Im Landesamt für Umwelt (LfU) in Brandenburg setzt man vorwiegend auf Lebensraumgestaltung und passives Prädationsmanagement. Den Einfluss eines aktiven Prädatorenmanagements durch die Jäger könne man nicht beurteilen, denn:

„Hier sind Jagdstrecken nur innerhalb der Jagdstrukturen zu melden. Gegenüber den Naturschutzbehörden, besteht weder auf Landes- noch auf Kreisebene eine Meldepflicht. Dafür wird eine räumlich nur grob auflösende Jagdstatistik veröffentlicht. Umgekehrt kann der Naturschutz weder ehrenamtlich noch behördlich auf die Intensität der Jagdausübung hinwirken oder den zeitlichen Ablauf der Jagd im Jahresverlauf beeinflussen. Jeder Jagdausübungsberechtigte hat es letztlich selbst in der Hand, ob, wann und wie intensiv er Raubsäuger bejagt. In der Folge dürfte ein Mosaik unterschiedlichster Jagdintensitäten und –strategien bestehen. Das erklärt, weshalb es wissenschaftlichen Kriterien standhaltende Nachweise des Zusammenhangs zwischen Bejagung und Bruterfolg häufig nicht gibt. Das Handeln nach eigenem Ermessen des Jägers ist auch nicht für eine echte Bestandsregulierung geeignet.“


Ganz anders sieht man es in Mecklenburg-Vorpommern. Hier bezeichnet man erfolgreiche Lebensraumgestaltung als „ökologische Falle“ und beklagt, dass durch fehlende Anreize für die Jäger in der Fläche Prädatoren zu wenig bejagt werden. Belegen konnte man diese Außenseitermeinung nicht, stattdessen erklärte man die Kommunikation für beendet.


Aus Thüringen teilt man uns folgendes mit:

“Die Bejagung von Prädatoren wird einzelfallspezifisch und erfolgreich zum Schutz von Wiesenbrütern angewendet. Sie wird i.d.R. von lokalen Jägern/Berufsjägern betrieben. Insbesondere in größeren Schutzgebieten mit einer konsequenten und nachhaltigen Bejagung ist davon auszugehen, dass der Bruterfolg bodenbrütender Vögel steigt.“  


Auch hier viel Bauchgefühl ohne belastbare Daten, es wird nicht zwischen sinnvollem passiven Prädationsmanagement und fragwürdigem aktivem Prädatorenmanagement unterschieden und die Behauptung einer „einzelfallspezifischen Bejagung“ wurde durch unsere Recherche eindeutig widerlegt.


In Nordrhein-Westfalen holt sich das Referat für Biodiversität Unterstützung von den für „Jagdkunde“ zuständigen Kollegen aus dem Landwirtschaftsministerium – und genau so liest sich dieses Schreiben auch: Zäune seien nicht praktikabel, die Streckenzahlen würden den zuständigen Behörden gemeldet, die Jagd erfolge unter strikter Einhaltung rechtlicher Vorgaben … bla, bla.


Völlig absurd wird es in Bayern. Hier arbeitet das LfU im Moment an einem Leitfaden „Prädationsmanagement“ und verweist dabei als Grundlage auf die Zahlen aus der Vogelschutzwarte Garmisch-Partenkirchen. Doch laut Auskunft der Vogelschutzwarte habe man zwar eine beratende Funktion beim Wiesenbrüterschutz, es gebe aber keine Verpflichtung, die Vogelschutzwarte hinzuzuziehen. Somit erfolgt hier keine flächendeckende Erfassung der Brutbestände, ebenso wenig liegen dem LfU oder der VSW die Zahlen der im Namen des Artenschutzes getöteten Beutegreifer vor. Wie man ohne diese Daten einen Leitfaden erstellen möchte, bleibt ein Rätsel.


In Sachsen ist der Aufbau eines überregionalen Kompetenznetzes zum Wiesenbrüterschutz geplant. Die Landesdirektion Sachsen betont die Notwendigkeit eines aktiven Prädatorenmanagements und behauptet: „Bevor Prädatoren entnommen werden, erfolgt stets eine Analyse, welche Prädatorenart den Brutausfall verursacht.“ Da dies, wie wir mittlerweile wissen, nicht der Wahrheit entsprechen kann, da auch in Sachsen die Jäger nicht dem Naturschutz unterstellt sind und eigenverantwortlich handeln, stellt sich die Frage, ob hier bewusst die Unwahrheit gesagt wird oder ob man es wirklich nicht besser weiß. Die Aussage der Landesdirektion, dass Prädation durch Störche, Reiher, Kranich oder andere Vogelarten nicht bekannt und bei Wiesenbrütern auch unwahrscheinlich seien, weist auf jeden Fall auf eklatante Wissenslücken hin.


In Baden-Württemberg steht man dem aktiven Prädatorenmanagement wieder deutlich kritischer gegenüber: “Grundsätzlich ist ein wirksames (!) aktives Prädatorenmanagement mit einem sehr großen Aufwand verbunden … Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass es eines fundierten Bejagungskonzeptes bedarf, um einen positiven Effekt zu erzielen. Dies ist nur mit Berufsjägern und in eng umgrenzten Gebieten realistisch umsetzbar. Allein aus diesen Gründen sollten zunächst alle anderen Säulen im Artenschutz umgesetzt und ausgeschöpft werden, bevor nach einer fundierten fachlichen Analyse ein hoher Aufwand in ein aktives Prädatorenmanagement gesteckt wird.“


Zum Schluss noch ein deutliches Statement aus dem Saarland:

„Ein sog. „Prädatorenmanagement“ lehnen wir im ZfB (Zentrum für Biodokumentation) klar ab. Denn erstens entstammt ein solcher Ansatz einem eigentlich längst überholten statischen Ansatz, wonach nur eine bzw. wenige Arten im Vordergrund stehen und verschiedene Arten(gruppen) gegeneinander ausgespielt werden. Das ist ökosystemar nicht angemessen. Zweitens würde es auch wenig bringen, weil z.B. Füchse ständig nachrücken und als natürlich revierbildende Art gar keine Überpopulation bilden können. Und würde man sie weiträumig stark dezimieren, können sie ihre vielfältigen ebenso wichtigen Funktionen weniger wahrnehmen.  Dass „Prädationsmanagement“ dennoch öfter genannt wird, entspringt dem Einfluss der Jagdlobby mit teils anderen Interessen oder es wird veraltet und traditionsbehaftet „falsch“ nachgeredet.“

+++

Lesen Sie hier weitere Beiträge zum Thema Wiesenvogelschutz:

bottom of page